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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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verbürgen. Wir sind ja eigentlich selber märkisch oder
doch beinah' und wissen trotzdem so wenig davon, weil
wir immer draußen waren. Ich kenne wohl Saatwinkel
und den Grunewald, aber das eigentliche brandenburgische
Land, das ist doch noch etwas andres. Es soll alles so
romantisch sein und so melancholisch, Sand und Sumpf
und im Wasser ein paar Binsen oder eine Birke, dran
das Laub zittert. Ist Ihre Ruppiner Gegend auch so?"

"Nein, Comtesse, wir haben viel Wald und See, die
sogenannte mecklenburgische Seenplatte."

"Nun das ist auch gut. Mecklenburg, wie mir die
Berchtesgadens erst neulich versichert haben, hat auch seine
Romantik."

"Sehr warr. Habe gelesen Stromtid und habe
gelesen Franzosentid ..."

"Und dann glaub ich auch zu wissen," fuhr Armgard
fort, "daß Sie Rheinsberg ganz in der Nähe haben.
Ist es richtig. Und kennen Sie's? Es soll so viel
Interessantes bieten. Ich erinnere mich seiner aus meinen
Kindertagen her, trotzdem wir damals in London lebten.
Oder vielleicht auch gerade deshalb. Denn es war die
Zeit, wo das Carlylesche Buch über Friedrich den Großen
immer noch in Mode war, und wo's zum Guten Ton
g[]ehörte, sich nicht bloß um die Terrasse von Sanssouci
zu kümmern, sondern auch um Rheinsberg und den Orden
de la generosite. Lebt das alles noch da? Spricht das
Volk noch davon?"

"Nein, Comtesse, das ist alles fort. Und überhaupt,
von dem großen König spricht im Rheinsbergischen niemand
mehr, was auch kaum anders sein kann. Der große
König war als Kronprinz nur kurze Zeit da, sein Bruder
Heinrich aber fünfzig Jahre. Und so hat die Prinz-
Heinrichzeit beklagenswerterweise die Kronprinzenzeit ganz
erdrückt. Aber beklagenswert doch nicht in allem. Denn

verbürgen. Wir ſind ja eigentlich ſelber märkiſch oder
doch beinah' und wiſſen trotzdem ſo wenig davon, weil
wir immer draußen waren. Ich kenne wohl Saatwinkel
und den Grunewald, aber das eigentliche brandenburgiſche
Land, das iſt doch noch etwas andres. Es ſoll alles ſo
romantiſch ſein und ſo melancholiſch, Sand und Sumpf
und im Waſſer ein paar Binſen oder eine Birke, dran
das Laub zittert. Iſt Ihre Ruppiner Gegend auch ſo?“

„Nein, Comteſſe, wir haben viel Wald und See, die
ſogenannte mecklenburgiſche Seenplatte.“

„Nun das iſt auch gut. Mecklenburg, wie mir die
Berchtesgadens erſt neulich verſichert haben, hat auch ſeine
Romantik.“

„Sehr warr. Habe geleſen Stromtid und habe
geleſen Franzoſentid ...“

„Und dann glaub ich auch zu wiſſen,“ fuhr Armgard
fort, „daß Sie Rheinsberg ganz in der Nähe haben.
Iſt es richtig. Und kennen Sie's? Es ſoll ſo viel
Intereſſantes bieten. Ich erinnere mich ſeiner aus meinen
Kindertagen her, trotzdem wir damals in London lebten.
Oder vielleicht auch gerade deshalb. Denn es war die
Zeit, wo das Carlyleſche Buch über Friedrich den Großen
immer noch in Mode war, und wo's zum Guten Ton
g[]ehörte, ſich nicht bloß um die Terraſſe von Sansſouci
zu kümmern, ſondern auch um Rheinsberg und den Orden
de la générosité. Lebt das alles noch da? Spricht das
Volk noch davon?“

„Nein, Comteſſe, das iſt alles fort. Und überhaupt,
von dem großen König ſpricht im Rheinsbergiſchen niemand
mehr, was auch kaum anders ſein kann. Der große
König war als Kronprinz nur kurze Zeit da, ſein Bruder
Heinrich aber fünfzig Jahre. Und ſo hat die Prinz-
Heinrichzeit beklagenswerterweiſe die Kronprinzenzeit ganz
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[167/0174] verbürgen. Wir ſind ja eigentlich ſelber märkiſch oder doch beinah' und wiſſen trotzdem ſo wenig davon, weil wir immer draußen waren. Ich kenne wohl Saatwinkel und den Grunewald, aber das eigentliche brandenburgiſche Land, das iſt doch noch etwas andres. Es ſoll alles ſo romantiſch ſein und ſo melancholiſch, Sand und Sumpf und im Waſſer ein paar Binſen oder eine Birke, dran das Laub zittert. Iſt Ihre Ruppiner Gegend auch ſo?“ „Nein, Comteſſe, wir haben viel Wald und See, die ſogenannte mecklenburgiſche Seenplatte.“ „Nun das iſt auch gut. Mecklenburg, wie mir die Berchtesgadens erſt neulich verſichert haben, hat auch ſeine Romantik.“ „Sehr warr. Habe geleſen Stromtid und habe geleſen Franzoſentid ...“ „Und dann glaub ich auch zu wiſſen,“ fuhr Armgard fort, „daß Sie Rheinsberg ganz in der Nähe haben. Iſt es richtig. Und kennen Sie's? Es ſoll ſo viel Intereſſantes bieten. Ich erinnere mich ſeiner aus meinen Kindertagen her, trotzdem wir damals in London lebten. Oder vielleicht auch gerade deshalb. Denn es war die Zeit, wo das Carlyleſche Buch über Friedrich den Großen immer noch in Mode war, und wo's zum Guten Ton g_ ehörte, ſich nicht bloß um die Terraſſe von Sansſouci zu kümmern, ſondern auch um Rheinsberg und den Orden de la générosité. Lebt das alles noch da? Spricht das Volk noch davon?“ „Nein, Comteſſe, das iſt alles fort. Und überhaupt, von dem großen König ſpricht im Rheinsbergiſchen niemand mehr, was auch kaum anders ſein kann. Der große König war als Kronprinz nur kurze Zeit da, ſein Bruder Heinrich aber fünfzig Jahre. Und ſo hat die Prinz- Heinrichzeit beklagenswerterweiſe die Kronprinzenzeit ganz erdrückt. Aber beklagenswert doch nicht in allem. Denn

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/174>, abgerufen am 06.05.2024.