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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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am 21. Dezember starb er. Auf dem Notizenzettel, den
man damals dem Kandidaten zugestellt hatte, hatte dieser
dreimal wiederkehrende "einundzwanzigste" gefehlt, was
alles in allem wohl als ein Glück angesehen werden
konnte, weil, entgegengesetztenfalls, die "drei Tage vor
Weihnachten" entweder gar nicht zu stande gekommen
oder aber durch eine geteilte Herrschaft in ihrer Wirkung
abgeschwächt worden wären.

Schickedanz war bei voller Besinnung gestorben.
Er rief, kurz vor seinem Ende, seine Frau an sein Bett
und sagte: "Riekchen, sei ruhig. Jeder muß. Ein Testa¬
ment hab' ich nicht gemacht. Es giebt doch bloß immer
Zank und Streit. Auf meinem Schreibtisch liegt ein
Briefbogen, drauf hab' ich alles Nötige geschrieben.
Viel wichtiger ist mir das mit dem Haus. Du mußt
es behalten, damit die Leute sagen können: ,Da wohnt
Frau Schickedanz'. Hausname, Straßenname, das ist
überhaupt das Beste. Straßenname dauert noch länger
als Denkmal."

"Gott, Schickedanz, sprich nicht so viel; es strengt
dich an. Ich will es ja alles heilig halten, schon aus
Liebe ..."

"Das ist recht, Riekchen. Ja, du warst immer eine
gute Frau, wenn wir auch keine Nachfolge gehabt haben.
Aber darum bitte ich dich, vergiß nie, daß es meine
Puppe war. Du darfst bloß vornehme Leute nehmen;
reiche Leute, die bloß reich sind, nimm nicht; die quängeln
bloß und schlagen große Haken in die Thürfüllung und
hängen eine Schaukel dran. Überhaupt, wenn es sein
kann, keine Kinder. Hartwigen unten mußt du behalten;
er ist eigentlich ein Klugschmus, aber die Frau ist gut.
Und der kleine Rudolf, mein Patenkind, wenn er ein
Jahr alt wird, soll er hundert Thaler kriegen. Thaler,
nicht Mark. Und der Schullehrer in Kaputt soll auch
hundert Thaler kriegen. Der wird sich wundern. Aber

am 21. Dezember ſtarb er. Auf dem Notizenzettel, den
man damals dem Kandidaten zugeſtellt hatte, hatte dieſer
dreimal wiederkehrende „einundzwanzigſte“ gefehlt, was
alles in allem wohl als ein Glück angeſehen werden
konnte, weil, entgegengeſetztenfalls, die „drei Tage vor
Weihnachten“ entweder gar nicht zu ſtande gekommen
oder aber durch eine geteilte Herrſchaft in ihrer Wirkung
abgeſchwächt worden wären.

Schickedanz war bei voller Beſinnung geſtorben.
Er rief, kurz vor ſeinem Ende, ſeine Frau an ſein Bett
und ſagte: „Riekchen, ſei ruhig. Jeder muß. Ein Teſta¬
ment hab' ich nicht gemacht. Es giebt doch bloß immer
Zank und Streit. Auf meinem Schreibtiſch liegt ein
Briefbogen, drauf hab' ich alles Nötige geſchrieben.
Viel wichtiger iſt mir das mit dem Haus. Du mußt
es behalten, damit die Leute ſagen können: ‚Da wohnt
Frau Schickedanz‘. Hausname, Straßenname, das iſt
überhaupt das Beſte. Straßenname dauert noch länger
als Denkmal.“

„Gott, Schickedanz, ſprich nicht ſo viel; es ſtrengt
dich an. Ich will es ja alles heilig halten, ſchon aus
Liebe ...“

„Das iſt recht, Riekchen. Ja, du warſt immer eine
gute Frau, wenn wir auch keine Nachfolge gehabt haben.
Aber darum bitte ich dich, vergiß nie, daß es meine
Puppe war. Du darfſt bloß vornehme Leute nehmen;
reiche Leute, die bloß reich ſind, nimm nicht; die quängeln
bloß und ſchlagen große Haken in die Thürfüllung und
hängen eine Schaukel dran. Überhaupt, wenn es ſein
kann, keine Kinder. Hartwigen unten mußt du behalten;
er iſt eigentlich ein Klugſchmus, aber die Frau iſt gut.
Und der kleine Rudolf, mein Patenkind, wenn er ein
Jahr alt wird, ſoll er hundert Thaler kriegen. Thaler,
nicht Mark. Und der Schullehrer in Kaputt ſoll auch
hundert Thaler kriegen. Der wird ſich wundern. Aber

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[153/0160] am 21. Dezember ſtarb er. Auf dem Notizenzettel, den man damals dem Kandidaten zugeſtellt hatte, hatte dieſer dreimal wiederkehrende „einundzwanzigſte“ gefehlt, was alles in allem wohl als ein Glück angeſehen werden konnte, weil, entgegengeſetztenfalls, die „drei Tage vor Weihnachten“ entweder gar nicht zu ſtande gekommen oder aber durch eine geteilte Herrſchaft in ihrer Wirkung abgeſchwächt worden wären. Schickedanz war bei voller Beſinnung geſtorben. Er rief, kurz vor ſeinem Ende, ſeine Frau an ſein Bett und ſagte: „Riekchen, ſei ruhig. Jeder muß. Ein Teſta¬ ment hab' ich nicht gemacht. Es giebt doch bloß immer Zank und Streit. Auf meinem Schreibtiſch liegt ein Briefbogen, drauf hab' ich alles Nötige geſchrieben. Viel wichtiger iſt mir das mit dem Haus. Du mußt es behalten, damit die Leute ſagen können: ‚Da wohnt Frau Schickedanz‘. Hausname, Straßenname, das iſt überhaupt das Beſte. Straßenname dauert noch länger als Denkmal.“ „Gott, Schickedanz, ſprich nicht ſo viel; es ſtrengt dich an. Ich will es ja alles heilig halten, ſchon aus Liebe ...“ „Das iſt recht, Riekchen. Ja, du warſt immer eine gute Frau, wenn wir auch keine Nachfolge gehabt haben. Aber darum bitte ich dich, vergiß nie, daß es meine Puppe war. Du darfſt bloß vornehme Leute nehmen; reiche Leute, die bloß reich ſind, nimm nicht; die quängeln bloß und ſchlagen große Haken in die Thürfüllung und hängen eine Schaukel dran. Überhaupt, wenn es ſein kann, keine Kinder. Hartwigen unten mußt du behalten; er iſt eigentlich ein Klugſchmus, aber die Frau iſt gut. Und der kleine Rudolf, mein Patenkind, wenn er ein Jahr alt wird, ſoll er hundert Thaler kriegen. Thaler, nicht Mark. Und der Schullehrer in Kaputt ſoll auch hundert Thaler kriegen. Der wird ſich wundern. Aber

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/160>, abgerufen am 23.11.2024.