glaubte eigentlich nicht daran), "und wenn ich dann oben ankomme mit einer rechts und einer links, so is das doch immer eine genierliche Sache." Diese Worte -- wie denn der Eltern Thun nur allzu häufig der Mi߬ billigung der Kinder begegnet -- richteten sich in Wirk¬ lichkeit gegen seinen dreimal verheiratet gewesenen Vater, an dem er überhaupt allerlei Großes und Kleines aus¬ zusetzen hatte, so beispielsweise auch, daß man ihm, dem Sohne, den pommerschen Namen "Dubslav" bei¬ gelegt hatte. "Gewiß, meine Mutter war eine Pommersche, noch dazu von der Insel Usedom, und ihr Bruder, nun ja, der hieß Dubslav. Und so war denn gegen den Namen schon um des Onkels willen nicht viel einzu¬ wenden, und um so weniger, als er ein Erbonkel war. (Daß er mich schließlich schändlich im Stich gelassen, ist eine Sache für sich.) Aber trotzdem bleib' ich dabei, solche Namensmanscherei verwirrt bloß. Was ein Märkischer ist, der muß Joachim heißen oder Woldemar. Bleib im Lande und taufe dich redlich. Wer aus Frie¬ sack is, darf nicht Raoul heißen."
Dubslav von Stechlin blieb also Witwer. Das ging nun schon an die dreißig Jahre. Anfangs war's ihm schwer geworden, aber jetzt lag alles hinter ihm, und er lebte "comme philosophe" nach dem Wort und Vorbild des großen Königs, zu dem er jederzeit be¬ wundernd aufblickte. Das war sein Mann, mehr als irgendwer, der sich seitdem einen Namen gemacht hatte. Das zeigte sich jedesmal, wenn ihm gesagt wurde, daß er einen Bismarckkopf habe. "Nun ja, ja, den hab' ich; ich soll ihm sogar ähnlich sehen. Aber die Leute sagen es immer so, als ob ich mich dafür bedanken müßte. Wenn ich nur wüßte, bei wem; vielleicht beim lieben Gott, oder am Ende gar bei Bismarck selbst. Die Stechline sind aber auch nicht von schlechten Eltern. Außerdem, ich für meine Person, ich habe bei den
glaubte eigentlich nicht daran), „und wenn ich dann oben ankomme mit einer rechts und einer links, ſo is das doch immer eine genierliche Sache.“ Dieſe Worte — wie denn der Eltern Thun nur allzu häufig der Mi߬ billigung der Kinder begegnet — richteten ſich in Wirk¬ lichkeit gegen ſeinen dreimal verheiratet geweſenen Vater, an dem er überhaupt allerlei Großes und Kleines aus¬ zuſetzen hatte, ſo beiſpielsweiſe auch, daß man ihm, dem Sohne, den pommerſchen Namen „Dubslav“ bei¬ gelegt hatte. „Gewiß, meine Mutter war eine Pommerſche, noch dazu von der Inſel Uſedom, und ihr Bruder, nun ja, der hieß Dubslav. Und ſo war denn gegen den Namen ſchon um des Onkels willen nicht viel einzu¬ wenden, und um ſo weniger, als er ein Erbonkel war. (Daß er mich ſchließlich ſchändlich im Stich gelaſſen, iſt eine Sache für ſich.) Aber trotzdem bleib' ich dabei, ſolche Namensmanſcherei verwirrt bloß. Was ein Märkiſcher iſt, der muß Joachim heißen oder Woldemar. Bleib im Lande und taufe dich redlich. Wer aus Frie¬ ſack is, darf nicht Raoul heißen.“
Dubslav von Stechlin blieb alſo Witwer. Das ging nun ſchon an die dreißig Jahre. Anfangs war's ihm ſchwer geworden, aber jetzt lag alles hinter ihm, und er lebte „comme philosophe“ nach dem Wort und Vorbild des großen Königs, zu dem er jederzeit be¬ wundernd aufblickte. Das war ſein Mann, mehr als irgendwer, der ſich ſeitdem einen Namen gemacht hatte. Das zeigte ſich jedesmal, wenn ihm geſagt wurde, daß er einen Bismarckkopf habe. „Nun ja, ja, den hab' ich; ich ſoll ihm ſogar ähnlich ſehen. Aber die Leute ſagen es immer ſo, als ob ich mich dafür bedanken müßte. Wenn ich nur wüßte, bei wem; vielleicht beim lieben Gott, oder am Ende gar bei Bismarck ſelbſt. Die Stechline ſind aber auch nicht von ſchlechten Eltern. Außerdem, ich für meine Perſon, ich habe bei den
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glaubte eigentlich nicht daran), „und wenn ich dann oben
ankomme mit einer rechts und einer links, ſo is das
doch immer eine genierliche Sache.“ Dieſe Worte —
wie denn der Eltern Thun nur allzu häufig der Mi߬
billigung der Kinder begegnet — richteten ſich in Wirk¬
lichkeit gegen ſeinen dreimal verheiratet geweſenen Vater,
an dem er überhaupt allerlei Großes und Kleines aus¬
zuſetzen hatte, ſo beiſpielsweiſe auch, daß man ihm,
dem Sohne, den pommerſchen Namen „Dubslav“ bei¬
gelegt hatte. „Gewiß, meine Mutter war eine Pommerſche,
noch dazu von der Inſel Uſedom, und ihr Bruder, nun
ja, der hieß Dubslav. Und ſo war denn gegen den
Namen ſchon um des Onkels willen nicht viel einzu¬
wenden, und um ſo weniger, als er ein Erbonkel war.
(Daß er mich ſchließlich ſchändlich im Stich gelaſſen, iſt
eine Sache für ſich.) Aber trotzdem bleib' ich dabei,
ſolche Namensmanſcherei verwirrt bloß. Was ein
Märkiſcher iſt, der muß Joachim heißen oder Woldemar.
Bleib im Lande und taufe dich redlich. Wer aus Frie¬
ſack is, darf nicht Raoul heißen.“
Dubslav von Stechlin blieb alſo Witwer. Das
ging nun ſchon an die dreißig Jahre. Anfangs war's
ihm ſchwer geworden, aber jetzt lag alles hinter ihm,
und er lebte „comme philosophe“ nach dem Wort und
Vorbild des großen Königs, zu dem er jederzeit be¬
wundernd aufblickte. Das war ſein Mann, mehr als
irgendwer, der ſich ſeitdem einen Namen gemacht hatte.
Das zeigte ſich jedesmal, wenn ihm geſagt wurde, daß
er einen Bismarckkopf habe. „Nun ja, ja, den hab'
ich; ich ſoll ihm ſogar ähnlich ſehen. Aber die Leute
ſagen es immer ſo, als ob ich mich dafür bedanken
müßte. Wenn ich nur wüßte, bei wem; vielleicht beim
lieben Gott, oder am Ende gar bei Bismarck ſelbſt.
Die Stechline ſind aber auch nicht von ſchlechten Eltern.
Außerdem, ich für meine Perſon, ich habe bei den
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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/15>, abgerufen am 24.11.2024.
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