Die Barbys, der alte Graf und seine zwei Töchter, lebten seit einer Reihe von Jahren in Berlin und zwar am Kronprinzenufer, zwischen Alsen- und Moltkebrücke. Das Haus, dessen erste Etage sie bewohnten, unterschied sich, ohne sonst irgendwie hervorragend zu sein (Berlin ist nicht reich an Privathäusern, die Schönheit und Eigenart in sich vereinigen), immerhin vorteilhaft von seinen Nachbarhäusern, von denen es durch zwei Terrain¬ streifen getrennt wurde; der eine davon ein kleiner Baumgarten, mit allerlei Buschwerk dazwischen, der andre ein Hofraum mit einem zierlichen malerisch wir¬ kenden Stallgebäude, dessen obere Fenster, hinter denen sich die Kutscherwohnung befand, von wildem Wein um¬ wachsen waren. Schon diese Lage des Hauses hätte dem¬ selben ein bestimmtes Maß von Aufmerksamkeit gesichert, aber auch seine Fassade mit ihren zwei Loggien links und rechts ließ die des Weges Kommenden unwillkürlich ihr Auge darauf richten. Hier, in eben diesen Loggien, verbrachte die Familie mit Vorliebe die Früh- und Nachmittagsstunden und bevorzugte dabei, je nach der Jahreszeit, mal den zum Zimmer des alten Grafen ge¬ hörigen, in pompejischem Rot gehaltenen Einbau, mal die gleichartige Loggia, die zum Zimmer der beiden jungen Damen gehörte. Dazwischen lag ein dritter großer Raum, der als Repräsentations- und zugleich als E߬
Elftes Kapitel.
Die Barbys, der alte Graf und ſeine zwei Töchter, lebten ſeit einer Reihe von Jahren in Berlin und zwar am Kronprinzenufer, zwiſchen Alſen- und Moltkebrücke. Das Haus, deſſen erſte Etage ſie bewohnten, unterſchied ſich, ohne ſonſt irgendwie hervorragend zu ſein (Berlin iſt nicht reich an Privathäuſern, die Schönheit und Eigenart in ſich vereinigen), immerhin vorteilhaft von ſeinen Nachbarhäuſern, von denen es durch zwei Terrain¬ ſtreifen getrennt wurde; der eine davon ein kleiner Baumgarten, mit allerlei Buſchwerk dazwiſchen, der andre ein Hofraum mit einem zierlichen maleriſch wir¬ kenden Stallgebäude, deſſen obere Fenſter, hinter denen ſich die Kutſcherwohnung befand, von wildem Wein um¬ wachſen waren. Schon dieſe Lage des Hauſes hätte dem¬ ſelben ein beſtimmtes Maß von Aufmerkſamkeit geſichert, aber auch ſeine Faſſade mit ihren zwei Loggien links und rechts ließ die des Weges Kommenden unwillkürlich ihr Auge darauf richten. Hier, in eben dieſen Loggien, verbrachte die Familie mit Vorliebe die Früh- und Nachmittagsſtunden und bevorzugte dabei, je nach der Jahreszeit, mal den zum Zimmer des alten Grafen ge¬ hörigen, in pompejiſchem Rot gehaltenen Einbau, mal die gleichartige Loggia, die zum Zimmer der beiden jungen Damen gehörte. Dazwiſchen lag ein dritter großer Raum, der als Repräſentations- und zugleich als E߬
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0146"n="[140]"/><divn="2"><head><hirendition="#b #g">Elftes Kapitel.</hi><lb/></head><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Die Barbys, der alte Graf und ſeine zwei Töchter,<lb/>
lebten ſeit einer Reihe von Jahren in Berlin und zwar<lb/>
am Kronprinzenufer, zwiſchen Alſen- und Moltkebrücke.<lb/>
Das Haus, deſſen erſte Etage ſie bewohnten, unterſchied<lb/>ſich, ohne ſonſt irgendwie hervorragend zu ſein (Berlin<lb/>
iſt nicht reich an Privathäuſern, die Schönheit und<lb/>
Eigenart in ſich vereinigen), immerhin vorteilhaft von<lb/>ſeinen Nachbarhäuſern, von denen es durch zwei Terrain¬<lb/>ſtreifen getrennt wurde; der eine davon ein kleiner<lb/>
Baumgarten, mit allerlei Buſchwerk dazwiſchen, der<lb/>
andre ein Hofraum mit einem zierlichen maleriſch wir¬<lb/>
kenden Stallgebäude, deſſen obere Fenſter, hinter denen<lb/>ſich die Kutſcherwohnung befand, von wildem Wein um¬<lb/>
wachſen waren. Schon dieſe Lage des Hauſes hätte dem¬<lb/>ſelben ein beſtimmtes Maß von Aufmerkſamkeit geſichert,<lb/>
aber auch ſeine Faſſade mit ihren zwei Loggien links<lb/>
und rechts ließ die des Weges Kommenden unwillkürlich<lb/>
ihr Auge darauf richten. Hier, in eben dieſen Loggien,<lb/>
verbrachte die Familie mit Vorliebe die Früh- und<lb/>
Nachmittagsſtunden und bevorzugte dabei, je nach der<lb/>
Jahreszeit, mal den zum Zimmer des alten Grafen ge¬<lb/>
hörigen, in pompejiſchem Rot gehaltenen Einbau, mal<lb/>
die gleichartige Loggia, die zum Zimmer der beiden<lb/>
jungen Damen gehörte. Dazwiſchen lag ein dritter großer<lb/>
Raum, der als Repräſentations- und zugleich als E߬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[[140]/0146]
Elftes Kapitel.
Die Barbys, der alte Graf und ſeine zwei Töchter,
lebten ſeit einer Reihe von Jahren in Berlin und zwar
am Kronprinzenufer, zwiſchen Alſen- und Moltkebrücke.
Das Haus, deſſen erſte Etage ſie bewohnten, unterſchied
ſich, ohne ſonſt irgendwie hervorragend zu ſein (Berlin
iſt nicht reich an Privathäuſern, die Schönheit und
Eigenart in ſich vereinigen), immerhin vorteilhaft von
ſeinen Nachbarhäuſern, von denen es durch zwei Terrain¬
ſtreifen getrennt wurde; der eine davon ein kleiner
Baumgarten, mit allerlei Buſchwerk dazwiſchen, der
andre ein Hofraum mit einem zierlichen maleriſch wir¬
kenden Stallgebäude, deſſen obere Fenſter, hinter denen
ſich die Kutſcherwohnung befand, von wildem Wein um¬
wachſen waren. Schon dieſe Lage des Hauſes hätte dem¬
ſelben ein beſtimmtes Maß von Aufmerkſamkeit geſichert,
aber auch ſeine Faſſade mit ihren zwei Loggien links
und rechts ließ die des Weges Kommenden unwillkürlich
ihr Auge darauf richten. Hier, in eben dieſen Loggien,
verbrachte die Familie mit Vorliebe die Früh- und
Nachmittagsſtunden und bevorzugte dabei, je nach der
Jahreszeit, mal den zum Zimmer des alten Grafen ge¬
hörigen, in pompejiſchem Rot gehaltenen Einbau, mal
die gleichartige Loggia, die zum Zimmer der beiden
jungen Damen gehörte. Dazwiſchen lag ein dritter großer
Raum, der als Repräſentations- und zugleich als E߬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. [140]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/146>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.