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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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lassen, daß Ihr Celibataire seit Ausgang vorigen Winters
in eben diesem Hause regelmäßig verkehrt."

"Er wird wohl in vielen Häusern verkehren."

"Möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich, da das
eine Haus ihn ganz in Anspruch nimmt."

"Nun gut, so lassen wir ihn bei den Barbys. Aber
was bedeutet das."

"Das bedeutet, daß in einem solchen Hause ver¬
kehren und sich mit einer Tochter verloben so ziemlich
ein und dasselbe ist. Bloß eine Frage der Zeit. Und
die Tante wird sich damit aussöhnen müssen, auch wenn
sie, wie beinah gewiß, über ihr Herzblatt bereits anders
verfügt haben sollte. Solche Dinge begleichen sich in¬
dessen fast immer. Unser Woldemar wird sich aber mittler¬
weile vor ganz andre Schwierigkeiten gestellt sehen."

"Und die wären? Ist er nicht vornehm genug?
Oder mankiert vielleicht Gegenliebe?"

"Nein, Czako, von ,mankierender Gegenliebe', wie
Sie sich auszudrücken belieben, kann keine Rede sein.
Die Schwierigkeiten liegen in was anderm. Es sind
da nämlich, wie ich mir schon anzudeuten erlaubte, zwei
Comtessen im Hause. Nun, die jüngere wird es wohl
werden, schon weil sie eben die jüngere ist. Aber so
ganz sicher ist es doch keineswegs. Denn auch die ältere,
wiewohl schon über dreißig, ist sehr reizend und zum
Überfluß auch noch Witwe -- das heißt eigentlich nicht
Witwe, sondern richtiger eine gleich nach der Ehe geschiedene
Frau. Sie war nur ein halbes Jahr verheiratet, oder
vielleicht auch nicht verheiratet."

"Verheiratet, oder vielleicht auch nicht verheiratet,"
wiederholte Czako, während er unwillkürlich sein Pferd
anhielt. "Aber Rex, das ist ja hoch pikant. Und daß
ich erst heute davon höre und noch dazu durch Sie, der
Sie sich von solchen Dingen doch zunächst entsetzt ab¬
wenden müßten. Aber so seid ihr Konventikler. Schlie߬

laſſen, daß Ihr Célibataire ſeit Ausgang vorigen Winters
in eben dieſem Hauſe regelmäßig verkehrt.“

„Er wird wohl in vielen Häuſern verkehren.“

„Möglich, aber nicht ſehr wahrſcheinlich, da das
eine Haus ihn ganz in Anſpruch nimmt.“

„Nun gut, ſo laſſen wir ihn bei den Barbys. Aber
was bedeutet das.“

„Das bedeutet, daß in einem ſolchen Hauſe ver¬
kehren und ſich mit einer Tochter verloben ſo ziemlich
ein und daſſelbe iſt. Bloß eine Frage der Zeit. Und
die Tante wird ſich damit ausſöhnen müſſen, auch wenn
ſie, wie beinah gewiß, über ihr Herzblatt bereits anders
verfügt haben ſollte. Solche Dinge begleichen ſich in¬
deſſen faſt immer. Unſer Woldemar wird ſich aber mittler¬
weile vor ganz andre Schwierigkeiten geſtellt ſehen.“

„Und die wären? Iſt er nicht vornehm genug?
Oder mankiert vielleicht Gegenliebe?“

„Nein, Czako, von ‚mankierender Gegenliebe‘, wie
Sie ſich auszudrücken belieben, kann keine Rede ſein.
Die Schwierigkeiten liegen in was anderm. Es ſind
da nämlich, wie ich mir ſchon anzudeuten erlaubte, zwei
Comteſſen im Hauſe. Nun, die jüngere wird es wohl
werden, ſchon weil ſie eben die jüngere iſt. Aber ſo
ganz ſicher iſt es doch keineswegs. Denn auch die ältere,
wiewohl ſchon über dreißig, iſt ſehr reizend und zum
Überfluß auch noch Witwe — das heißt eigentlich nicht
Witwe, ſondern richtiger eine gleich nach der Ehe geſchiedene
Frau. Sie war nur ein halbes Jahr verheiratet, oder
vielleicht auch nicht verheiratet.“

„Verheiratet, oder vielleicht auch nicht verheiratet,“
wiederholte Czako, während er unwillkürlich ſein Pferd
anhielt. „Aber Rex, das iſt ja hoch pikant. Und daß
ich erſt heute davon höre und noch dazu durch Sie, der
Sie ſich von ſolchen Dingen doch zunächſt entſetzt ab¬
wenden müßten. Aber ſo ſeid ihr Konventikler. Schlie߬

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[132/0139] laſſen, daß Ihr Célibataire ſeit Ausgang vorigen Winters in eben dieſem Hauſe regelmäßig verkehrt.“ „Er wird wohl in vielen Häuſern verkehren.“ „Möglich, aber nicht ſehr wahrſcheinlich, da das eine Haus ihn ganz in Anſpruch nimmt.“ „Nun gut, ſo laſſen wir ihn bei den Barbys. Aber was bedeutet das.“ „Das bedeutet, daß in einem ſolchen Hauſe ver¬ kehren und ſich mit einer Tochter verloben ſo ziemlich ein und daſſelbe iſt. Bloß eine Frage der Zeit. Und die Tante wird ſich damit ausſöhnen müſſen, auch wenn ſie, wie beinah gewiß, über ihr Herzblatt bereits anders verfügt haben ſollte. Solche Dinge begleichen ſich in¬ deſſen faſt immer. Unſer Woldemar wird ſich aber mittler¬ weile vor ganz andre Schwierigkeiten geſtellt ſehen.“ „Und die wären? Iſt er nicht vornehm genug? Oder mankiert vielleicht Gegenliebe?“ „Nein, Czako, von ‚mankierender Gegenliebe‘, wie Sie ſich auszudrücken belieben, kann keine Rede ſein. Die Schwierigkeiten liegen in was anderm. Es ſind da nämlich, wie ich mir ſchon anzudeuten erlaubte, zwei Comteſſen im Hauſe. Nun, die jüngere wird es wohl werden, ſchon weil ſie eben die jüngere iſt. Aber ſo ganz ſicher iſt es doch keineswegs. Denn auch die ältere, wiewohl ſchon über dreißig, iſt ſehr reizend und zum Überfluß auch noch Witwe — das heißt eigentlich nicht Witwe, ſondern richtiger eine gleich nach der Ehe geſchiedene Frau. Sie war nur ein halbes Jahr verheiratet, oder vielleicht auch nicht verheiratet.“ „Verheiratet, oder vielleicht auch nicht verheiratet,“ wiederholte Czako, während er unwillkürlich ſein Pferd anhielt. „Aber Rex, das iſt ja hoch pikant. Und daß ich erſt heute davon höre und noch dazu durch Sie, der Sie ſich von ſolchen Dingen doch zunächſt entſetzt ab¬ wenden müßten. Aber ſo ſeid ihr Konventikler. Schlie߬

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/139>, abgerufen am 22.11.2024.