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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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auch umgekehrt, das ist eine kleine Reise. Dazu kommt
noch, daß wir vor unserm Hallischen Thor eigentlich gar
nichts haben, bloß die Kirchhöfe, das Tempelhofer Feld
und das Rotherstift."

"Aber ihr habt doch die Pferdebahn, wenn ihr
irgendwo hin wollt. Beinah' muß ich sagen leider.
Denn es giebt mir immer einen Stich, wenn ich mal
in Berlin bin, so die Offiziere zu sehen, wie sie da
hinten stehen und Platz machen, wenn eine Madamm
aufsteigt, manchmal mit 'nem Korb und manchmal auch
mit 'ner Spreewaldsamme. Mir immer ein Horreur."

"Ja, die Pferdebahn, liebe Tante, die haben wir
freilich, und man kann mit ihr in einer halben Stunde
bis in Czakos Kaserne. Der weite Weg ist es auch
eigentlich nicht, wenigstens nicht allein, weshalb ich Czako
so selten sehe. Der Hauptgrund ist doch wohl der, er paßt
nicht so ganz zu uns und eigentlich auch kaum zu seinem
Regiment. Er ist ein guter Kerl, aber ein Äquivoken¬
mensch und erzählt immer Nachmitternachtsgeschichten.
Wenn man ihn allein hat, geht es. Aber hat er ein
Publikum, dann kribbelt es ihn ordentlich, und je feiner
das Publikum ist, desto mehr. Er hat mich schon oft
in Verlegenheit gebracht. Ich muß sagen, ich hab' ihn
sehr gern, aber gesellschaftlich ist ihm Rex doch sehr
überlegen."

"Ja, Rex; natürlich. Das hab' ich auch gleich
bemerkt, ohne mir weiter Rechenschaft darüber zu geben.
Du wirst es aber wissen, wodurch er ihm überlegen ist."

"Durch vieles. Erstens, wenn man die Familien
abwägt. Rex ist mehr als Czako. Und dann ist Rex
Kavallerist."

"Aber ich denke, er ist Ministerialassessor."

"Ja, das ist er auch. Aber nebenher, oder viel¬
leicht noch darüber hinaus, ist er Offizier, und sogar in
unsrer Dragonerbrigade."

auch umgekehrt, das iſt eine kleine Reiſe. Dazu kommt
noch, daß wir vor unſerm Halliſchen Thor eigentlich gar
nichts haben, bloß die Kirchhöfe, das Tempelhofer Feld
und das Rotherſtift.“

„Aber ihr habt doch die Pferdebahn, wenn ihr
irgendwo hin wollt. Beinah' muß ich ſagen leider.
Denn es giebt mir immer einen Stich, wenn ich mal
in Berlin bin, ſo die Offiziere zu ſehen, wie ſie da
hinten ſtehen und Platz machen, wenn eine Madamm
aufſteigt, manchmal mit 'nem Korb und manchmal auch
mit 'ner Spreewaldsamme. Mir immer ein Horreur.“

„Ja, die Pferdebahn, liebe Tante, die haben wir
freilich, und man kann mit ihr in einer halben Stunde
bis in Czakos Kaſerne. Der weite Weg iſt es auch
eigentlich nicht, wenigſtens nicht allein, weshalb ich Czako
ſo ſelten ſehe. Der Hauptgrund iſt doch wohl der, er paßt
nicht ſo ganz zu uns und eigentlich auch kaum zu ſeinem
Regiment. Er iſt ein guter Kerl, aber ein Äquivoken¬
menſch und erzählt immer Nachmitternachtsgeſchichten.
Wenn man ihn allein hat, geht es. Aber hat er ein
Publikum, dann kribbelt es ihn ordentlich, und je feiner
das Publikum iſt, deſto mehr. Er hat mich ſchon oft
in Verlegenheit gebracht. Ich muß ſagen, ich hab' ihn
ſehr gern, aber geſellſchaftlich iſt ihm Rex doch ſehr
überlegen.“

„Ja, Rex; natürlich. Das hab' ich auch gleich
bemerkt, ohne mir weiter Rechenſchaft darüber zu geben.
Du wirſt es aber wiſſen, wodurch er ihm überlegen iſt.“

„Durch vieles. Erſtens, wenn man die Familien
abwägt. Rex iſt mehr als Czako. Und dann iſt Rex
Kavalleriſt.“

„Aber ich denke, er iſt Miniſterialaſſeſſor.“

„Ja, das iſt er auch. Aber nebenher, oder viel¬
leicht noch darüber hinaus, iſt er Offizier, und ſogar in
unſrer Dragonerbrigade.“

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[123/0130] auch umgekehrt, das iſt eine kleine Reiſe. Dazu kommt noch, daß wir vor unſerm Halliſchen Thor eigentlich gar nichts haben, bloß die Kirchhöfe, das Tempelhofer Feld und das Rotherſtift.“ „Aber ihr habt doch die Pferdebahn, wenn ihr irgendwo hin wollt. Beinah' muß ich ſagen leider. Denn es giebt mir immer einen Stich, wenn ich mal in Berlin bin, ſo die Offiziere zu ſehen, wie ſie da hinten ſtehen und Platz machen, wenn eine Madamm aufſteigt, manchmal mit 'nem Korb und manchmal auch mit 'ner Spreewaldsamme. Mir immer ein Horreur.“ „Ja, die Pferdebahn, liebe Tante, die haben wir freilich, und man kann mit ihr in einer halben Stunde bis in Czakos Kaſerne. Der weite Weg iſt es auch eigentlich nicht, wenigſtens nicht allein, weshalb ich Czako ſo ſelten ſehe. Der Hauptgrund iſt doch wohl der, er paßt nicht ſo ganz zu uns und eigentlich auch kaum zu ſeinem Regiment. Er iſt ein guter Kerl, aber ein Äquivoken¬ menſch und erzählt immer Nachmitternachtsgeſchichten. Wenn man ihn allein hat, geht es. Aber hat er ein Publikum, dann kribbelt es ihn ordentlich, und je feiner das Publikum iſt, deſto mehr. Er hat mich ſchon oft in Verlegenheit gebracht. Ich muß ſagen, ich hab' ihn ſehr gern, aber geſellſchaftlich iſt ihm Rex doch ſehr überlegen.“ „Ja, Rex; natürlich. Das hab' ich auch gleich bemerkt, ohne mir weiter Rechenſchaft darüber zu geben. Du wirſt es aber wiſſen, wodurch er ihm überlegen iſt.“ „Durch vieles. Erſtens, wenn man die Familien abwägt. Rex iſt mehr als Czako. Und dann iſt Rex Kavalleriſt.“ „Aber ich denke, er iſt Miniſterialaſſeſſor.“ „Ja, das iſt er auch. Aber nebenher, oder viel¬ leicht noch darüber hinaus, iſt er Offizier, und ſogar in unſrer Dragonerbrigade.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/130>, abgerufen am 25.11.2024.