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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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"Ausgezeichnet. Es ist ja eigentlich ein Bauern¬
garten, aber doch mit viel Rittersporn drin. Und zu
jedem Rittersporn gehört eine Stiftsdame."

"Nein, Czako, nicht so. Sagen Sie mir ganz
ernsthaft, ob sie solche Gärten leiden können."

"Ich kann solche Gärten eigentlich nur leiden,
wenn sie eine Kegelbahn haben. Und dieser hier ist
wie geschaffen dazu, lang und schmal. Alle unsre mo¬
dernen Kegelbahnen sind zu kurz, wie früher alle Betten
zu kurz waren. Wenn die Kugel aufsetzt, ist sie auch
schon da, und der Bengel unten schreit einen an mit
seinem ,acht um den König'. Für mich fängt das Ver¬
gnügen erst an, wenn das Brett lang ist und man der
Kugel anmerkt, sie möchte links oder rechts abirren,
aber die eingeborene Gewalt zwingt sie zum Ausharren,
zum Bleiben auf der rechten Bahn. Es hat was
Symbolisches oder Pädagogisches, oder meinetwegen
auch Politisches."

Unter diesem Gespräche waren sie, ganz nach unten
hin, bis an die Stelle gekommen, wo der nachbarliche
Pflaumenbaum seinen Zweig über den Zaun wegstreckte.
Neben dem Zaun aber, in gleicher Linie mit ihm, stand
eine grüngestrichene Bank, auf der, von dem Gezweig
überdacht, eine Dame saß, mit einem kleinen runden
Hut und einer Adlerfeder. Als sich die Herrschaften ihr
näherten, erhob sie sich und schritt auf die Domina zu,
dieser die Hand zu küssen; zugleich verneigte sie sich
gegen die drei Herren.

"Erlauben Sie mir," sagte Adelheid, "Sie mit
meiner lieben Freundin, Fräulein von Schmargendorf,
bekannt zu machen. Hauptmann von Czako, Ministerial¬
assessor von Rex ... Meinen Neffen, liebe Schmargen¬
dorf, kennen Sie ja."

Adelheid, als sie so vorgestellt hatte, zog ihre kleine
Uhr aus dem Gürtel hervor und sagte: Wir haben noch

„Ausgezeichnet. Es iſt ja eigentlich ein Bauern¬
garten, aber doch mit viel Ritterſporn drin. Und zu
jedem Ritterſporn gehört eine Stiftsdame.“

„Nein, Czako, nicht ſo. Sagen Sie mir ganz
ernſthaft, ob ſie ſolche Gärten leiden können.“

„Ich kann ſolche Gärten eigentlich nur leiden,
wenn ſie eine Kegelbahn haben. Und dieſer hier iſt
wie geſchaffen dazu, lang und ſchmal. Alle unſre mo¬
dernen Kegelbahnen ſind zu kurz, wie früher alle Betten
zu kurz waren. Wenn die Kugel aufſetzt, iſt ſie auch
ſchon da, und der Bengel unten ſchreit einen an mit
ſeinem ‚acht um den König‘. Für mich fängt das Ver¬
gnügen erſt an, wenn das Brett lang iſt und man der
Kugel anmerkt, ſie möchte links oder rechts abirren,
aber die eingeborene Gewalt zwingt ſie zum Ausharren,
zum Bleiben auf der rechten Bahn. Es hat was
Symboliſches oder Pädagogiſches, oder meinetwegen
auch Politiſches.“

Unter dieſem Geſpräche waren ſie, ganz nach unten
hin, bis an die Stelle gekommen, wo der nachbarliche
Pflaumenbaum ſeinen Zweig über den Zaun wegſtreckte.
Neben dem Zaun aber, in gleicher Linie mit ihm, ſtand
eine grüngeſtrichene Bank, auf der, von dem Gezweig
überdacht, eine Dame ſaß, mit einem kleinen runden
Hut und einer Adlerfeder. Als ſich die Herrſchaften ihr
näherten, erhob ſie ſich und ſchritt auf die Domina zu,
dieſer die Hand zu küſſen; zugleich verneigte ſie ſich
gegen die drei Herren.

„Erlauben Sie mir,“ ſagte Adelheid, „Sie mit
meiner lieben Freundin, Fräulein von Schmargendorf,
bekannt zu machen. Hauptmann von Czako, Miniſterial¬
aſſeſſor von Rex ... Meinen Neffen, liebe Schmargen¬
dorf, kennen Sie ja.“

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Uhr aus dem Gürtel hervor und ſagte: Wir haben noch

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[105/0112] „Ausgezeichnet. Es iſt ja eigentlich ein Bauern¬ garten, aber doch mit viel Ritterſporn drin. Und zu jedem Ritterſporn gehört eine Stiftsdame.“ „Nein, Czako, nicht ſo. Sagen Sie mir ganz ernſthaft, ob ſie ſolche Gärten leiden können.“ „Ich kann ſolche Gärten eigentlich nur leiden, wenn ſie eine Kegelbahn haben. Und dieſer hier iſt wie geſchaffen dazu, lang und ſchmal. Alle unſre mo¬ dernen Kegelbahnen ſind zu kurz, wie früher alle Betten zu kurz waren. Wenn die Kugel aufſetzt, iſt ſie auch ſchon da, und der Bengel unten ſchreit einen an mit ſeinem ‚acht um den König‘. Für mich fängt das Ver¬ gnügen erſt an, wenn das Brett lang iſt und man der Kugel anmerkt, ſie möchte links oder rechts abirren, aber die eingeborene Gewalt zwingt ſie zum Ausharren, zum Bleiben auf der rechten Bahn. Es hat was Symboliſches oder Pädagogiſches, oder meinetwegen auch Politiſches.“ Unter dieſem Geſpräche waren ſie, ganz nach unten hin, bis an die Stelle gekommen, wo der nachbarliche Pflaumenbaum ſeinen Zweig über den Zaun wegſtreckte. Neben dem Zaun aber, in gleicher Linie mit ihm, ſtand eine grüngeſtrichene Bank, auf der, von dem Gezweig überdacht, eine Dame ſaß, mit einem kleinen runden Hut und einer Adlerfeder. Als ſich die Herrſchaften ihr näherten, erhob ſie ſich und ſchritt auf die Domina zu, dieſer die Hand zu küſſen; zugleich verneigte ſie ſich gegen die drei Herren. „Erlauben Sie mir,“ ſagte Adelheid, „Sie mit meiner lieben Freundin, Fräulein von Schmargendorf, bekannt zu machen. Hauptmann von Czako, Miniſterial¬ aſſeſſor von Rex ... Meinen Neffen, liebe Schmargen¬ dorf, kennen Sie ja.“ Adelheid, als ſie ſo vorgeſtellt hatte, zog ihre kleine Uhr aus dem Gürtel hervor und ſagte: Wir haben noch

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/112>, abgerufen am 22.11.2024.