Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.Der Tag war heiß, dazu hatte mein Zimmer die Vormittagssonne; links neben dem Fenster aber lag alles in Schatten und an diese Schattenstelle schob ich jetzt Tisch und Stuhl und las. Freilich nur kurze Zeit. Eine Müdigkeit überfiel mich, die mir freilich unendlich wohl that und um so wohler, als ich darin ein neues Zeichen wiederkehrender Genesung sah. So that ich denn das Buch aus der Hand und lehnte mich in den Stuhl zurück. In dieser Lage mocht' ich zehn Minuten oder auch mehr in einem erquicklichen Halbschlummer zugebracht haben, als ich durch ein lautes Getöse geweckt wurde, laut, wie wenn die wilde Jagd die Treppe herauf käme. Und eh ich mich noch zurechtfinden konnte, ward auch schon die Thür aufgerissen und der jüngste Sommersprossige stürzte mit dem Ruf auf mich zu: "Er ist da, er ist da!" "Wer denn?" "Onkel Dodo." Ich wußte nicht, wer Onkel Dodo war, war aber verständig genug, mich ohne weiteres zu freuen. "Ei, das ist schön," sagte ich. "Freilich," rief der Junge. "Freilich ist das schön." Und damit war er wieder hinaus. Eine Viertelstunde später kam der Diener, um Der Tag war heiß, dazu hatte mein Zimmer die Vormittagssonne; links neben dem Fenster aber lag alles in Schatten und an diese Schattenstelle schob ich jetzt Tisch und Stuhl und las. Freilich nur kurze Zeit. Eine Müdigkeit überfiel mich, die mir freilich unendlich wohl that und um so wohler, als ich darin ein neues Zeichen wiederkehrender Genesung sah. So that ich denn das Buch aus der Hand und lehnte mich in den Stuhl zurück. In dieser Lage mocht’ ich zehn Minuten oder auch mehr in einem erquicklichen Halbschlummer zugebracht haben, als ich durch ein lautes Getöse geweckt wurde, laut, wie wenn die wilde Jagd die Treppe herauf käme. Und eh ich mich noch zurechtfinden konnte, ward auch schon die Thür aufgerissen und der jüngste Sommersprossige stürzte mit dem Ruf auf mich zu: „Er ist da, er ist da!“ „Wer denn?“ „Onkel Dodo.“ Ich wußte nicht, wer Onkel Dodo war, war aber verständig genug, mich ohne weiteres zu freuen. „Ei, das ist schön,“ sagte ich. „Freilich,“ rief der Junge. „Freilich ist das schön.“ Und damit war er wieder hinaus. Eine Viertelstunde später kam der Diener, um <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0090" n="88"/> <p>Der Tag war heiß, dazu hatte mein Zimmer die Vormittagssonne; links neben dem Fenster aber lag alles in Schatten und an diese Schattenstelle schob ich jetzt Tisch und Stuhl und las. Freilich nur kurze Zeit. Eine Müdigkeit überfiel mich, die mir freilich unendlich wohl that und um so wohler, als ich darin ein neues Zeichen wiederkehrender Genesung sah. So that ich denn das Buch aus der Hand und lehnte mich in den Stuhl zurück. In dieser Lage mocht’ ich zehn Minuten oder auch mehr in einem erquicklichen Halbschlummer zugebracht haben, als ich durch ein lautes Getöse geweckt wurde, laut, wie wenn die wilde Jagd die Treppe herauf käme. Und eh ich mich noch zurechtfinden konnte, ward auch schon die Thür aufgerissen und der jüngste Sommersprossige stürzte mit dem Ruf auf mich zu: „Er ist da, er ist da!“</p><lb/> <p>„Wer denn?“</p><lb/> <p>„Onkel Dodo.“</p><lb/> <p>Ich wußte nicht, wer Onkel Dodo war, war aber verständig genug, mich ohne weiteres zu freuen. „Ei, das ist schön,“ sagte ich.</p><lb/> <p>„Freilich,“ rief der Junge. „Freilich ist das schön.“</p><lb/> <p>Und damit war er wieder hinaus.</p><lb/> <p>Eine Viertelstunde später kam der Diener, um </p> </div> </body> </text> </TEI> [88/0090]
Der Tag war heiß, dazu hatte mein Zimmer die Vormittagssonne; links neben dem Fenster aber lag alles in Schatten und an diese Schattenstelle schob ich jetzt Tisch und Stuhl und las. Freilich nur kurze Zeit. Eine Müdigkeit überfiel mich, die mir freilich unendlich wohl that und um so wohler, als ich darin ein neues Zeichen wiederkehrender Genesung sah. So that ich denn das Buch aus der Hand und lehnte mich in den Stuhl zurück. In dieser Lage mocht’ ich zehn Minuten oder auch mehr in einem erquicklichen Halbschlummer zugebracht haben, als ich durch ein lautes Getöse geweckt wurde, laut, wie wenn die wilde Jagd die Treppe herauf käme. Und eh ich mich noch zurechtfinden konnte, ward auch schon die Thür aufgerissen und der jüngste Sommersprossige stürzte mit dem Ruf auf mich zu: „Er ist da, er ist da!“
„Wer denn?“
„Onkel Dodo.“
Ich wußte nicht, wer Onkel Dodo war, war aber verständig genug, mich ohne weiteres zu freuen. „Ei, das ist schön,“ sagte ich.
„Freilich,“ rief der Junge. „Freilich ist das schön.“
Und damit war er wieder hinaus.
Eine Viertelstunde später kam der Diener, um
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/90>, abgerufen am 16.02.2025. |