Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.spiel, und die Reifen flogen bis an den Himmel und fielen nicht wieder nieder. Und auf einer Graswalze saß die schöne Frau und sah dem Spiele zu, das die Mädchen mit einem leisen Gesange zu begleiten begannen. Aber die Mutter verbot es: "Er schläft, und wir wollen ihn nicht wecken, auch nicht mit Gesang." Ich war früh auf, ging durch den Park, und hatte den ganzen Tag über ein Gefühl, als ob sich mein Leben nach dem Traume der letzten Nacht gestalten solle: Kein lauter Ton traf mein Ohr, und Alt und Jung übte die Rücksicht, mich frei schalten und walten zu lassen. Ich wußte wohl, wem ich dies alles, und damit zugleich ein rascheres Fortschreiten meiner Reconvalescenz zu danken hatte. Luft und Licht heilen und Ruhe heilt, aber den besten Balsam spendet doch ein gütiges Herz. Es war noch keine Woche vergangen und ich fühlte mich schon ein durchaus anderer. "Du bist ja wie ausgetauscht," sagte Freund Otto beim Morgenkaffee. "Ich denke, Karoline, wir dürfen ihm jetzt ein zweites Frühstücks-Ei verordnen. Und noch eine Woche, dann kriegt er einen gerösteten Speck. Und haben wir Dich erst bei dem Mause- spiel, und die Reifen flogen bis an den Himmel und fielen nicht wieder nieder. Und auf einer Graswalze saß die schöne Frau und sah dem Spiele zu, das die Mädchen mit einem leisen Gesange zu begleiten begannen. Aber die Mutter verbot es: „Er schläft, und wir wollen ihn nicht wecken, auch nicht mit Gesang.“ Ich war früh auf, ging durch den Park, und hatte den ganzen Tag über ein Gefühl, als ob sich mein Leben nach dem Traume der letzten Nacht gestalten solle: Kein lauter Ton traf mein Ohr, und Alt und Jung übte die Rücksicht, mich frei schalten und walten zu lassen. Ich wußte wohl, wem ich dies alles, und damit zugleich ein rascheres Fortschreiten meiner Reconvalescenz zu danken hatte. Luft und Licht heilen und Ruhe heilt, aber den besten Balsam spendet doch ein gütiges Herz. Es war noch keine Woche vergangen und ich fühlte mich schon ein durchaus anderer. „Du bist ja wie ausgetauscht,“ sagte Freund Otto beim Morgenkaffee. „Ich denke, Karoline, wir dürfen ihm jetzt ein zweites Frühstücks-Ei verordnen. Und noch eine Woche, dann kriegt er einen gerösteten Speck. Und haben wir Dich erst bei dem Mause- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0088" n="86"/> spiel, und die Reifen flogen bis an den Himmel und fielen nicht wieder nieder. Und auf einer Graswalze saß die schöne Frau und sah dem Spiele zu, das die Mädchen mit einem leisen Gesange zu begleiten begannen. Aber die Mutter verbot es: „Er schläft, und wir wollen ihn nicht wecken, auch nicht mit Gesang.“</p><lb/> <p>Ich war früh auf, ging durch den Park, und hatte den ganzen Tag über ein Gefühl, als ob sich mein Leben nach dem Traume der letzten Nacht gestalten solle: Kein lauter Ton traf mein Ohr, und Alt und Jung übte die Rücksicht, mich frei schalten und walten zu lassen. Ich wußte wohl, wem ich dies alles, und damit zugleich ein rascheres Fortschreiten meiner Reconvalescenz zu danken hatte. Luft und Licht heilen und Ruhe heilt, aber den besten Balsam spendet doch ein gütiges Herz.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Es war noch keine Woche vergangen und ich fühlte mich schon ein durchaus anderer. „Du bist ja wie ausgetauscht,“ sagte Freund Otto beim Morgenkaffee. „Ich denke, Karoline, wir dürfen ihm jetzt ein zweites Frühstücks-Ei verordnen. Und noch eine Woche, dann kriegt er einen gerösteten Speck. Und haben wir Dich erst bei dem Mause- </p> </div> </body> </text> </TEI> [86/0088]
spiel, und die Reifen flogen bis an den Himmel und fielen nicht wieder nieder. Und auf einer Graswalze saß die schöne Frau und sah dem Spiele zu, das die Mädchen mit einem leisen Gesange zu begleiten begannen. Aber die Mutter verbot es: „Er schläft, und wir wollen ihn nicht wecken, auch nicht mit Gesang.“
Ich war früh auf, ging durch den Park, und hatte den ganzen Tag über ein Gefühl, als ob sich mein Leben nach dem Traume der letzten Nacht gestalten solle: Kein lauter Ton traf mein Ohr, und Alt und Jung übte die Rücksicht, mich frei schalten und walten zu lassen. Ich wußte wohl, wem ich dies alles, und damit zugleich ein rascheres Fortschreiten meiner Reconvalescenz zu danken hatte. Luft und Licht heilen und Ruhe heilt, aber den besten Balsam spendet doch ein gütiges Herz.
Es war noch keine Woche vergangen und ich fühlte mich schon ein durchaus anderer. „Du bist ja wie ausgetauscht,“ sagte Freund Otto beim Morgenkaffee. „Ich denke, Karoline, wir dürfen ihm jetzt ein zweites Frühstücks-Ei verordnen. Und noch eine Woche, dann kriegt er einen gerösteten Speck. Und haben wir Dich erst bei dem Mause-
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/88>, abgerufen am 04.07.2024. |