Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.Kopfnicken begleitet und als ich abschließend und fragend hinzusetzte: ,Ist es so?' sagte er: ,Ja. Es ist so. Wir waren unserer neun; davon sechs auf Schulen und in der Armee. Der Vater konnte nicht mehr ...' ,Gut; ich versteh'. Ich weiß genug und will nicht in Geheimnisse eindringen. Und nun hören Sie. Ich bin nicht reich, aber ich habe Verbindungen und denke, daß ich Ihnen helfen kann, wenn Sie Hilfe wollen.' Er schwieg. ,Ich werde,' fuhr ich fort, ,mit dem Polier oder besser mit dem Bauführer sprechen; er wird Ihnen eine andere Stellung auf dem Bau geben, und ich werde für Ihre Kleidung sorgen. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Sie sind groß und stark (ich hoffe auch innerlich) und Sie werden sich herausretten. Hier ist meine Hand. Alles wird davon abhängen, ob Sie die Kraft haben, diese Hand zu fassen und zu halten.' Er kam auf mich zu und ich sah, daß sich sein Auge mehr und mehr gerötet hatte. Dann sprach er mir kurz und knapp seinen Dank aus und ich fühlte, daß eine Thräne auf meine Hand fiel. Dabei war ich bewegt, wie er selbst und unter wiederholtem Zuspruche meinerseits schieden wir.[...] Kopfnicken begleitet und als ich abschließend und fragend hinzusetzte: ‚Ist es so?‘ sagte er: ‚Ja. Es ist so. Wir waren unserer neun; davon sechs auf Schulen und in der Armee. Der Vater konnte nicht mehr …‘ ‚Gut; ich versteh’. Ich weiß genug und will nicht in Geheimnisse eindringen. Und nun hören Sie. Ich bin nicht reich, aber ich habe Verbindungen und denke, daß ich Ihnen helfen kann, wenn Sie Hilfe wollen.‘ Er schwieg. ‚Ich werde,‘ fuhr ich fort, ‚mit dem Polier oder besser mit dem Bauführer sprechen; er wird Ihnen eine andere Stellung auf dem Bau geben, und ich werde für Ihre Kleidung sorgen. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Sie sind groß und stark (ich hoffe auch innerlich) und Sie werden sich herausretten. Hier ist meine Hand. Alles wird davon abhängen, ob Sie die Kraft haben, diese Hand zu fassen und zu halten.‘ Er kam auf mich zu und ich sah, daß sich sein Auge mehr und mehr gerötet hatte. Dann sprach er mir kurz und knapp seinen Dank aus und ich fühlte, daß eine Thräne auf meine Hand fiel. Dabei war ich bewegt, wie er selbst und unter wiederholtem Zuspruche meinerseits schieden wir.[…] <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0064" n="62"/> Kopfnicken begleitet und als ich abschließend und fragend hinzusetzte: ‚Ist es so?‘ sagte er: ‚Ja. Es ist so. Wir waren unserer neun; davon sechs auf Schulen und in der Armee. Der Vater konnte nicht mehr …‘</p><lb/> <p>‚Gut; ich versteh’. Ich weiß genug und will nicht in Geheimnisse eindringen. Und nun hören Sie. Ich bin nicht reich, aber ich habe Verbindungen und denke, daß ich Ihnen helfen kann, wenn Sie Hilfe <hi rendition="#g">wollen</hi>.‘</p><lb/> <p>Er schwieg.</p><lb/> <p>‚Ich werde,‘ fuhr ich fort, ‚mit dem Polier oder besser mit dem Bauführer sprechen; er wird Ihnen eine andere Stellung auf dem Bau geben, und ich werde für Ihre Kleidung sorgen. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Sie sind groß und stark (ich hoffe auch innerlich) und Sie werden sich herausretten. Hier ist meine Hand. Alles wird davon abhängen, ob Sie die Kraft haben, diese Hand zu fassen und zu halten.‘</p><lb/> <p>Er kam auf mich zu und ich sah, daß sich sein Auge mehr und mehr gerötet hatte. Dann sprach er mir kurz und knapp seinen Dank aus und ich fühlte, daß eine Thräne auf meine Hand fiel. Dabei war ich bewegt, wie er selbst und unter wiederholtem Zuspruche meinerseits schieden wir.<choice><sic>‘</sic><corr/></choice></p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [62/0064]
Kopfnicken begleitet und als ich abschließend und fragend hinzusetzte: ‚Ist es so?‘ sagte er: ‚Ja. Es ist so. Wir waren unserer neun; davon sechs auf Schulen und in der Armee. Der Vater konnte nicht mehr …‘
‚Gut; ich versteh’. Ich weiß genug und will nicht in Geheimnisse eindringen. Und nun hören Sie. Ich bin nicht reich, aber ich habe Verbindungen und denke, daß ich Ihnen helfen kann, wenn Sie Hilfe wollen.‘
Er schwieg.
‚Ich werde,‘ fuhr ich fort, ‚mit dem Polier oder besser mit dem Bauführer sprechen; er wird Ihnen eine andere Stellung auf dem Bau geben, und ich werde für Ihre Kleidung sorgen. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Sie sind groß und stark (ich hoffe auch innerlich) und Sie werden sich herausretten. Hier ist meine Hand. Alles wird davon abhängen, ob Sie die Kraft haben, diese Hand zu fassen und zu halten.‘
Er kam auf mich zu und ich sah, daß sich sein Auge mehr und mehr gerötet hatte. Dann sprach er mir kurz und knapp seinen Dank aus und ich fühlte, daß eine Thräne auf meine Hand fiel. Dabei war ich bewegt, wie er selbst und unter wiederholtem Zuspruche meinerseits schieden wir.
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/64>, abgerufen am 16.02.2025. |