Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.Gebiet und die Beantwortung der einfachen Frage: ,was ist ein anständiges Abendbrot?' Ich kenne nur eins: eine saure Milch und ein geriebenes Schwarzbrot, nicht zu frisch aber auch nicht zu alt. Und nun wolle mir nicht einwenden, es gäbe dergleichen nicht mehr. In einer Stadt mit dreißig Kasernen und einer immer vollzähliger werdenden Garde, muß sich doch schließlich ein Schwarzbrod auftreiben lassen. Und ich fordere dies geradezu von Deiner Liebe. Vor allem aber, und darauf leg' ich den Haupt-Accent, brech' ich von heut ab ein für allemal mit dem Thee, diesem undeutschesten aller Getränke, das in seiner harmloseren Gestalt ein absurdes Absud von Hollunder und Johannisbrod, und in seiner perniciösen Form ein türkisch-orientalischer Haschisch ist, an den ich nicht Lust habe meine wiederhergestellten Nerven zu setzen. Und so resümier' ich denn in aller Kürze: regelmäßiger und an keine Bedingungen geknüpfter Morgenspaziergang, absolute Vermeidung alles Nachmittagsschlafes und Einführung einer sauren oder süßen Milch an Stelle des Thees. Und um neun Uhr zu Bett." Und er erhob sich, um den letzten Punkt seines Programms sofort ins Werk zu setzen. Und andern Tages auch den Rest. In aller Frühe war er auf, und da seine Rück- Gebiet und die Beantwortung der einfachen Frage: ‚was ist ein anständiges Abendbrot?‘ Ich kenne nur eins: eine saure Milch und ein geriebenes Schwarzbrot, nicht zu frisch aber auch nicht zu alt. Und nun wolle mir nicht einwenden, es gäbe dergleichen nicht mehr. In einer Stadt mit dreißig Kasernen und einer immer vollzähliger werdenden Garde, muß sich doch schließlich ein Schwarzbrod auftreiben lassen. Und ich fordere dies geradezu von Deiner Liebe. Vor allem aber, und darauf leg’ ich den Haupt-Accent, brech’ ich von heut ab ein für allemal mit dem Thee, diesem undeutschesten aller Getränke, das in seiner harmloseren Gestalt ein absurdes Absud von Hollunder und Johannisbrod, und in seiner perniciösen Form ein türkisch-orientalischer Haschisch ist, an den ich nicht Lust habe meine wiederhergestellten Nerven zu setzen. Und so resümier’ ich denn in aller Kürze: regelmäßiger und an keine Bedingungen geknüpfter Morgenspaziergang, absolute Vermeidung alles Nachmittagsschlafes und Einführung einer sauren oder süßen Milch an Stelle des Thees. Und um neun Uhr zu Bett.“ Und er erhob sich, um den letzten Punkt seines Programms sofort ins Werk zu setzen. Und andern Tages auch den Rest. In aller Frühe war er auf, und da seine Rück- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0030" n="28"/> Gebiet und die Beantwortung der einfachen Frage: ‚was ist ein anständiges Abendbrot?‘ Ich kenne nur <hi rendition="#g">eins</hi>: eine saure Milch und ein geriebenes Schwarzbrot, nicht zu frisch aber auch nicht zu alt. Und nun wolle mir nicht einwenden, es gäbe dergleichen nicht mehr. In einer Stadt mit dreißig Kasernen und einer immer vollzähliger werdenden Garde, muß sich doch schließlich ein Schwarzbrod auftreiben lassen. Und ich fordere dies geradezu von Deiner Liebe. Vor allem aber, und darauf leg’ ich den Haupt-Accent, brech’ ich von heut ab ein für allemal mit dem Thee, diesem undeutschesten aller Getränke, das in seiner harmloseren Gestalt ein absurdes Absud von Hollunder und Johannisbrod, und in seiner perniciösen Form ein türkisch-orientalischer Haschisch ist, an den ich nicht Lust habe meine wiederhergestellten Nerven zu setzen. Und so resümier’ ich denn in aller Kürze: regelmäßiger und an keine Bedingungen geknüpfter Morgenspaziergang, absolute Vermeidung alles Nachmittagsschlafes und Einführung einer sauren oder süßen Milch an Stelle des Thees. Und um neun Uhr zu Bett.“</p><lb/> <p>Und er erhob sich, um den letzten Punkt seines Programms sofort ins Werk zu setzen.</p><lb/> <p>Und andern Tages auch den Rest.</p><lb/> <p>In aller Frühe war er auf, und da seine Rück- </p> </div> </body> </text> </TEI> [28/0030]
Gebiet und die Beantwortung der einfachen Frage: ‚was ist ein anständiges Abendbrot?‘ Ich kenne nur eins: eine saure Milch und ein geriebenes Schwarzbrot, nicht zu frisch aber auch nicht zu alt. Und nun wolle mir nicht einwenden, es gäbe dergleichen nicht mehr. In einer Stadt mit dreißig Kasernen und einer immer vollzähliger werdenden Garde, muß sich doch schließlich ein Schwarzbrod auftreiben lassen. Und ich fordere dies geradezu von Deiner Liebe. Vor allem aber, und darauf leg’ ich den Haupt-Accent, brech’ ich von heut ab ein für allemal mit dem Thee, diesem undeutschesten aller Getränke, das in seiner harmloseren Gestalt ein absurdes Absud von Hollunder und Johannisbrod, und in seiner perniciösen Form ein türkisch-orientalischer Haschisch ist, an den ich nicht Lust habe meine wiederhergestellten Nerven zu setzen. Und so resümier’ ich denn in aller Kürze: regelmäßiger und an keine Bedingungen geknüpfter Morgenspaziergang, absolute Vermeidung alles Nachmittagsschlafes und Einführung einer sauren oder süßen Milch an Stelle des Thees. Und um neun Uhr zu Bett.“
Und er erhob sich, um den letzten Punkt seines Programms sofort ins Werk zu setzen.
Und andern Tages auch den Rest.
In aller Frühe war er auf, und da seine Rück-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/30 |
Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/30>, abgerufen am 04.07.2024. |