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Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.

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Waldstelle zu, wo das Unglück geschehen war. Hier machten sie sich, ohne langes Säumen, aufs neue an ihre Arbeit und blieben dabei bis Spätnachmittag. Erst als es mehr und mehr zu dunkeln begann, nahmen sie ihre Aexte über die Schulter und stiegen höher ins Gebirge hinauf, wo sie zwischen Brückenberg und Kirche Wang ihre kleinen Häuser hatten. An dieser Stelle, einer Waldlichtung, lag auch das Haus, drin Aloys und sein Bruder Stephan wohnten und mit ihnen ihre Mutter, ein altes hexenhaftes Weib von scharfem Gesichtsschnitt, aber doch so, daß man noch deutlich sah, sie müsse mal sehr ansehnlich gewesen sein, aus welchem Umstande sich auch die Sicherheit herschrieb, mit der sie das Haus und die beiden Söhne beherrschte.

Aloys wollte von dem Vorgefallenen erzählen, kam aber nicht weit damit. Die Alte wußte schon alles und schien mit dem Hinunterschaffen und dem Unterbringen im Stift wenig einverstanden. Anfangs indessen zeigte sich ihre Mißbilligung mehr in Mienen und Bewegung als in Worten, und erst als Aloys auf den Doctor zu sprechen kam, wurde sie heftig und fuhr dazwischen: "Ja, der Doctor. Was sagt der? Oder hat er schon geschnitten?"

Aloys antwortete vorsichtig und unbestimmt.

"Hat er schon geschnitten? frag' ich. Oder ist

Waldstelle zu, wo das Unglück geschehen war. Hier machten sie sich, ohne langes Säumen, aufs neue an ihre Arbeit und blieben dabei bis Spätnachmittag. Erst als es mehr und mehr zu dunkeln begann, nahmen sie ihre Aexte über die Schulter und stiegen höher ins Gebirge hinauf, wo sie zwischen Brückenberg und Kirche Wang ihre kleinen Häuser hatten. An dieser Stelle, einer Waldlichtung, lag auch das Haus, drin Aloys und sein Bruder Stephan wohnten und mit ihnen ihre Mutter, ein altes hexenhaftes Weib von scharfem Gesichtsschnitt, aber doch so, daß man noch deutlich sah, sie müsse mal sehr ansehnlich gewesen sein, aus welchem Umstande sich auch die Sicherheit herschrieb, mit der sie das Haus und die beiden Söhne beherrschte.

Aloys wollte von dem Vorgefallenen erzählen, kam aber nicht weit damit. Die Alte wußte schon alles und schien mit dem Hinunterschaffen und dem Unterbringen im Stift wenig einverstanden. Anfangs indessen zeigte sich ihre Mißbilligung mehr in Mienen und Bewegung als in Worten, und erst als Aloys auf den Doctor zu sprechen kam, wurde sie heftig und fuhr dazwischen: „Ja, der Doctor. Was sagt der? Oder hat er schon geschnitten?“

Aloys antwortete vorsichtig und unbestimmt.

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[201/0203] Waldstelle zu, wo das Unglück geschehen war. Hier machten sie sich, ohne langes Säumen, aufs neue an ihre Arbeit und blieben dabei bis Spätnachmittag. Erst als es mehr und mehr zu dunkeln begann, nahmen sie ihre Aexte über die Schulter und stiegen höher ins Gebirge hinauf, wo sie zwischen Brückenberg und Kirche Wang ihre kleinen Häuser hatten. An dieser Stelle, einer Waldlichtung, lag auch das Haus, drin Aloys und sein Bruder Stephan wohnten und mit ihnen ihre Mutter, ein altes hexenhaftes Weib von scharfem Gesichtsschnitt, aber doch so, daß man noch deutlich sah, sie müsse mal sehr ansehnlich gewesen sein, aus welchem Umstande sich auch die Sicherheit herschrieb, mit der sie das Haus und die beiden Söhne beherrschte. Aloys wollte von dem Vorgefallenen erzählen, kam aber nicht weit damit. Die Alte wußte schon alles und schien mit dem Hinunterschaffen und dem Unterbringen im Stift wenig einverstanden. Anfangs indessen zeigte sich ihre Mißbilligung mehr in Mienen und Bewegung als in Worten, und erst als Aloys auf den Doctor zu sprechen kam, wurde sie heftig und fuhr dazwischen: „Ja, der Doctor. Was sagt der? Oder hat er schon geschnitten?“ Aloys antwortete vorsichtig und unbestimmt. „Hat er schon geschnitten? frag’ ich. Oder ist

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2014-01-22T15:28:28Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-22T15:28:28Z)
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2014-01-22T15:28:28Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Von vor und nach der Reise. Plaudereien und kleine Geschichten. Hrsg. von Walter Hettche und Gabriele Radecke. Berlin 2007 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 19]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet;
  • Druckfehler: stillschweigend korrigiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert;
  • Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet;
  • Kustoden: nicht gekennzeichnet;
  • langes s (ſ): als s transkribiert;
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;
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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/203>, abgerufen am 27.11.2024.