Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.und ich stieg wieder in meine nach dem Hof zu gelegene Stube hinauf, an deren niedriger Decke sich ein überklebter Balken hinzog. Oben angekommen, war mein Erstes eins der beiden Fenster zu öffnen, da mich die eigentümliche Stubenatmosphäre mehr und mehr zu bedrücken begann. Es schien auch zu helfen. Und nun schob ich mich, müde wie ich war, unter das Betttuch. Ich mochte eine Viertelstunde geschlafen haben, als das Hinausfliegen mehrerer Stiefelpaare auf den Corridor und das Angespanntwerden eines Hotel-Omnibus (gleich nach 1 Uhr kam ein neuer Zug) mich aus tiefem Schlafe weckte. Zugleich empfand ich einen dumpfen Kopfschmerz, über dessen Ursache ich nicht lange in Zweifel bleiben sollte. Die "frische Nachtluft", die ich, um der stickigen Stubenatmosphäre willen, einzulassen bemüht gewesen war, stieg leider nicht aus Himmelshöhen zu mir nieder, sondern aus Hofestiefen zu mir herauf und war ein Brodem, wie ihn jeder aus Erfahrung kennt, der, um etliche Jahrzehnte zurück, noch im alten Münchener Hofbräu seinen Krug getrunken hat. Nur hatt' ich hier die höhere Potenz. Und an dieser Stelle mag ein kleiner Excurs gestattet sein! Daheim an den Ufern unserer guten Spree gehört es zum guten Ton, über unsere Ber- und ich stieg wieder in meine nach dem Hof zu gelegene Stube hinauf, an deren niedriger Decke sich ein überklebter Balken hinzog. Oben angekommen, war mein Erstes eins der beiden Fenster zu öffnen, da mich die eigentümliche Stubenatmosphäre mehr und mehr zu bedrücken begann. Es schien auch zu helfen. Und nun schob ich mich, müde wie ich war, unter das Betttuch. Ich mochte eine Viertelstunde geschlafen haben, als das Hinausfliegen mehrerer Stiefelpaare auf den Corridor und das Angespanntwerden eines Hotel-Omnibus (gleich nach 1 Uhr kam ein neuer Zug) mich aus tiefem Schlafe weckte. Zugleich empfand ich einen dumpfen Kopfschmerz, über dessen Ursache ich nicht lange in Zweifel bleiben sollte. Die „frische Nachtluft“, die ich, um der stickigen Stubenatmosphäre willen, einzulassen bemüht gewesen war, stieg leider nicht aus Himmelshöhen zu mir nieder, sondern aus Hofestiefen zu mir herauf und war ein Brodem, wie ihn jeder aus Erfahrung kennt, der, um etliche Jahrzehnte zurück, noch im alten Münchener Hofbräu seinen Krug getrunken hat. Nur hatt’ ich hier die höhere Potenz. Und an dieser Stelle mag ein kleiner Excurs gestattet sein! Daheim an den Ufern unserer guten Spree gehört es zum guten Ton, über unsere Ber- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0014" n="12"/> und ich stieg wieder in meine nach dem Hof zu gelegene Stube hinauf, an deren niedriger Decke sich ein überklebter Balken hinzog. Oben angekommen, war mein Erstes eins der beiden Fenster zu öffnen, da mich die eigentümliche Stubenatmosphäre mehr und mehr zu bedrücken begann. Es schien auch zu helfen. Und nun schob ich mich, müde wie ich war, unter das Betttuch.</p><lb/> <p>Ich mochte eine Viertelstunde geschlafen haben, als das Hinausfliegen mehrerer Stiefelpaare auf den Corridor und das Angespanntwerden eines Hotel-Omnibus (gleich nach 1 Uhr kam ein neuer Zug) mich aus tiefem Schlafe weckte. Zugleich empfand ich einen dumpfen Kopfschmerz, über dessen Ursache ich nicht lange in Zweifel bleiben sollte. Die „frische Nachtluft“, die ich, um der stickigen Stubenatmosphäre willen, einzulassen bemüht gewesen war, stieg leider nicht aus Himmelshöhen <choice><sic>zn</sic><corr>zu</corr></choice> mir nieder, sondern aus Hofestiefen zu mir herauf und war ein Brodem, wie ihn jeder aus Erfahrung kennt, der, um etliche Jahrzehnte zurück, noch im <hi rendition="#g">alten</hi> Münchener Hofbräu seinen Krug getrunken hat. Nur hatt’ ich hier die höhere Potenz.</p><lb/> <p>Und an dieser Stelle mag ein kleiner Excurs gestattet sein! Daheim an den Ufern unserer guten Spree gehört es zum guten Ton, über unsere Ber- </p> </div> </body> </text> </TEI> [12/0014]
und ich stieg wieder in meine nach dem Hof zu gelegene Stube hinauf, an deren niedriger Decke sich ein überklebter Balken hinzog. Oben angekommen, war mein Erstes eins der beiden Fenster zu öffnen, da mich die eigentümliche Stubenatmosphäre mehr und mehr zu bedrücken begann. Es schien auch zu helfen. Und nun schob ich mich, müde wie ich war, unter das Betttuch.
Ich mochte eine Viertelstunde geschlafen haben, als das Hinausfliegen mehrerer Stiefelpaare auf den Corridor und das Angespanntwerden eines Hotel-Omnibus (gleich nach 1 Uhr kam ein neuer Zug) mich aus tiefem Schlafe weckte. Zugleich empfand ich einen dumpfen Kopfschmerz, über dessen Ursache ich nicht lange in Zweifel bleiben sollte. Die „frische Nachtluft“, die ich, um der stickigen Stubenatmosphäre willen, einzulassen bemüht gewesen war, stieg leider nicht aus Himmelshöhen zu mir nieder, sondern aus Hofestiefen zu mir herauf und war ein Brodem, wie ihn jeder aus Erfahrung kennt, der, um etliche Jahrzehnte zurück, noch im alten Münchener Hofbräu seinen Krug getrunken hat. Nur hatt’ ich hier die höhere Potenz.
Und an dieser Stelle mag ein kleiner Excurs gestattet sein! Daheim an den Ufern unserer guten Spree gehört es zum guten Ton, über unsere Ber-
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/14>, abgerufen am 04.07.2024. |