Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.

Bild:
<< vorherige Seite

Als aber der dritte Regentag zur Rüste ging und der Rat sich wieder an seine Mahlzeit setzte, war es ihm, als ob die Milch eben so blau sei, wie die Satte selbst. Und als er sich nichtsdestoweniger bezwungen und gegessen und den Löffel wieder niedergelegt hatte, sah Eveline, daß er in ein Schwanken kam und immer zuckte.

"Gott, Hermann, Du zuckst ja. Lieber Mann, es ist ja, wie wenn Dir der Tod über den Rücken liefe."

Der so zärtlich und ängstlich zugleich Angesprochene, versuchte zu lächeln. Aber seine Kraft war augenscheinlich im Abzug, und er litt es, daß man ihn zu Bette brachte. Kein Wort wurde laut und während er im Schüttelfroste lag, schrieb Eveline folgende Zeilen an den alten Geheimrat Krukenberg: "Lieber Geheimrat. Ich belästige Sie nicht gern, aber mein Mann ist, fürcht' ich, ernstlich erkrankt. Er kam schwer erkältet hier an und nahm diesen Erkältungszustand für eine Form höherer Gesundheit. Und seitdem hat er sich immer weiter abgehärtet und die Niederlage vorbereitet, die nun da ist. Ach, daß doch die besten Menschen so widerborstig sind. Ich bin recht in Sorge. Darf ich hoffen, Sie morgen mit herankommen zu sehn? Ihre Eveline G."


Als aber der dritte Regentag zur Rüste ging und der Rat sich wieder an seine Mahlzeit setzte, war es ihm, als ob die Milch eben so blau sei, wie die Satte selbst. Und als er sich nichtsdestoweniger bezwungen und gegessen und den Löffel wieder niedergelegt hatte, sah Eveline, daß er in ein Schwanken kam und immer zuckte.

„Gott, Hermann, Du zuckst ja. Lieber Mann, es ist ja, wie wenn Dir der Tod über den Rücken liefe.“

Der so zärtlich und ängstlich zugleich Angesprochene, versuchte zu lächeln. Aber seine Kraft war augenscheinlich im Abzug, und er litt es, daß man ihn zu Bette brachte. Kein Wort wurde laut und während er im Schüttelfroste lag, schrieb Eveline folgende Zeilen an den alten Geheimrat Krukenberg: „Lieber Geheimrat. Ich belästige Sie nicht gern, aber mein Mann ist, fürcht’ ich, ernstlich erkrankt. Er kam schwer erkältet hier an und nahm diesen Erkältungszustand für eine Form höherer Gesundheit. Und seitdem hat er sich immer weiter abgehärtet und die Niederlage vorbereitet, die nun da ist. Ach, daß doch die besten Menschen so widerborstig sind. Ich bin recht in Sorge. Darf ich hoffen, Sie morgen mit herankommen zu sehn? Ihre Eveline G.“


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0033" n="31"/>
        <p>Als aber der dritte Regentag zur Rüste ging und der Rat sich wieder an seine                     Mahlzeit setzte, war es ihm, als ob die Milch eben so blau sei, wie die Satte                     selbst. Und als er sich nichtsdestoweniger bezwungen und gegessen und den Löffel                     wieder niedergelegt hatte, sah Eveline, daß er in ein Schwanken kam und immer                     zuckte.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Gott, Hermann, Du zuckst ja. Lieber Mann, es ist ja, wie wenn Dir der Tod über                     den Rücken liefe.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der so zärtlich und ängstlich zugleich Angesprochene, versuchte zu lächeln. Aber                     seine Kraft war augenscheinlich im Abzug, und er litt es, daß man ihn zu Bette                     brachte. Kein Wort wurde laut und während er im Schüttelfroste lag, schrieb                     Eveline folgende Zeilen an den alten Geheimrat Krukenberg: &#x201E;Lieber Geheimrat.                     Ich belästige Sie nicht gern, aber mein Mann ist, fürcht&#x2019; ich, ernstlich                     erkrankt. Er kam schwer erkältet hier an und nahm diesen Erkältungszustand für                     eine Form höherer Gesundheit. Und seitdem hat er sich immer weiter abgehärtet                     und die Niederlage vorbereitet, die nun da ist. Ach, daß doch die besten                     Menschen so widerborstig sind. Ich bin recht in Sorge. Darf ich hoffen, Sie                     morgen mit herankommen zu sehn? Ihre Eveline G.&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[31/0033] Als aber der dritte Regentag zur Rüste ging und der Rat sich wieder an seine Mahlzeit setzte, war es ihm, als ob die Milch eben so blau sei, wie die Satte selbst. Und als er sich nichtsdestoweniger bezwungen und gegessen und den Löffel wieder niedergelegt hatte, sah Eveline, daß er in ein Schwanken kam und immer zuckte. „Gott, Hermann, Du zuckst ja. Lieber Mann, es ist ja, wie wenn Dir der Tod über den Rücken liefe.“ Der so zärtlich und ängstlich zugleich Angesprochene, versuchte zu lächeln. Aber seine Kraft war augenscheinlich im Abzug, und er litt es, daß man ihn zu Bette brachte. Kein Wort wurde laut und während er im Schüttelfroste lag, schrieb Eveline folgende Zeilen an den alten Geheimrat Krukenberg: „Lieber Geheimrat. Ich belästige Sie nicht gern, aber mein Mann ist, fürcht’ ich, ernstlich erkrankt. Er kam schwer erkältet hier an und nahm diesen Erkältungszustand für eine Form höherer Gesundheit. Und seitdem hat er sich immer weiter abgehärtet und die Niederlage vorbereitet, die nun da ist. Ach, daß doch die besten Menschen so widerborstig sind. Ich bin recht in Sorge. Darf ich hoffen, Sie morgen mit herankommen zu sehn? Ihre Eveline G.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2014-01-22T15:28:28Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-22T15:28:28Z)
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2014-01-22T15:28:28Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Von vor und nach der Reise. Plaudereien und kleine Geschichten. Hrsg. von Walter Hettche und Gabriele Radecke. Berlin 2007 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 19]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet;
  • Druckfehler: stillschweigend korrigiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert;
  • Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet;
  • Kustoden: nicht gekennzeichnet;
  • langes s (ſ): als s transkribiert;
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;
  • Silbentrennung: aufgelöst;
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;
  • Zeilenumbrüche markiert: nein.

Auslassungszeichen im Text werden einheitlich als U+2026 <…> (HORIZONTAL ELLIPSIS) wiedergegeben.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/33
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/33>, abgerufen am 28.12.2024.