Fontane, Theodor: Die Poggenpuhls. 6. Aufl. Berlin, 1902.Therese selbst aber ließ ihr Auge ruhig über die über der Sofalehne hängende "Ahnengalerie" hingleiten, und ihr Auge schien sagen zu wollen: "Jhr seid Zeugen, daß ich nicht mehr gesagt, als ich sagen durfte." Dann aber kam ihr ein zweites, besseres Gefühl und sie lieh ihm auch Worte: "Verzeih, Mama," sagte sie. "Es kann sein, daß ich unrecht habe." Es lag nicht im Charakter der Familie, den Verstimmungen über eine derartige Scene Dauer zu geben. Die Mutter hatte Schwereres tragen gelernt und war jeden Augenblick zur Verzeihung und Nachgiebigkeit geneigt, während die im wesentlichen in ihren Anschauungen verharrende, trotzdem aber nicht eigentlich eigensinnige Therese das Bedürfnis hatte, wieder einzulenken, wozu ein Gespräch mit Manon das beste Mittel bot. Sie nahm daher diese bei der Hand, führte sie von ihrem Fensterplatz her an den Kaffeetisch zurück und sagte, während sie sie neben sich auf eine Fußbank niederzog: "Es muß nun doch vieles anders werden mit uns und auch mit dir, Manon. Du bist, mein lieber Schelm, am weitesten ab vom rechten Wege. Wie denkst du nun eigentlich hinsichtlich deiner Zukunft?" Therese selbst aber ließ ihr Auge ruhig über die über der Sofalehne hängende „Ahnengalerie“ hingleiten, und ihr Auge schien sagen zu wollen: „Jhr seid Zeugen, daß ich nicht mehr gesagt, als ich sagen durfte.“ Dann aber kam ihr ein zweites, besseres Gefühl und sie lieh ihm auch Worte: „Verzeih, Mama,“ sagte sie. „Es kann sein, daß ich unrecht habe.“ Es lag nicht im Charakter der Familie, den Verstimmungen über eine derartige Scene Dauer zu geben. Die Mutter hatte Schwereres tragen gelernt und war jeden Augenblick zur Verzeihung und Nachgiebigkeit geneigt, während die im wesentlichen in ihren Anschauungen verharrende, trotzdem aber nicht eigentlich eigensinnige Therese das Bedürfnis hatte, wieder einzulenken, wozu ein Gespräch mit Manon das beste Mittel bot. Sie nahm daher diese bei der Hand, führte sie von ihrem Fensterplatz her an den Kaffeetisch zurück und sagte, während sie sie neben sich auf eine Fußbank niederzog: „Es muß nun doch vieles anders werden mit uns und auch mit dir, Manon. Du bist, mein lieber Schelm, am weitesten ab vom rechten Wege. Wie denkst du nun eigentlich hinsichtlich deiner Zukunft?“ <TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0181" n="174"/> <p>Therese selbst aber ließ ihr Auge ruhig über die über der Sofalehne hängende „Ahnengalerie“ hingleiten, und ihr Auge schien sagen zu wollen: „Jhr seid Zeugen, daß ich nicht mehr gesagt, als ich sagen durfte.“ Dann aber kam ihr ein zweites, besseres Gefühl und sie lieh ihm auch Worte: „Verzeih, Mama,“ sagte sie. „Es kann sein, daß ich unrecht habe.“</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Es lag nicht im Charakter der Familie, den Verstimmungen über eine derartige Scene Dauer zu geben. Die Mutter hatte Schwereres tragen gelernt und war jeden Augenblick zur Verzeihung und Nachgiebigkeit geneigt, während die im wesentlichen in ihren Anschauungen verharrende, trotzdem aber nicht eigentlich eigensinnige Therese das Bedürfnis hatte, wieder einzulenken, wozu ein Gespräch mit Manon das beste Mittel bot. Sie nahm daher diese bei der Hand, führte sie von ihrem Fensterplatz her an den Kaffeetisch zurück und sagte, während sie sie neben sich auf eine Fußbank niederzog: „Es muß nun doch vieles anders werden mit uns und auch mit dir, Manon. Du bist, mein lieber Schelm, am weitesten ab vom rechten Wege. Wie denkst du nun eigentlich hinsichtlich deiner Zukunft?“ </p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [174/0181]
Therese selbst aber ließ ihr Auge ruhig über die über der Sofalehne hängende „Ahnengalerie“ hingleiten, und ihr Auge schien sagen zu wollen: „Jhr seid Zeugen, daß ich nicht mehr gesagt, als ich sagen durfte.“ Dann aber kam ihr ein zweites, besseres Gefühl und sie lieh ihm auch Worte: „Verzeih, Mama,“ sagte sie. „Es kann sein, daß ich unrecht habe.“
Es lag nicht im Charakter der Familie, den Verstimmungen über eine derartige Scene Dauer zu geben. Die Mutter hatte Schwereres tragen gelernt und war jeden Augenblick zur Verzeihung und Nachgiebigkeit geneigt, während die im wesentlichen in ihren Anschauungen verharrende, trotzdem aber nicht eigentlich eigensinnige Therese das Bedürfnis hatte, wieder einzulenken, wozu ein Gespräch mit Manon das beste Mittel bot. Sie nahm daher diese bei der Hand, führte sie von ihrem Fensterplatz her an den Kaffeetisch zurück und sagte, während sie sie neben sich auf eine Fußbank niederzog: „Es muß nun doch vieles anders werden mit uns und auch mit dir, Manon. Du bist, mein lieber Schelm, am weitesten ab vom rechten Wege. Wie denkst du nun eigentlich hinsichtlich deiner Zukunft?“
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Die Poggenpuhls. 6. Aufl. Berlin, 1902, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_poggenpuhls_1897/181>, abgerufen am 27.07.2024. |