Fontane, Theodor: Die Poggenpuhls. 6. Aufl. Berlin, 1902.Ehe nicht seine Verhältnisse geordnet sind, kommt er nicht zur Ruhe. Aber wo soll diese Ordnung herkommen?" Es war Ende Mai, als Sophie diesen Brief schrieb, und sie vermied klugerweise, das darin behandelte Thema noch einmal zu berühren. Es genügte ihr, daß ihr Brief seine Wirkung gethan und das ungerechte Kritteln der älteren Schwester in eine gerechtere Beurteilung umgewandelt hatte. Das stille Leben in Schloß Adamsdorf nahm mittlerweile seinen Fortgang und erfuhr nur einen Wandel, als der Hochsommer heran war und die Tante, eine passionierte Schlesierin, allwöchentlich einmal auf eine Fahrt ins Gebirge drang. Abwechselnd fuhr man bis Schreiberhau oder Hermsdorf oder Krummhübel, um dann von diesen Punkten aus höher ins Gebirge hinaufzusteigen, nach Kirche Wang oder dem Mittagsstein, oder selbst bis zu den Schneegruben. Sophie skizzierte irgend eine Scenerie für ihre alttestamentlichen Bilder und sagte dabei: "Das ist Abrahams Grab, das ist der Sinai, das ist der Bach Kidron." Jhr größtes Vergnügen aber war immer, wenn auf dem Heimwege, da, wo man das Fuhrwerk zurückgelassen hatte, noch einmal Rast Ehe nicht seine Verhältnisse geordnet sind, kommt er nicht zur Ruhe. Aber wo soll diese Ordnung herkommen?“ Es war Ende Mai, als Sophie diesen Brief schrieb, und sie vermied klugerweise, das darin behandelte Thema noch einmal zu berühren. Es genügte ihr, daß ihr Brief seine Wirkung gethan und das ungerechte Kritteln der älteren Schwester in eine gerechtere Beurteilung umgewandelt hatte. Das stille Leben in Schloß Adamsdorf nahm mittlerweile seinen Fortgang und erfuhr nur einen Wandel, als der Hochsommer heran war und die Tante, eine passionierte Schlesierin, allwöchentlich einmal auf eine Fahrt ins Gebirge drang. Abwechselnd fuhr man bis Schreiberhau oder Hermsdorf oder Krummhübel, um dann von diesen Punkten aus höher ins Gebirge hinaufzusteigen, nach Kirche Wang oder dem Mittagsstein, oder selbst bis zu den Schneegruben. Sophie skizzierte irgend eine Scenerie für ihre alttestamentlichen Bilder und sagte dabei: „Das ist Abrahams Grab, das ist der Sinai, das ist der Bach Kidron.“ Jhr größtes Vergnügen aber war immer, wenn auf dem Heimwege, da, wo man das Fuhrwerk zurückgelassen hatte, noch einmal Rast <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0146" n="139"/> Ehe nicht seine Verhältnisse geordnet sind, kommt er nicht zur Ruhe. Aber wo soll diese Ordnung herkommen?“</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Es war Ende Mai, als Sophie diesen Brief schrieb, und sie vermied klugerweise, das darin behandelte Thema noch einmal zu berühren. Es genügte ihr, daß ihr Brief seine Wirkung gethan und das ungerechte Kritteln der älteren Schwester in eine gerechtere Beurteilung umgewandelt hatte.</p><lb/> <p>Das stille Leben in Schloß Adamsdorf nahm mittlerweile seinen Fortgang und erfuhr nur einen Wandel, als der Hochsommer heran war und die Tante, eine passionierte Schlesierin, allwöchentlich einmal auf eine Fahrt ins Gebirge drang. Abwechselnd fuhr man bis Schreiberhau oder Hermsdorf oder Krummhübel, um dann von diesen Punkten aus höher ins Gebirge hinaufzusteigen, nach Kirche Wang oder dem Mittagsstein, oder selbst bis zu den Schneegruben. <choice><sic>Sohpie</sic><corr>Sophie</corr></choice> skizzierte irgend eine Scenerie für ihre alttestamentlichen Bilder und sagte dabei: „Das ist Abrahams Grab, das ist der Sinai, das ist der Bach Kidron.“ Jhr größtes Vergnügen aber war immer, wenn auf dem Heimwege, da, wo man das Fuhrwerk zurückgelassen hatte, noch einmal Rast<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [139/0146]
Ehe nicht seine Verhältnisse geordnet sind, kommt er nicht zur Ruhe. Aber wo soll diese Ordnung herkommen?“
Es war Ende Mai, als Sophie diesen Brief schrieb, und sie vermied klugerweise, das darin behandelte Thema noch einmal zu berühren. Es genügte ihr, daß ihr Brief seine Wirkung gethan und das ungerechte Kritteln der älteren Schwester in eine gerechtere Beurteilung umgewandelt hatte.
Das stille Leben in Schloß Adamsdorf nahm mittlerweile seinen Fortgang und erfuhr nur einen Wandel, als der Hochsommer heran war und die Tante, eine passionierte Schlesierin, allwöchentlich einmal auf eine Fahrt ins Gebirge drang. Abwechselnd fuhr man bis Schreiberhau oder Hermsdorf oder Krummhübel, um dann von diesen Punkten aus höher ins Gebirge hinaufzusteigen, nach Kirche Wang oder dem Mittagsstein, oder selbst bis zu den Schneegruben. Sophie skizzierte irgend eine Scenerie für ihre alttestamentlichen Bilder und sagte dabei: „Das ist Abrahams Grab, das ist der Sinai, das ist der Bach Kidron.“ Jhr größtes Vergnügen aber war immer, wenn auf dem Heimwege, da, wo man das Fuhrwerk zurückgelassen hatte, noch einmal Rast
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(2018-07-25T11:03:16Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T11:03:16Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Die Poggenpuhls. Hrsg. von Gabriele Radecke. Berlin 2006 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 16]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst). Anmerkungen zur Transkription:
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