Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894.

Bild:
<< vorherige Seite

ein Käpsel, grün mit einer schwarzen Ranke darum, und das Einzige, was auf vergangene bessere Zeiten deutete, war ein wunderschönes Bambusrohr mit einem Elfenbeinknopf oben und einer unverhältnißmäßig langen Metallzwinge, so daß man eigentlich einen "poignard" darunter vermuthen mußte. Was aber nicht zutraf.

Jetzt hatten wir uns und gaben uns einen Kuß auf die linke Backe. "Nun, das ist recht, daß Du da bist. Was macht Deine Frau? Und die Kinder?" Er wartete aber keine Antwort ab, denn solche Familienfragen, wenn es nicht gleich ans Sterben ging, interessirten ihn wenig und so fuhr er dann fort: "Es ist das Leben eines Einsiedlers, das ich führe, ja, man könnte schon von Anachoreten sprechen, die ich mir, übrigens vielleicht mit Unrecht, als gesteigerte Einsiedler denke. Fremdwörter haben fast immer was Gesteigertes. Nun wir reden noch davon. Ein Glück, daß Du so gutes Wetter getroffen hast, das reine Hohenzollernwetter. Du schreibst ja auch so viel über die Hohenzollern und nimmst drum vielleicht an ihrem Wetter Theil; es lohnt sich Alles. Ich, für meine Person, halte an Napoleon fest; er war das größere Genie. Weißt du denn, daß Prinz Wilhelm - ich meine den alten, das heißt den ganz alten, der immer die Schwedter-Dragoner

ein Käpsel, grün mit einer schwarzen Ranke darum, und das Einzige, was auf vergangene bessere Zeiten deutete, war ein wunderschönes Bambusrohr mit einem Elfenbeinknopf oben und einer unverhältnißmäßig langen Metallzwinge, so daß man eigentlich einen „poignard“ darunter vermuthen mußte. Was aber nicht zutraf.

Jetzt hatten wir uns und gaben uns einen Kuß auf die linke Backe. „Nun, das ist recht, daß Du da bist. Was macht Deine Frau? Und die Kinder?“ Er wartete aber keine Antwort ab, denn solche Familienfragen, wenn es nicht gleich ans Sterben ging, interessirten ihn wenig und so fuhr er dann fort: „Es ist das Leben eines Einsiedlers, das ich führe, ja, man könnte schon von Anachoreten sprechen, die ich mir, übrigens vielleicht mit Unrecht, als gesteigerte Einsiedler denke. Fremdwörter haben fast immer was Gesteigertes. Nun wir reden noch davon. Ein Glück, daß Du so gutes Wetter getroffen hast, das reine Hohenzollernwetter. Du schreibst ja auch so viel über die Hohenzollern und nimmst drum vielleicht an ihrem Wetter Theil; es lohnt sich Alles. Ich, für meine Person, halte an Napoleon fest; er war das größere Genie. Weißt du denn, daß Prinz Wilhelm – ich meine den alten, das heißt den ganz alten, der immer die Schwedter-Dragoner

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0283" n="275"/>
ein Käpsel, grün mit einer schwarzen Ranke darum, und das Einzige, was auf vergangene bessere Zeiten deutete, war ein wunderschönes Bambusrohr mit einem Elfenbeinknopf oben und einer unverhältnißmäßig langen Metallzwinge, so daß man eigentlich einen <hi rendition="#aq">&#x201E;poignard&#x201C;</hi> darunter vermuthen mußte. Was aber nicht zutraf.</p>
        <p>Jetzt hatten wir uns und gaben uns einen Kuß auf die linke Backe. &#x201E;Nun, das ist recht, daß Du da bist. Was macht Deine Frau? Und die Kinder?&#x201C; Er wartete aber keine Antwort ab, denn solche Familienfragen, wenn es nicht gleich ans Sterben ging, interessirten ihn wenig und so fuhr er dann fort: &#x201E;Es ist das Leben eines Einsiedlers, das ich führe, ja, man könnte schon von Anachoreten sprechen, die ich mir, übrigens vielleicht mit Unrecht, als gesteigerte Einsiedler denke. Fremdwörter haben fast immer was Gesteigertes. Nun wir reden noch davon. Ein Glück, daß Du so gutes Wetter getroffen hast, das reine Hohenzollernwetter. Du schreibst ja auch so viel über die Hohenzollern und nimmst drum vielleicht an ihrem Wetter Theil; es lohnt sich Alles. Ich, für meine Person, halte an Napoleon fest; er war das größere Genie. Weißt du denn, daß Prinz Wilhelm &#x2013; ich meine den alten, das heißt den ganz alten, der immer die Schwedter-Dragoner
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[275/0283] ein Käpsel, grün mit einer schwarzen Ranke darum, und das Einzige, was auf vergangene bessere Zeiten deutete, war ein wunderschönes Bambusrohr mit einem Elfenbeinknopf oben und einer unverhältnißmäßig langen Metallzwinge, so daß man eigentlich einen „poignard“ darunter vermuthen mußte. Was aber nicht zutraf. Jetzt hatten wir uns und gaben uns einen Kuß auf die linke Backe. „Nun, das ist recht, daß Du da bist. Was macht Deine Frau? Und die Kinder?“ Er wartete aber keine Antwort ab, denn solche Familienfragen, wenn es nicht gleich ans Sterben ging, interessirten ihn wenig und so fuhr er dann fort: „Es ist das Leben eines Einsiedlers, das ich führe, ja, man könnte schon von Anachoreten sprechen, die ich mir, übrigens vielleicht mit Unrecht, als gesteigerte Einsiedler denke. Fremdwörter haben fast immer was Gesteigertes. Nun wir reden noch davon. Ein Glück, daß Du so gutes Wetter getroffen hast, das reine Hohenzollernwetter. Du schreibst ja auch so viel über die Hohenzollern und nimmst drum vielleicht an ihrem Wetter Theil; es lohnt sich Alles. Ich, für meine Person, halte an Napoleon fest; er war das größere Genie. Weißt du denn, daß Prinz Wilhelm – ich meine den alten, das heißt den ganz alten, der immer die Schwedter-Dragoner

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-01-21T13:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Digitale Drucke der Uni Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-21T13:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-21T13:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Worttrennungen am Zeilenende werden ignoriert. Das Wort wird noch auf der gleichen Seite vervollständigt.
  • Die Transkription folgt im Übrigen dem Original.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894/283
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894/283>, abgerufen am 19.05.2024.