Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894.Liviuskenner, schwerlich imponirten - ein innerlich freies und glückliches Leben führte. Die Consuln ihrerseits lachten natürlich auch über Dr. Lau und hielten ihn für eine komische Null. So war seine Stellung zu den Stadtgrößen. Anders stand er in dem Krauseschen Hause, dem er jetzt angehörte. Da war er geliebt und geschätzt und antwortete darauf mit Hingebung und Treue. Wir liebten ihn außerordentlich und sahen in ihm etwas in jeder Hinsicht Ausgezeichnetes. Daß er uns, weil er seinem Herzen nicht Gewalt anthun mochte, dann und wann Gedichte aus dem west-östlichen Divan, der seine Spezialität war, vorlas, war gewiß anfechtbar, aber daß er sich dadurch lächerlich gemacht hätte, davon konnte keine Rede sein. Im Gegentheil. Diese Vorlesungen, von denen wir natürlich kein Wort verstanden, waren uns nur die Besieglung alles dessen, was wir an diesem kleinen Manne mit dem buntkattunenen, immer die Brille putzenden Taschentuche bewunderten. Unter allem aber stand uns eines obenan: er war nämlich auch Bräutigam. Das Bildniß seiner Braut, in Pastell, hing am Fußende seines Bettes, eine Pastorentochter von freundlichen, beinahe hübschen Gesichtszügen, mit einem schwarzen Sammtband um den Hals, daran ein Medaillon hing. Das Gesicht war uns Liviuskenner, schwerlich imponirten – ein innerlich freies und glückliches Leben führte. Die Consuln ihrerseits lachten natürlich auch über Dr. Lau und hielten ihn für eine komische Null. So war seine Stellung zu den Stadtgrößen. Anders stand er in dem Krauseschen Hause, dem er jetzt angehörte. Da war er geliebt und geschätzt und antwortete darauf mit Hingebung und Treue. Wir liebten ihn außerordentlich und sahen in ihm etwas in jeder Hinsicht Ausgezeichnetes. Daß er uns, weil er seinem Herzen nicht Gewalt anthun mochte, dann und wann Gedichte aus dem west-östlichen Divan, der seine Spezialität war, vorlas, war gewiß anfechtbar, aber daß er sich dadurch lächerlich gemacht hätte, davon konnte keine Rede sein. Im Gegentheil. Diese Vorlesungen, von denen wir natürlich kein Wort verstanden, waren uns nur die Besieglung alles dessen, was wir an diesem kleinen Manne mit dem buntkattunenen, immer die Brille putzenden Taschentuche bewunderten. Unter allem aber stand uns eines obenan: er war nämlich auch Bräutigam. Das Bildniß seiner Braut, in Pastell, hing am Fußende seines Bettes, eine Pastorentochter von freundlichen, beinahe hübschen Gesichtszügen, mit einem schwarzen Sammtband um den Hals, daran ein Medaillon hing. Das Gesicht war uns <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0233" n="225"/> Liviuskenner, schwerlich imponirten – ein innerlich freies und glückliches Leben führte. Die Consuln ihrerseits lachten natürlich auch über <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Lau und hielten ihn für eine komische Null.</p> <p>So war seine Stellung zu den Stadtgrößen. Anders stand er in dem Krauseschen Hause, dem er jetzt angehörte. Da war er geliebt und geschätzt und antwortete darauf mit Hingebung und Treue. Wir liebten ihn außerordentlich und sahen in ihm etwas in jeder Hinsicht Ausgezeichnetes. Daß er uns, weil er seinem Herzen nicht Gewalt anthun mochte, dann und wann Gedichte aus dem west-östlichen Divan, der seine Spezialität war, vorlas, war gewiß anfechtbar, aber daß er sich dadurch lächerlich gemacht hätte, davon konnte keine Rede sein. Im Gegentheil. Diese Vorlesungen, von denen wir natürlich kein Wort verstanden, waren uns nur die Besieglung alles dessen, was wir an diesem kleinen Manne mit dem buntkattunenen, immer die Brille putzenden Taschentuche bewunderten. Unter allem aber stand uns eines obenan: er war nämlich auch Bräutigam. Das Bildniß seiner Braut, in Pastell, hing am Fußende seines Bettes, eine Pastorentochter von freundlichen, beinahe hübschen Gesichtszügen, mit einem schwarzen Sammtband um den Hals, daran ein Medaillon hing. Das Gesicht war uns </p> </div> </body> </text> </TEI> [225/0233]
Liviuskenner, schwerlich imponirten – ein innerlich freies und glückliches Leben führte. Die Consuln ihrerseits lachten natürlich auch über Dr. Lau und hielten ihn für eine komische Null.
So war seine Stellung zu den Stadtgrößen. Anders stand er in dem Krauseschen Hause, dem er jetzt angehörte. Da war er geliebt und geschätzt und antwortete darauf mit Hingebung und Treue. Wir liebten ihn außerordentlich und sahen in ihm etwas in jeder Hinsicht Ausgezeichnetes. Daß er uns, weil er seinem Herzen nicht Gewalt anthun mochte, dann und wann Gedichte aus dem west-östlichen Divan, der seine Spezialität war, vorlas, war gewiß anfechtbar, aber daß er sich dadurch lächerlich gemacht hätte, davon konnte keine Rede sein. Im Gegentheil. Diese Vorlesungen, von denen wir natürlich kein Wort verstanden, waren uns nur die Besieglung alles dessen, was wir an diesem kleinen Manne mit dem buntkattunenen, immer die Brille putzenden Taschentuche bewunderten. Unter allem aber stand uns eines obenan: er war nämlich auch Bräutigam. Das Bildniß seiner Braut, in Pastell, hing am Fußende seines Bettes, eine Pastorentochter von freundlichen, beinahe hübschen Gesichtszügen, mit einem schwarzen Sammtband um den Hals, daran ein Medaillon hing. Das Gesicht war uns
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894/233>, abgerufen am 16.02.2025. |