Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894.

Bild:
<< vorherige Seite

Labry, Firma Humbert u. Labry, geboren. Handelsobjekt der Firma waren nicht gewebte Seidenstoffe, sondern Seidendocken, worauf meine Mutter Gewicht legte. Sie hielt die Docken für vornehmer, als Zeug nach der Elle. Ob und wie weit sie darin Recht hatte, kann ich nicht sagen, aber dessen entsinne ich mich deutlich, daß sie, vielleicht weil sie in hohem Maße den Sinn für Repräsentation hatte, von den Lebensgewohnheiten ihres Vaters, und zwar viel viel mehr als von seinem Charakter oder sonstigem Thun, mit einem gewissen freudigen Respekte sprach. Wenn wir als Kinder, und auch später noch als Halberwachsene, mit ihr bei Josty Chokolade tranken und dabei die kleinen, bräunlich gerösteten Corianderbisquits, die so leicht zerkrümeln und abbrechen, vorsichtig eintunkten, unterließ sie nie, zu uns zu sagen: "Ja, seht Kinder, solche Corianderbisquits, daran hing auch euer Großvater Labry. Aber aus Chokolade machte er sich nichts. Er trank vielmehr jeden Tag um elf und um sechs ein Glas französischen Rothwein und aß dazu nichts als zwei solcher Bisquits, immer mit den zierlichsten Handbewegungen und war überhaupt sehr mäßig. Ihr habt nichts davon geerbt, weder die Handbewegungen noch die Mäßigkeit." Letzteres war nun allerdings sehr richtig,

Labry, Firma Humbert u. Labry, geboren. Handelsobjekt der Firma waren nicht gewebte Seidenstoffe, sondern Seidendocken, worauf meine Mutter Gewicht legte. Sie hielt die Docken für vornehmer, als Zeug nach der Elle. Ob und wie weit sie darin Recht hatte, kann ich nicht sagen, aber dessen entsinne ich mich deutlich, daß sie, vielleicht weil sie in hohem Maße den Sinn für Repräsentation hatte, von den Lebensgewohnheiten ihres Vaters, und zwar viel viel mehr als von seinem Charakter oder sonstigem Thun, mit einem gewissen freudigen Respekte sprach. Wenn wir als Kinder, und auch später noch als Halberwachsene, mit ihr bei Josty Chokolade tranken und dabei die kleinen, bräunlich gerösteten Corianderbisquits, die so leicht zerkrümeln und abbrechen, vorsichtig eintunkten, unterließ sie nie, zu uns zu sagen: „Ja, seht Kinder, solche Corianderbisquits, daran hing auch euer Großvater Labry. Aber aus Chokolade machte er sich nichts. Er trank vielmehr jeden Tag um elf und um sechs ein Glas französischen Rothwein und aß dazu nichts als zwei solcher Bisquits, immer mit den zierlichsten Handbewegungen und war überhaupt sehr mäßig. Ihr habt nichts davon geerbt, weder die Handbewegungen noch die Mäßigkeit.“ Letzteres war nun allerdings sehr richtig,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0019" n="11"/>
Labry, Firma Humbert u. Labry, geboren. Handelsobjekt der Firma waren nicht gewebte Seidenstoffe, sondern Seidendocken, worauf meine Mutter Gewicht legte. Sie hielt die Docken für vornehmer, als Zeug nach der Elle. Ob und wie weit sie darin Recht hatte, kann ich nicht sagen, aber dessen entsinne ich mich deutlich, daß sie, vielleicht weil sie in hohem Maße den Sinn für Repräsentation hatte, von den Lebensgewohnheiten ihres Vaters, und zwar viel viel mehr als von seinem Charakter oder sonstigem Thun, mit einem gewissen freudigen Respekte sprach. Wenn wir als Kinder, und auch später noch als Halberwachsene, mit ihr bei Josty Chokolade tranken und dabei die kleinen, bräunlich gerösteten Corianderbisquits, die so leicht zerkrümeln und abbrechen, vorsichtig eintunkten, unterließ sie nie, zu uns zu sagen: &#x201E;Ja, seht Kinder, solche Corianderbisquits, daran hing auch euer Großvater Labry. Aber aus Chokolade machte er sich nichts. Er trank vielmehr jeden Tag um elf und um sechs ein Glas französischen Rothwein und aß dazu nichts als zwei solcher Bisquits, immer mit den zierlichsten Handbewegungen und war überhaupt sehr mäßig. Ihr habt nichts davon geerbt, weder die Handbewegungen noch die Mäßigkeit.&#x201C; Letzteres war nun allerdings sehr richtig,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[11/0019] Labry, Firma Humbert u. Labry, geboren. Handelsobjekt der Firma waren nicht gewebte Seidenstoffe, sondern Seidendocken, worauf meine Mutter Gewicht legte. Sie hielt die Docken für vornehmer, als Zeug nach der Elle. Ob und wie weit sie darin Recht hatte, kann ich nicht sagen, aber dessen entsinne ich mich deutlich, daß sie, vielleicht weil sie in hohem Maße den Sinn für Repräsentation hatte, von den Lebensgewohnheiten ihres Vaters, und zwar viel viel mehr als von seinem Charakter oder sonstigem Thun, mit einem gewissen freudigen Respekte sprach. Wenn wir als Kinder, und auch später noch als Halberwachsene, mit ihr bei Josty Chokolade tranken und dabei die kleinen, bräunlich gerösteten Corianderbisquits, die so leicht zerkrümeln und abbrechen, vorsichtig eintunkten, unterließ sie nie, zu uns zu sagen: „Ja, seht Kinder, solche Corianderbisquits, daran hing auch euer Großvater Labry. Aber aus Chokolade machte er sich nichts. Er trank vielmehr jeden Tag um elf und um sechs ein Glas französischen Rothwein und aß dazu nichts als zwei solcher Bisquits, immer mit den zierlichsten Handbewegungen und war überhaupt sehr mäßig. Ihr habt nichts davon geerbt, weder die Handbewegungen noch die Mäßigkeit.“ Letzteres war nun allerdings sehr richtig,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-01-21T13:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Digitale Drucke der Uni Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-21T13:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-21T13:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Worttrennungen am Zeilenende werden ignoriert. Das Wort wird noch auf der gleichen Seite vervollständigt.
  • Die Transkription folgt im Übrigen dem Original.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894/19
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894/19>, abgerufen am 19.04.2024.