Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894.

Bild:
<< vorherige Seite

einen stillen Segen in sich. Ein gewisses Verlangen (so gut sich's thun ließ,) ein ganz klein wenig von einer grande Dame zu sein, lief wohl mit unter, aber einen Beisatz von menschlicher Schwäche hat schließlich all unser Thun. Später, wenn wir mit ihr über diese Dinge sprachen, sagte sie: "Gewiß, ich hätte Manches auch unterlassen können, es ging weit über unsern Etat; aber ich sagte mir: was da ist, wird doch ausgegeben und da ist es besser, es läuft meinen Weg als den andern."

Diese Sommermonate, von Mitte Juni an, waren durch die Fülle von Besuch oft reizend, meist junge Frauen aus der Berliner Verwandtschaft, plauderhaft und heiter. Das Haus war dann, auf Wochen hin, total verändert und Scherz und Schalkhaftigkeit, die sich bis zur Ausgelassenheit steigerten, herrschten vor. Die Streitaxt war begraben und die glänzendste Nummer in dem sich nun entspinnenden Wettstreite guter Laune, war immer mein Vater selbst. Er war, wie oft schöne Männer, das absolute Gegentheil von einem Don Juan, auch stolz auf seine Tugend, aber so undonjuanmäßig er war, so gascognisch entzückend war er, wenn es sich um übermüthige, gelegentlich die verwegensten Themata streifende Wortkämpfe mit den jungen Frauen handelte, von welchen letztren er

einen stillen Segen in sich. Ein gewisses Verlangen (so gut sich’s thun ließ,) ein ganz klein wenig von einer grande Dame zu sein, lief wohl mit unter, aber einen Beisatz von menschlicher Schwäche hat schließlich all unser Thun. Später, wenn wir mit ihr über diese Dinge sprachen, sagte sie: „Gewiß, ich hätte Manches auch unterlassen können, es ging weit über unsern Etat; aber ich sagte mir: was da ist, wird doch ausgegeben und da ist es besser, es läuft meinen Weg als den andern.“

Diese Sommermonate, von Mitte Juni an, waren durch die Fülle von Besuch oft reizend, meist junge Frauen aus der Berliner Verwandtschaft, plauderhaft und heiter. Das Haus war dann, auf Wochen hin, total verändert und Scherz und Schalkhaftigkeit, die sich bis zur Ausgelassenheit steigerten, herrschten vor. Die Streitaxt war begraben und die glänzendste Nummer in dem sich nun entspinnenden Wettstreite guter Laune, war immer mein Vater selbst. Er war, wie oft schöne Männer, das absolute Gegentheil von einem Don Juan, auch stolz auf seine Tugend, aber so undonjuanmäßig er war, so gascognisch entzückend war er, wenn es sich um übermüthige, gelegentlich die verwegensten Themata streifende Wortkämpfe mit den jungen Frauen handelte, von welchen letztren er

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0146" n="138"/>
einen stillen Segen in sich. Ein gewisses Verlangen (so gut sich&#x2019;s thun ließ,) ein ganz klein wenig von einer <hi rendition="#aq">grande Dame</hi> zu sein, lief wohl mit unter, aber einen Beisatz von menschlicher Schwäche hat schließlich all unser Thun. Später, wenn wir mit ihr über diese Dinge sprachen, sagte sie: &#x201E;Gewiß, ich hätte Manches auch unterlassen können, es ging weit über unsern Etat; aber ich sagte mir: was da ist, wird doch ausgegeben und da ist es besser, es läuft meinen Weg als den andern.&#x201C;</p>
        <p>Diese Sommermonate, von Mitte Juni an, waren durch die Fülle von Besuch oft reizend, meist junge Frauen aus der Berliner Verwandtschaft, plauderhaft und heiter. Das Haus war dann, auf Wochen hin, total verändert und Scherz und Schalkhaftigkeit, die sich bis zur Ausgelassenheit steigerten, herrschten vor. Die Streitaxt war begraben und die glänzendste Nummer in dem sich nun entspinnenden Wettstreite guter Laune, war immer mein Vater selbst. Er war, wie oft schöne Männer, das absolute Gegentheil von einem Don Juan, auch stolz auf seine Tugend, aber so undonjuanmäßig er war, so gascognisch entzückend war er, wenn es sich um übermüthige, gelegentlich die verwegensten Themata streifende Wortkämpfe mit den jungen Frauen handelte, von welchen letztren er
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[138/0146] einen stillen Segen in sich. Ein gewisses Verlangen (so gut sich’s thun ließ,) ein ganz klein wenig von einer grande Dame zu sein, lief wohl mit unter, aber einen Beisatz von menschlicher Schwäche hat schließlich all unser Thun. Später, wenn wir mit ihr über diese Dinge sprachen, sagte sie: „Gewiß, ich hätte Manches auch unterlassen können, es ging weit über unsern Etat; aber ich sagte mir: was da ist, wird doch ausgegeben und da ist es besser, es läuft meinen Weg als den andern.“ Diese Sommermonate, von Mitte Juni an, waren durch die Fülle von Besuch oft reizend, meist junge Frauen aus der Berliner Verwandtschaft, plauderhaft und heiter. Das Haus war dann, auf Wochen hin, total verändert und Scherz und Schalkhaftigkeit, die sich bis zur Ausgelassenheit steigerten, herrschten vor. Die Streitaxt war begraben und die glänzendste Nummer in dem sich nun entspinnenden Wettstreite guter Laune, war immer mein Vater selbst. Er war, wie oft schöne Männer, das absolute Gegentheil von einem Don Juan, auch stolz auf seine Tugend, aber so undonjuanmäßig er war, so gascognisch entzückend war er, wenn es sich um übermüthige, gelegentlich die verwegensten Themata streifende Wortkämpfe mit den jungen Frauen handelte, von welchen letztren er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-01-21T13:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Digitale Drucke der Uni Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-21T13:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-21T13:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Worttrennungen am Zeilenende werden ignoriert. Das Wort wird noch auf der gleichen Seite vervollständigt.
  • Die Transkription folgt im Übrigen dem Original.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894/146
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894/146>, abgerufen am 25.11.2024.