Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894.schon in einem früheren Kapitel erzählt, einer Nervenkur halber in Berlin zurückgeblieben und die Frage trat gleich nach unserer Ankunft an meinen Vater heran, wer inzwischen die Wirthschaft führen solle. Lokalzeitungen gab es nicht, also mußte mündlich herumgefragt werden und schon wenige Tage später traf ein von einem Boten überbrachter Brief aus der Pudagla'schen Oberförsterei bei uns ein, worin der Oberförster Schröder anfragte, ob sich seine Schwester uns vorstellen dürfe, sie habe die Wirtschaft in seinem Hause gelernt. Mein Vater antwortete sofort zustimmend und war zwei Tage lang glücklich in der Vorstellung, eine Oberförster-Schwester, noch dazu aus Pudagla, als Wirthschafterin in sein Haus nehmen zu können. Das gab Relief; er fühlte sich wie geehrt. Und am dritten Tage fuhr die Schröder denn auch bei uns vor und wurde seitens meines Vaters empfangen. Er versicherte später, Contenance bewahrt zu haben, doch bin ich dessen nicht ganz sicher, trotzdem ihm sein gutes Herz und seine Politesse den Sieg über sich erleichtert haben mögen. Die gute Schröder war nämlich ein Pendant zu der ungefähr um dieselbe Zeit in Berlin auftauchenden "Prinzessin mit dem Totenkopf". Was bei dieser letzteren (die dann durch Dieffenbach, in einer berühmt gewordenen Cur, mittelst "plastischer schon in einem früheren Kapitel erzählt, einer Nervenkur halber in Berlin zurückgeblieben und die Frage trat gleich nach unserer Ankunft an meinen Vater heran, wer inzwischen die Wirthschaft führen solle. Lokalzeitungen gab es nicht, also mußte mündlich herumgefragt werden und schon wenige Tage später traf ein von einem Boten überbrachter Brief aus der Pudagla’schen Oberförsterei bei uns ein, worin der Oberförster Schröder anfragte, ob sich seine Schwester uns vorstellen dürfe, sie habe die Wirtschaft in seinem Hause gelernt. Mein Vater antwortete sofort zustimmend und war zwei Tage lang glücklich in der Vorstellung, eine Oberförster-Schwester, noch dazu aus Pudagla, als Wirthschafterin in sein Haus nehmen zu können. Das gab Relief; er fühlte sich wie geehrt. Und am dritten Tage fuhr die Schröder denn auch bei uns vor und wurde seitens meines Vaters empfangen. Er versicherte später, Contenance bewahrt zu haben, doch bin ich dessen nicht ganz sicher, trotzdem ihm sein gutes Herz und seine Politesse den Sieg über sich erleichtert haben mögen. Die gute Schröder war nämlich ein Pendant zu der ungefähr um dieselbe Zeit in Berlin auftauchenden „Prinzessin mit dem Totenkopf“. Was bei dieser letzteren (die dann durch Dieffenbach, in einer berühmt gewordenen Cur, mittelst „plastischer <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0141" n="133"/> schon in einem früheren Kapitel erzählt, einer Nervenkur halber in Berlin zurückgeblieben und die Frage trat gleich nach unserer Ankunft an meinen Vater heran, wer inzwischen die Wirthschaft führen solle. Lokalzeitungen gab es nicht, also mußte mündlich herumgefragt werden und schon wenige Tage später traf ein von einem Boten überbrachter Brief aus der Pudagla’schen Oberförsterei bei uns ein, worin der Oberförster Schröder anfragte, ob sich seine Schwester uns vorstellen dürfe, sie habe die Wirtschaft in seinem Hause gelernt. Mein Vater antwortete sofort zustimmend und war zwei Tage lang glücklich in der Vorstellung, eine Oberförster-Schwester, noch dazu aus Pudagla, als Wirthschafterin in sein Haus nehmen zu können. Das gab Relief; er fühlte sich wie geehrt. Und am dritten Tage fuhr die Schröder denn auch bei uns vor und wurde seitens meines Vaters empfangen. Er versicherte später, Contenance bewahrt zu haben, doch bin ich dessen nicht ganz sicher, trotzdem ihm sein gutes Herz und seine Politesse den Sieg über sich erleichtert haben mögen. Die gute Schröder war nämlich ein Pendant zu der ungefähr um dieselbe Zeit in Berlin auftauchenden „Prinzessin mit dem Totenkopf“. Was bei dieser letzteren (die dann durch Dieffenbach, in einer berühmt gewordenen Cur, mittelst „plastischer </p> </div> </body> </text> </TEI> [133/0141]
schon in einem früheren Kapitel erzählt, einer Nervenkur halber in Berlin zurückgeblieben und die Frage trat gleich nach unserer Ankunft an meinen Vater heran, wer inzwischen die Wirthschaft führen solle. Lokalzeitungen gab es nicht, also mußte mündlich herumgefragt werden und schon wenige Tage später traf ein von einem Boten überbrachter Brief aus der Pudagla’schen Oberförsterei bei uns ein, worin der Oberförster Schröder anfragte, ob sich seine Schwester uns vorstellen dürfe, sie habe die Wirtschaft in seinem Hause gelernt. Mein Vater antwortete sofort zustimmend und war zwei Tage lang glücklich in der Vorstellung, eine Oberförster-Schwester, noch dazu aus Pudagla, als Wirthschafterin in sein Haus nehmen zu können. Das gab Relief; er fühlte sich wie geehrt. Und am dritten Tage fuhr die Schröder denn auch bei uns vor und wurde seitens meines Vaters empfangen. Er versicherte später, Contenance bewahrt zu haben, doch bin ich dessen nicht ganz sicher, trotzdem ihm sein gutes Herz und seine Politesse den Sieg über sich erleichtert haben mögen. Die gute Schröder war nämlich ein Pendant zu der ungefähr um dieselbe Zeit in Berlin auftauchenden „Prinzessin mit dem Totenkopf“. Was bei dieser letzteren (die dann durch Dieffenbach, in einer berühmt gewordenen Cur, mittelst „plastischer
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894/141>, abgerufen am 16.02.2025. |