Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894.

Bild:
<< vorherige Seite

Hauses machenden Verkäufern gegenüber, Vater und Sohn. Der Vater, noch ein schöner Mann, excellirte gleichmäßig in Umgangsformen und weißester Wäsche, während sein Sohn, auf den sich, von der Mutter her, eine das Kränkliche streifende Zartheit vererbt hatte, diese Zartheit durch etwas sehr Bestimmtes in seinem Wesen wieder wett zu machen wußte. Decidirt und verbindlich zugleich, diese Charaktermischung war es denn auch, die ihn, mehr noch als sein Reichthum, das schönste Mädchen der Stadt heimführen ließ, eine leuchtende, echt germanische Blondine, einzige Tochter des im Uebrigen mit Söhnen beinah allzureich gesegneten Scherenberg'schen Hauses.

Die Scherenbergs, denen ich mich nun zuwende, stammten ursprünglich aus Westfalen, wo sie, mehrere Jahrhunderte zurück, den noch jetzt bei einem Zweige der Familie verbliebenen Sieger-Hof besaßen. Andere Zweige verließen ihre heimatliche Provinz und übersiedelten theils westlich in's Jülich-Cleve'sche, theils östlich bis an die Oder hin, wo sie sich in Stettin und später in Swinemünde niederließen.

Das Haupt dieses Stettin-Swinemünder Familienzweiges war zu der Zeit, von der ich hier berichte, Johann Friedrich Scherenberg, ein 60er, dessen ältester

Hauses machenden Verkäufern gegenüber, Vater und Sohn. Der Vater, noch ein schöner Mann, excellirte gleichmäßig in Umgangsformen und weißester Wäsche, während sein Sohn, auf den sich, von der Mutter her, eine das Kränkliche streifende Zartheit vererbt hatte, diese Zartheit durch etwas sehr Bestimmtes in seinem Wesen wieder wett zu machen wußte. Decidirt und verbindlich zugleich, diese Charaktermischung war es denn auch, die ihn, mehr noch als sein Reichthum, das schönste Mädchen der Stadt heimführen ließ, eine leuchtende, echt germanische Blondine, einzige Tochter des im Uebrigen mit Söhnen beinah allzureich gesegneten Scherenberg’schen Hauses.

Die Scherenbergs, denen ich mich nun zuwende, stammten ursprünglich aus Westfalen, wo sie, mehrere Jahrhunderte zurück, den noch jetzt bei einem Zweige der Familie verbliebenen Sieger-Hof besaßen. Andere Zweige verließen ihre heimatliche Provinz und übersiedelten theils westlich in’s Jülich-Cleve’sche, theils östlich bis an die Oder hin, wo sie sich in Stettin und später in Swinemünde niederließen.

Das Haupt dieses Stettin-Swinemünder Familienzweiges war zu der Zeit, von der ich hier berichte, Johann Friedrich Scherenberg, ein 60er, dessen ältester

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0120" n="112"/>
Hauses machenden Verkäufern gegenüber, Vater und Sohn. Der Vater, noch ein schöner Mann, excellirte gleichmäßig in Umgangsformen und weißester Wäsche, während sein Sohn, auf den sich, von der Mutter her, eine das Kränkliche streifende Zartheit vererbt hatte, diese Zartheit durch etwas sehr Bestimmtes in seinem Wesen wieder wett zu machen wußte. Decidirt und verbindlich zugleich, diese Charaktermischung war es denn auch, die ihn, mehr noch als sein Reichthum, das schönste Mädchen der Stadt heimführen ließ, eine leuchtende, echt germanische Blondine, einzige Tochter des im Uebrigen mit Söhnen beinah allzureich gesegneten Scherenberg&#x2019;schen Hauses.</p>
        <p>Die <hi rendition="#g">Scherenbergs</hi>, denen ich mich nun zuwende, stammten ursprünglich aus Westfalen, wo sie, mehrere Jahrhunderte zurück, den noch jetzt bei einem Zweige der Familie verbliebenen Sieger-Hof besaßen. Andere Zweige verließen ihre heimatliche Provinz und übersiedelten theils westlich in&#x2019;s Jülich-Cleve&#x2019;sche, theils östlich bis an die Oder hin, wo sie sich in Stettin und später in Swinemünde niederließen.</p>
        <p>Das Haupt dieses Stettin-Swinemünder Familienzweiges war zu der Zeit, von der ich hier berichte, Johann Friedrich Scherenberg, ein 60er, dessen ältester
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[112/0120] Hauses machenden Verkäufern gegenüber, Vater und Sohn. Der Vater, noch ein schöner Mann, excellirte gleichmäßig in Umgangsformen und weißester Wäsche, während sein Sohn, auf den sich, von der Mutter her, eine das Kränkliche streifende Zartheit vererbt hatte, diese Zartheit durch etwas sehr Bestimmtes in seinem Wesen wieder wett zu machen wußte. Decidirt und verbindlich zugleich, diese Charaktermischung war es denn auch, die ihn, mehr noch als sein Reichthum, das schönste Mädchen der Stadt heimführen ließ, eine leuchtende, echt germanische Blondine, einzige Tochter des im Uebrigen mit Söhnen beinah allzureich gesegneten Scherenberg’schen Hauses. Die Scherenbergs, denen ich mich nun zuwende, stammten ursprünglich aus Westfalen, wo sie, mehrere Jahrhunderte zurück, den noch jetzt bei einem Zweige der Familie verbliebenen Sieger-Hof besaßen. Andere Zweige verließen ihre heimatliche Provinz und übersiedelten theils westlich in’s Jülich-Cleve’sche, theils östlich bis an die Oder hin, wo sie sich in Stettin und später in Swinemünde niederließen. Das Haupt dieses Stettin-Swinemünder Familienzweiges war zu der Zeit, von der ich hier berichte, Johann Friedrich Scherenberg, ein 60er, dessen ältester

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-01-21T13:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Digitale Drucke der Uni Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-21T13:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-21T13:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Worttrennungen am Zeilenende werden ignoriert. Das Wort wird noch auf der gleichen Seite vervollständigt.
  • Die Transkription folgt im Übrigen dem Original.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894/120
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894/120>, abgerufen am 24.11.2024.