Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

Dabei schoben beide die Karten bei Seit' und
der von dem herzukommenden Wedell als Serge
Begrüßte zog seine Remontoir-Uhr und sagte: "3 Uhr
15. Also Kaffee. Irgend ein Philosoph, und es
muß einer der größten gewesen sein, hat einmal ge¬
sagt, das sei das Beste am Kaffee, daß er in jede
Situation und Tagesstunde hineinpasse. Wahrhaftig,
Wort eines Weisen. Aber wo nehmen wir ihn?
Ich denke wir setzen uns draußen auf die Terrasse,
mitten in die Sonne. Je mehr man das Wetter
brüskirt, desto besser fährt man. Also, Pehlecke,
drei Tassen. Ich kann das Umfallen der Boule¬
kegel nicht mehr mit anhören, es macht mich nervös;
draußen haben wir freilich auch Lärm, aber doch
anders und hören statt des spitzen Klappertons das
Poltern und Donnern unserer unterirdischen Kegel¬
bahn, wobei wir uns einbilden können, am Vesuv
oder Aetna zu sitzen. Und warum auch nicht? Alle
Genüsse sind schließlich Einbildung und wer die beste
Phantasie hat, hat den größten Genuß. Nur das
Unwirkliche macht den Werth und ist eigentlich das
einzig Reale."

"Serge," sagte der andere, der beim Piquet¬
spielen als Pitt angeredet worden war, "wenn Du
mit Deinen berühmten großen Sätzen so fortfährst,
so bestrafst Du Wedell härter als er verdient.
Außerdem hast Du Rücksicht auf mich zu nehmen,

Dabei ſchoben beide die Karten bei Seit' und
der von dem herzukommenden Wedell als Serge
Begrüßte zog ſeine Remontoir-Uhr und ſagte: „3 Uhr
15. Alſo Kaffee. Irgend ein Philoſoph, und es
muß einer der größten geweſen ſein, hat einmal ge¬
ſagt, das ſei das Beſte am Kaffee, daß er in jede
Situation und Tagesſtunde hineinpaſſe. Wahrhaftig,
Wort eines Weiſen. Aber wo nehmen wir ihn?
Ich denke wir ſetzen uns draußen auf die Terraſſe,
mitten in die Sonne. Je mehr man das Wetter
brüskirt, deſto beſſer fährt man. Alſo, Pehlecke,
drei Taſſen. Ich kann das Umfallen der Boule¬
kegel nicht mehr mit anhören, es macht mich nervös;
draußen haben wir freilich auch Lärm, aber doch
anders und hören ſtatt des ſpitzen Klappertons das
Poltern und Donnern unſerer unterirdiſchen Kegel¬
bahn, wobei wir uns einbilden können, am Veſuv
oder Aetna zu ſitzen. Und warum auch nicht? Alle
Genüſſe ſind ſchließlich Einbildung und wer die beſte
Phantaſie hat, hat den größten Genuß. Nur das
Unwirkliche macht den Werth und iſt eigentlich das
einzig Reale.“

„Serge,“ ſagte der andere, der beim Piquet¬
ſpielen als Pitt angeredet worden war, „wenn Du
mit Deinen berühmten großen Sätzen ſo fortfährſt,
ſo beſtrafſt Du Wedell härter als er verdient.
Außerdem haſt Du Rückſicht auf mich zu nehmen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0086" n="76"/>
        <p>Dabei &#x017F;choben beide die Karten bei Seit' und<lb/>
der von dem herzukommenden Wedell als Serge<lb/>
Begrüßte zog &#x017F;eine Remontoir-Uhr und &#x017F;agte: &#x201E;3 Uhr<lb/>
15. Al&#x017F;o Kaffee. Irgend ein Philo&#x017F;oph, und es<lb/>
muß einer der größten gewe&#x017F;en &#x017F;ein, hat einmal ge¬<lb/>
&#x017F;agt, das &#x017F;ei das Be&#x017F;te am Kaffee, daß er in jede<lb/>
Situation und Tages&#x017F;tunde hineinpa&#x017F;&#x017F;e. Wahrhaftig,<lb/>
Wort eines Wei&#x017F;en. Aber wo nehmen wir ihn?<lb/>
Ich denke wir &#x017F;etzen uns draußen auf die Terra&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
mitten in die Sonne. Je mehr man das Wetter<lb/>
brüskirt, de&#x017F;to be&#x017F;&#x017F;er fährt man. Al&#x017F;o, Pehlecke,<lb/>
drei Ta&#x017F;&#x017F;en. Ich kann das Umfallen der Boule¬<lb/>
kegel nicht mehr mit anhören, es macht mich nervös;<lb/>
draußen haben wir freilich auch Lärm, aber doch<lb/>
anders und hören &#x017F;tatt des &#x017F;pitzen Klappertons das<lb/>
Poltern und Donnern un&#x017F;erer unterirdi&#x017F;chen Kegel¬<lb/>
bahn, wobei wir uns einbilden können, am Ve&#x017F;uv<lb/>
oder Aetna zu &#x017F;itzen. Und warum auch nicht? Alle<lb/>
Genü&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ind &#x017F;chließlich Einbildung und wer die be&#x017F;te<lb/>
Phanta&#x017F;ie hat, hat den größten Genuß. Nur das<lb/>
Unwirkliche macht den Werth und i&#x017F;t eigentlich das<lb/>
einzig Reale.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Serge,&#x201C; &#x017F;agte der andere, der beim Piquet¬<lb/>
&#x017F;pielen als Pitt angeredet worden war, &#x201E;wenn Du<lb/>
mit Deinen berühmten großen Sätzen &#x017F;o fortfähr&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;o be&#x017F;traf&#x017F;t Du Wedell härter als er verdient.<lb/>
Außerdem ha&#x017F;t Du Rück&#x017F;icht auf mich zu nehmen,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[76/0086] Dabei ſchoben beide die Karten bei Seit' und der von dem herzukommenden Wedell als Serge Begrüßte zog ſeine Remontoir-Uhr und ſagte: „3 Uhr 15. Alſo Kaffee. Irgend ein Philoſoph, und es muß einer der größten geweſen ſein, hat einmal ge¬ ſagt, das ſei das Beſte am Kaffee, daß er in jede Situation und Tagesſtunde hineinpaſſe. Wahrhaftig, Wort eines Weiſen. Aber wo nehmen wir ihn? Ich denke wir ſetzen uns draußen auf die Terraſſe, mitten in die Sonne. Je mehr man das Wetter brüskirt, deſto beſſer fährt man. Alſo, Pehlecke, drei Taſſen. Ich kann das Umfallen der Boule¬ kegel nicht mehr mit anhören, es macht mich nervös; draußen haben wir freilich auch Lärm, aber doch anders und hören ſtatt des ſpitzen Klappertons das Poltern und Donnern unſerer unterirdiſchen Kegel¬ bahn, wobei wir uns einbilden können, am Veſuv oder Aetna zu ſitzen. Und warum auch nicht? Alle Genüſſe ſind ſchließlich Einbildung und wer die beſte Phantaſie hat, hat den größten Genuß. Nur das Unwirkliche macht den Werth und iſt eigentlich das einzig Reale.“ „Serge,“ ſagte der andere, der beim Piquet¬ ſpielen als Pitt angeredet worden war, „wenn Du mit Deinen berühmten großen Sätzen ſo fortfährſt, ſo beſtrafſt Du Wedell härter als er verdient. Außerdem haſt Du Rückſicht auf mich zu nehmen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/86
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/86>, abgerufen am 23.11.2024.