gern darüber und pflegte zu versichern, "daß ihm sein Lotterieglück, weil es ihn zu beständig neuen Ankäufen verführt habe, theuer zu stehn gekommen sei," hinzusetzend, "daß es vielleicht mit jedem Glücke dasselbe sei."
Vor dem Sopha, dessen Plüsch mit einem per¬ sischen Teppich überdeckt war, stand auf einem Malachit- Tischchen das Kaffeegeschirr, während auf dem Sopha selbst allerlei politische Zeitungen umher lagen, unter ihnen auch solche, deren Vorkommen an dieser Stelle ziemlich verwunderlich war und nur aus dem Baron Botho'schen Lieblingssatze "Schnack gehe vor Politik" erklärt werden konnte. Geschichten, die den Stempel der Erfindung an der Stirn trugen, sogenannte "Perlen", amüsirten ihn am meisten. Ein Kanarienvogel, dessen Bauer während der Früh¬ stückszeit allemal offen stand, flog auch heute wieder auf Hand und Schulter seines ihn nur zu sehr verwöhnenden Herrn, der, anstatt ungeduldig zu werden, das Blatt jedesmal bei Seite that, um den kleinen Liebling zu streicheln. Unterließ er es aber, so drängte sich das Thierchen an Hals und Bart des Lesenden und piepte so lang und eigensinnig, bis ihm der Wille gethan war. "Alle Lieblinge sind gleich," sagte Baron Rienäcker, "und fordern Gehorsam und Unterwerfung."
In diesem Augenblicke ging die Korridorklingel
gern darüber und pflegte zu verſichern, „daß ihm ſein Lotterieglück, weil es ihn zu beſtändig neuen Ankäufen verführt habe, theuer zu ſtehn gekommen ſei,“ hinzuſetzend, „daß es vielleicht mit jedem Glücke daſſelbe ſei.“
Vor dem Sopha, deſſen Plüſch mit einem per¬ ſiſchen Teppich überdeckt war, ſtand auf einem Malachit- Tiſchchen das Kaffeegeſchirr, während auf dem Sopha ſelbſt allerlei politiſche Zeitungen umher lagen, unter ihnen auch ſolche, deren Vorkommen an dieſer Stelle ziemlich verwunderlich war und nur aus dem Baron Botho'ſchen Lieblingsſatze „Schnack gehe vor Politik“ erklärt werden konnte. Geſchichten, die den Stempel der Erfindung an der Stirn trugen, ſogenannte „Perlen“, amüſirten ihn am meiſten. Ein Kanarienvogel, deſſen Bauer während der Früh¬ ſtückszeit allemal offen ſtand, flog auch heute wieder auf Hand und Schulter ſeines ihn nur zu ſehr verwöhnenden Herrn, der, anſtatt ungeduldig zu werden, das Blatt jedesmal bei Seite that, um den kleinen Liebling zu ſtreicheln. Unterließ er es aber, ſo drängte ſich das Thierchen an Hals und Bart des Leſenden und piepte ſo lang und eigenſinnig, bis ihm der Wille gethan war. „Alle Lieblinge ſind gleich,“ ſagte Baron Rienäcker, „und fordern Gehorſam und Unterwerfung.“
In dieſem Augenblicke ging die Korridorklingel
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gern darüber und pflegte zu verſichern, „daß ihm
ſein Lotterieglück, weil es ihn zu beſtändig neuen
Ankäufen verführt habe, theuer zu ſtehn gekommen
ſei,“ hinzuſetzend, „daß es vielleicht mit jedem Glücke
daſſelbe ſei.“
Vor dem Sopha, deſſen Plüſch mit einem per¬
ſiſchen Teppich überdeckt war, ſtand auf einem Malachit-
Tiſchchen das Kaffeegeſchirr, während auf dem Sopha
ſelbſt allerlei politiſche Zeitungen umher lagen,
unter ihnen auch ſolche, deren Vorkommen an dieſer
Stelle ziemlich verwunderlich war und nur aus dem
Baron Botho'ſchen Lieblingsſatze „Schnack gehe vor
Politik“ erklärt werden konnte. Geſchichten, die
den Stempel der Erfindung an der Stirn trugen,
ſogenannte „Perlen“, amüſirten ihn am meiſten.
Ein Kanarienvogel, deſſen Bauer während der Früh¬
ſtückszeit allemal offen ſtand, flog auch heute wieder
auf Hand und Schulter ſeines ihn nur zu ſehr
verwöhnenden Herrn, der, anſtatt ungeduldig zu
werden, das Blatt jedesmal bei Seite that, um den
kleinen Liebling zu ſtreicheln. Unterließ er es aber,
ſo drängte ſich das Thierchen an Hals und Bart
des Leſenden und piepte ſo lang und eigenſinnig,
bis ihm der Wille gethan war. „Alle Lieblinge
ſind gleich,“ ſagte Baron Rienäcker, „und fordern
Gehorſam und Unterwerfung.“
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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/63>, abgerufen am 01.08.2024.
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