die wären alle für frische Luft und manche wären so für's Frische, daß ihnen im Winter das Deckbett an den Mund fröre. Denn Athem wäre dasselbe wie Wrasen, grade wie der, der aus der Tülle käm'. Also die Fenster müßten aufbleiben, davon ließe sie nicht. Aber wenn Lenechen so für's Innerliche was hätte, so 'was für Herz und Seele . . ."
"Gewiß, liebe Frau Dörr; alles was Sie wollen. Ich kann einen Thee machen oder einen Punsch, oder noch besser, ich habe ja noch das Kirschwasser, das Sie Mutter Nimptschen und mir letzten Weih¬ nachten zu der großen Mandelstolle geschenkt haben. . ."
Und ehe sich Frau Dörr zwischen Punsch und Thee entscheiden konnte, war auch die Kirschwasser- Flasche schon da, mit Gläsern, großen und kleinen, in die sich nun jeder nach Gutdünken hinein that. Und nun ging Lene, den rußigen Herdkessel in der Hand, reihum und goß das kochsprudelnde Wasser ein. "Nicht zu viel, Leneken, nicht zu viel. Immer auf's Ganze. Wasser nimmt die Kraft." Und im Nu füllte sich der Raum mit dem aufsteigenden Kirschmandel-Arom.
"Ah, das hast Du gut gemacht," sagte Botho, während er aus dem Glase nippte. "Weiß es Gott, ich habe gestern nichts gehabt und heute im Klub erst recht nicht, was mir so geschmeckt hätte. Hoch Lene! Das eigentliche Verdienst in der Sache hat
die wären alle für friſche Luft und manche wären ſo für's Friſche, daß ihnen im Winter das Deckbett an den Mund fröre. Denn Athem wäre daſſelbe wie Wraſen, grade wie der, der aus der Tülle käm'. Alſo die Fenſter müßten aufbleiben, davon ließe ſie nicht. Aber wenn Lenechen ſo für's Innerliche was hätte, ſo 'was für Herz und Seele . . .“
„Gewiß, liebe Frau Dörr; alles was Sie wollen. Ich kann einen Thee machen oder einen Punſch, oder noch beſſer, ich habe ja noch das Kirſchwaſſer, das Sie Mutter Nimptſchen und mir letzten Weih¬ nachten zu der großen Mandelſtolle geſchenkt haben. . .“
Und ehe ſich Frau Dörr zwiſchen Punſch und Thee entſcheiden konnte, war auch die Kirſchwaſſer- Flaſche ſchon da, mit Gläſern, großen und kleinen, in die ſich nun jeder nach Gutdünken hinein that. Und nun ging Lene, den rußigen Herdkeſſel in der Hand, reihum und goß das kochſprudelnde Waſſer ein. „Nicht zu viel, Leneken, nicht zu viel. Immer auf's Ganze. Waſſer nimmt die Kraft.“ Und im Nu füllte ſich der Raum mit dem aufſteigenden Kirſchmandel-Arom.
„Ah, das haſt Du gut gemacht,“ ſagte Botho, während er aus dem Glaſe nippte. „Weiß es Gott, ich habe geſtern nichts gehabt und heute im Klub erſt recht nicht, was mir ſo geſchmeckt hätte. Hoch Lene! Das eigentliche Verdienſt in der Sache hat
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die wären alle für friſche Luft und manche wären
ſo für's Friſche, daß ihnen im Winter das Deckbett
an den Mund fröre. Denn Athem wäre daſſelbe
wie Wraſen, grade wie der, der aus der Tülle käm'.
Alſo die Fenſter müßten aufbleiben, davon ließe ſie
nicht. Aber wenn Lenechen ſo für's Innerliche was
hätte, ſo 'was für Herz und Seele . . .“
„Gewiß, liebe Frau Dörr; alles was Sie wollen.
Ich kann einen Thee machen oder einen Punſch,
oder noch beſſer, ich habe ja noch das Kirſchwaſſer,
das Sie Mutter Nimptſchen und mir letzten Weih¬
nachten zu der großen Mandelſtolle geſchenkt haben. . .“
Und ehe ſich Frau Dörr zwiſchen Punſch und
Thee entſcheiden konnte, war auch die Kirſchwaſſer-
Flaſche ſchon da, mit Gläſern, großen und kleinen,
in die ſich nun jeder nach Gutdünken hinein that.
Und nun ging Lene, den rußigen Herdkeſſel in der
Hand, reihum und goß das kochſprudelnde Waſſer
ein. „Nicht zu viel, Leneken, nicht zu viel. Immer
auf's Ganze. Waſſer nimmt die Kraft.“ Und im
Nu füllte ſich der Raum mit dem aufſteigenden
Kirſchmandel-Arom.
„Ah, das haſt Du gut gemacht,“ ſagte Botho,
während er aus dem Glaſe nippte. „Weiß es Gott,
ich habe geſtern nichts gehabt und heute im Klub
erſt recht nicht, was mir ſo geſchmeckt hätte. Hoch
Lene! Das eigentliche Verdienſt in der Sache hat
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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/50>, abgerufen am 08.07.2024.
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