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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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Schatten ihn ein paar Minuten lang erquickt hatte,
jenseits derselben in den Hauptweg einer sehr be¬
lebten und in ihrer Verlängerung auf Rixdorf zu¬
laufenden Vorstadt einbog. Wagen, in doppelter
und dreifacher Reihe, bewegten sich vor ihm her,
bis mit einem Male alles stillstand und der Ver¬
kehr stockte. "Warum halten wir?" Aber ehe der
Kutscher antworten konnte, hörte Botho schon das
Fluchen und Schimpfen aus der Front her und
sah, daß alles in einander gefahren war. Sich
vorbeugend und dabei neugierig nach allen Seiten
hin ausspähend, würde ihm, bei der ihm eigenen
Vorliebe für das Volksthümliche, der ganze Zwischen¬
fall sehr wahrscheinlich mehr Vergnügen als Mi߬
stimmung bereitet haben, wenn ihn nicht ein vor
ihm haltender Wagen sowohl durch Ladung wie
Inschrift zu trübseliger Betrachtung angeregt hätte.
"Glasbruch-Ein- und Verkauf von Max Zippel in
Rixdorf" stand in großen Buchstaben auf einem
wandartigen Hinterbrett und ein ganzer Berg von
Scherben thürmte sich in dem Wagenkasten auf.
"Glück und Glas" . . . Und mit Widerstreben sah
er hin und dabei war ihm in allen Fingerspitzen
als schnitten ihn die Scherben.

Endlich aber kam die Wagenreihe nicht nur
wieder in Fluß, sondern der Schimmel that auch
sein Bestes, Versäumtes einzuholen, und eine kleine

Schatten ihn ein paar Minuten lang erquickt hatte,
jenſeits derſelben in den Hauptweg einer ſehr be¬
lebten und in ihrer Verlängerung auf Rixdorf zu¬
laufenden Vorſtadt einbog. Wagen, in doppelter
und dreifacher Reihe, bewegten ſich vor ihm her,
bis mit einem Male alles ſtillſtand und der Ver¬
kehr ſtockte. „Warum halten wir?“ Aber ehe der
Kutſcher antworten konnte, hörte Botho ſchon das
Fluchen und Schimpfen aus der Front her und
ſah, daß alles in einander gefahren war. Sich
vorbeugend und dabei neugierig nach allen Seiten
hin ausſpähend, würde ihm, bei der ihm eigenen
Vorliebe für das Volksthümliche, der ganze Zwiſchen¬
fall ſehr wahrſcheinlich mehr Vergnügen als Mi߬
ſtimmung bereitet haben, wenn ihn nicht ein vor
ihm haltender Wagen ſowohl durch Ladung wie
Inſchrift zu trübſeliger Betrachtung angeregt hätte.
„Glasbruch-Ein- und Verkauf von Max Zippel in
Rixdorf“ ſtand in großen Buchſtaben auf einem
wandartigen Hinterbrett und ein ganzer Berg von
Scherben thürmte ſich in dem Wagenkaſten auf.
„Glück und Glas“ . . . Und mit Widerſtreben ſah
er hin und dabei war ihm in allen Fingerſpitzen
als ſchnitten ihn die Scherben.

Endlich aber kam die Wagenreihe nicht nur
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[239/0249] Schatten ihn ein paar Minuten lang erquickt hatte, jenſeits derſelben in den Hauptweg einer ſehr be¬ lebten und in ihrer Verlängerung auf Rixdorf zu¬ laufenden Vorſtadt einbog. Wagen, in doppelter und dreifacher Reihe, bewegten ſich vor ihm her, bis mit einem Male alles ſtillſtand und der Ver¬ kehr ſtockte. „Warum halten wir?“ Aber ehe der Kutſcher antworten konnte, hörte Botho ſchon das Fluchen und Schimpfen aus der Front her und ſah, daß alles in einander gefahren war. Sich vorbeugend und dabei neugierig nach allen Seiten hin ausſpähend, würde ihm, bei der ihm eigenen Vorliebe für das Volksthümliche, der ganze Zwiſchen¬ fall ſehr wahrſcheinlich mehr Vergnügen als Mi߬ ſtimmung bereitet haben, wenn ihn nicht ein vor ihm haltender Wagen ſowohl durch Ladung wie Inſchrift zu trübſeliger Betrachtung angeregt hätte. „Glasbruch-Ein- und Verkauf von Max Zippel in Rixdorf“ ſtand in großen Buchſtaben auf einem wandartigen Hinterbrett und ein ganzer Berg von Scherben thürmte ſich in dem Wagenkaſten auf. „Glück und Glas“ . . . Und mit Widerſtreben ſah er hin und dabei war ihm in allen Fingerſpitzen als ſchnitten ihn die Scherben. Endlich aber kam die Wagenreihe nicht nur wieder in Fluß, ſondern der Schimmel that auch ſein Beſtes, Verſäumtes einzuholen, und eine kleine

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/249>, abgerufen am 23.11.2024.