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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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"Na, Lene, denn also abgemacht!" Ich aber schüttelte
den Kopf und sagte, daß das so schnell nicht ginge,
denn ich hätt ihm noch was zu bekennen. Und als
er fragte was, erzählt' ich ihm, ich hätte zweimal
ein Verhältniß gehabt: erst . . . na, Du weißt ja,
Mutter . . . und den ersten hätt' ich ganz gern ge¬
habt und den andern hätt' ich sehr geliebt und mein
Herz hinge noch an ihm. Aber er sei jetzt glücklich
verheirathet und ich hätt' ihn nie wiedergesehen,
außer ein einzig Mal, und ich wollt' ihn auch nicht
wiedersehn. Ihm aber, der es so gut mit uns
meine, hätt' ich das alles sagen müssen, weil ich
keinen und am wenigsten ihn hintergehen wolle . . ."

"Jott, Jott," weimerte die Alte dazwischen.

". . . Und gleich danach ist er aufgestanden und
in seine Wohnung 'rüber gegangen. Aber er war
nicht böse, was ich ganz deutlich sehen konnte. Nur
litt er's nicht, als ich ihn, wie sonst, bis an die
Flurthür bringen wollte."

Frau Nimptsch war ersichtlich in Angst und Un¬
ruhe, wobei sich freilich nicht recht erkennen ließ,
ob es um des eben Gehörten willen oder aus Athem¬
noth war. Es schien aber fast das Letztre, denn
mit einem Male sagte sie: "Lene, Kind, ich liege
nicht hoch genug. Du mußt mir noch das Gesang¬
buch unterlegen."

Lene widersprach nicht, ging vielmehr und holte

Fontane, Irrungen. 14

„Na, Lene, denn alſo abgemacht!“ Ich aber ſchüttelte
den Kopf und ſagte, daß das ſo ſchnell nicht ginge,
denn ich hätt ihm noch was zu bekennen. Und als
er fragte was, erzählt' ich ihm, ich hätte zweimal
ein Verhältniß gehabt: erſt . . . na, Du weißt ja,
Mutter . . . und den erſten hätt' ich ganz gern ge¬
habt und den andern hätt' ich ſehr geliebt und mein
Herz hinge noch an ihm. Aber er ſei jetzt glücklich
verheirathet und ich hätt' ihn nie wiedergeſehen,
außer ein einzig Mal, und ich wollt' ihn auch nicht
wiederſehn. Ihm aber, der es ſo gut mit uns
meine, hätt' ich das alles ſagen müſſen, weil ich
keinen und am wenigſten ihn hintergehen wolle . . .“

„Jott, Jott,“ weimerte die Alte dazwiſchen.

„. . . Und gleich danach iſt er aufgeſtanden und
in ſeine Wohnung 'rüber gegangen. Aber er war
nicht böſe, was ich ganz deutlich ſehen konnte. Nur
litt er's nicht, als ich ihn, wie ſonſt, bis an die
Flurthür bringen wollte.“

Frau Nimptſch war erſichtlich in Angſt und Un¬
ruhe, wobei ſich freilich nicht recht erkennen ließ,
ob es um des eben Gehörten willen oder aus Athem¬
noth war. Es ſchien aber faſt das Letztre, denn
mit einem Male ſagte ſie: „Lene, Kind, ich liege
nicht hoch genug. Du mußt mir noch das Geſang¬
buch unterlegen.“

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[209/0219] „Na, Lene, denn alſo abgemacht!“ Ich aber ſchüttelte den Kopf und ſagte, daß das ſo ſchnell nicht ginge, denn ich hätt ihm noch was zu bekennen. Und als er fragte was, erzählt' ich ihm, ich hätte zweimal ein Verhältniß gehabt: erſt . . . na, Du weißt ja, Mutter . . . und den erſten hätt' ich ganz gern ge¬ habt und den andern hätt' ich ſehr geliebt und mein Herz hinge noch an ihm. Aber er ſei jetzt glücklich verheirathet und ich hätt' ihn nie wiedergeſehen, außer ein einzig Mal, und ich wollt' ihn auch nicht wiederſehn. Ihm aber, der es ſo gut mit uns meine, hätt' ich das alles ſagen müſſen, weil ich keinen und am wenigſten ihn hintergehen wolle . . .“ „Jott, Jott,“ weimerte die Alte dazwiſchen. „. . . Und gleich danach iſt er aufgeſtanden und in ſeine Wohnung 'rüber gegangen. Aber er war nicht böſe, was ich ganz deutlich ſehen konnte. Nur litt er's nicht, als ich ihn, wie ſonſt, bis an die Flurthür bringen wollte.“ Frau Nimptſch war erſichtlich in Angſt und Un¬ ruhe, wobei ſich freilich nicht recht erkennen ließ, ob es um des eben Gehörten willen oder aus Athem¬ noth war. Es ſchien aber faſt das Letztre, denn mit einem Male ſagte ſie: „Lene, Kind, ich liege nicht hoch genug. Du mußt mir noch das Geſang¬ buch unterlegen.“ Lene widerſprach nicht, ging vielmehr und holte Fontane, Irrungen. 14

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/219>, abgerufen am 23.11.2024.