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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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leblos Dasitzende, während die Alte langsam nach¬
kam und über den Flur hinschlurrte.

"Wir müssen sie zu Bett bringen," rief Frau
Dörr und die Nimptsch wollte selber mit anfassen.
Aber so war das "wir" der stattlichen Frau Dörr
nicht gemeint gewesen. "Ich mache so was allein,
Mutter Nimptsch," und Lenen in ihre Arme nehmend,
trug sie sie nebenan in die Kammer und deckte sie
hier zu.

"So, Mutter Nimptsch. Nu 'ne heiße Stürze.
Das kenn' ich, das kommt von's Blut. Erst 'ne
Stürze un denn'n Ziegelstein an die Fußsohlen;
aber grad untern Spann, da sitzt das Leben . . .
Wovon is es denn eigentlich? Is gewiß 'ne Al¬
tration."

"Weiß nich. Sie hat nichts gesagt. Aber ich
denke mir, daß sie'n vielleicht gesehn hat."

"Richtig. Das is es. Das kenn' ich . . . Aber
nu die Fenster zu un 'runter mit's Rollo . . .
Manche sind für Kampfer und Hoffmannstropfen,
aber Kampfer schwächt so und is eigentlich blos
für Motten. Nein, liebe Nimptschen, was 'ne Natur
is un noch dazu solche junge, die muß sich immer
selber helfen un darum bin ich für schwitzen. Aber
orntlich. Un wovon kommt es? Von die Männer
kommt es. Un doch hat man sie nöthig un braucht
sie . . Na, sie kriegt ja schon wieder Farbe."

12 *

leblos Daſitzende, während die Alte langſam nach¬
kam und über den Flur hinſchlurrte.

„Wir müſſen ſie zu Bett bringen,“ rief Frau
Dörr und die Nimptſch wollte ſelber mit anfaſſen.
Aber ſo war das „wir“ der ſtattlichen Frau Dörr
nicht gemeint geweſen. „Ich mache ſo was allein,
Mutter Nimptſch,“ und Lenen in ihre Arme nehmend,
trug ſie ſie nebenan in die Kammer und deckte ſie
hier zu.

„So, Mutter Nimptſch. Nu 'ne heiße Stürze.
Das kenn' ich, das kommt von's Blut. Erſt 'ne
Stürze un denn'n Ziegelſtein an die Fußſohlen;
aber grad untern Spann, da ſitzt das Leben . . .
Wovon is es denn eigentlich? Is gewiß 'ne Al¬
tration.“

„Weiß nich. Sie hat nichts geſagt. Aber ich
denke mir, daß ſie'n vielleicht geſehn hat.“

„Richtig. Das is es. Das kenn' ich . . . Aber
nu die Fenſter zu un 'runter mit's Rollo . . .
Manche ſind für Kampfer und Hoffmannstropfen,
aber Kampfer ſchwächt ſo und is eigentlich blos
für Motten. Nein, liebe Nimptſchen, was 'ne Natur
is un noch dazu ſolche junge, die muß ſich immer
ſelber helfen un darum bin ich für ſchwitzen. Aber
orntlich. Un wovon kommt es? Von die Männer
kommt es. Un doch hat man ſie nöthig un braucht
ſie . . Na, ſie kriegt ja ſchon wieder Farbe.“

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[179/0189] leblos Daſitzende, während die Alte langſam nach¬ kam und über den Flur hinſchlurrte. „Wir müſſen ſie zu Bett bringen,“ rief Frau Dörr und die Nimptſch wollte ſelber mit anfaſſen. Aber ſo war das „wir“ der ſtattlichen Frau Dörr nicht gemeint geweſen. „Ich mache ſo was allein, Mutter Nimptſch,“ und Lenen in ihre Arme nehmend, trug ſie ſie nebenan in die Kammer und deckte ſie hier zu. „So, Mutter Nimptſch. Nu 'ne heiße Stürze. Das kenn' ich, das kommt von's Blut. Erſt 'ne Stürze un denn'n Ziegelſtein an die Fußſohlen; aber grad untern Spann, da ſitzt das Leben . . . Wovon is es denn eigentlich? Is gewiß 'ne Al¬ tration.“ „Weiß nich. Sie hat nichts geſagt. Aber ich denke mir, daß ſie'n vielleicht geſehn hat.“ „Richtig. Das is es. Das kenn' ich . . . Aber nu die Fenſter zu un 'runter mit's Rollo . . . Manche ſind für Kampfer und Hoffmannstropfen, aber Kampfer ſchwächt ſo und is eigentlich blos für Motten. Nein, liebe Nimptſchen, was 'ne Natur is un noch dazu ſolche junge, die muß ſich immer ſelber helfen un darum bin ich für ſchwitzen. Aber orntlich. Un wovon kommt es? Von die Männer kommt es. Un doch hat man ſie nöthig un braucht ſie . . Na, ſie kriegt ja ſchon wieder Farbe.“ 12 *

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/189>, abgerufen am 24.11.2024.