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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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Da sieht man Otterfellmützen und Manchesterjacken
mit silbernen Buckelknöpfen und allerlei Soldaten,
die grad' auf Urlaub sind, sind mit dabei: Schwedter
Dragoner und Fürstenwalder Ulanen, oder wohl
gar Potsdamer Husaren. Und alles ist eifersüchtig
und streitlustig und man weiß nicht, was ihnen
lieber ist, das Tanzen oder das Krakehlen, und bei
dem kleinsten Anlaß stehen die Dörfer gegen ein¬
ander und liefern sich ihre Bataillen. Und so toben
und lärmen sie die ganze Nacht durch und ganze
Pfannkuchenberge verschwinden und erst bei Morgen¬
grauen geht es über das Stromeis oder den Schnee
hin wieder nach Hause."

"Da seh' ich freilich," lachte Botho, "daß sich
von Einsamkeit und Todtenstille nicht gut sprechen
läßt. Ein Glück nur, daß ich von dem allen nicht
gewußt habe, sonst hätt' ich gar nicht den Muth
gehabt und wäre fortgeblieben. Und das wäre mir
doch leid gewesen, einen so hübschen Fleck Erde gar
nicht gesehen zu haben . . . Aber Sie sagten vorhin,
"was ist Leben ohne Schlaf," und ich fühle, daß
Sie Recht haben. Ich bin müde trotz früher
Stunde; das macht, glaub' ich, die Luft und das
Wasser. Und dann muß ich doch auch sehn . . . Ihre
liebe Frau hat sich so bemüht . . . Gute Nacht, Herr
Wirth. Ich habe mich verplaudert."

Da ſieht man Otterfellmützen und Mancheſterjacken
mit ſilbernen Buckelknöpfen und allerlei Soldaten,
die grad' auf Urlaub ſind, ſind mit dabei: Schwedter
Dragoner und Fürſtenwalder Ulanen, oder wohl
gar Potsdamer Huſaren. Und alles iſt eiferſüchtig
und ſtreitluſtig und man weiß nicht, was ihnen
lieber iſt, das Tanzen oder das Krakehlen, und bei
dem kleinſten Anlaß ſtehen die Dörfer gegen ein¬
ander und liefern ſich ihre Bataillen. Und ſo toben
und lärmen ſie die ganze Nacht durch und ganze
Pfannkuchenberge verſchwinden und erſt bei Morgen¬
grauen geht es über das Stromeis oder den Schnee
hin wieder nach Hauſe.“

„Da ſeh' ich freilich,“ lachte Botho, „daß ſich
von Einſamkeit und Todtenſtille nicht gut ſprechen
läßt. Ein Glück nur, daß ich von dem allen nicht
gewußt habe, ſonſt hätt' ich gar nicht den Muth
gehabt und wäre fortgeblieben. Und das wäre mir
doch leid geweſen, einen ſo hübſchen Fleck Erde gar
nicht geſehen zu haben . . . Aber Sie ſagten vorhin,
„was iſt Leben ohne Schlaf,“ und ich fühle, daß
Sie Recht haben. Ich bin müde trotz früher
Stunde; das macht, glaub' ich, die Luft und das
Waſſer. Und dann muß ich doch auch ſehn . . . Ihre
liebe Frau hat ſich ſo bemüht . . . Gute Nacht, Herr
Wirth. Ich habe mich verplaudert.“

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[120/0130] Da ſieht man Otterfellmützen und Mancheſterjacken mit ſilbernen Buckelknöpfen und allerlei Soldaten, die grad' auf Urlaub ſind, ſind mit dabei: Schwedter Dragoner und Fürſtenwalder Ulanen, oder wohl gar Potsdamer Huſaren. Und alles iſt eiferſüchtig und ſtreitluſtig und man weiß nicht, was ihnen lieber iſt, das Tanzen oder das Krakehlen, und bei dem kleinſten Anlaß ſtehen die Dörfer gegen ein¬ ander und liefern ſich ihre Bataillen. Und ſo toben und lärmen ſie die ganze Nacht durch und ganze Pfannkuchenberge verſchwinden und erſt bei Morgen¬ grauen geht es über das Stromeis oder den Schnee hin wieder nach Hauſe.“ „Da ſeh' ich freilich,“ lachte Botho, „daß ſich von Einſamkeit und Todtenſtille nicht gut ſprechen läßt. Ein Glück nur, daß ich von dem allen nicht gewußt habe, ſonſt hätt' ich gar nicht den Muth gehabt und wäre fortgeblieben. Und das wäre mir doch leid geweſen, einen ſo hübſchen Fleck Erde gar nicht geſehen zu haben . . . Aber Sie ſagten vorhin, „was iſt Leben ohne Schlaf,“ und ich fühle, daß Sie Recht haben. Ich bin müde trotz früher Stunde; das macht, glaub' ich, die Luft und das Waſſer. Und dann muß ich doch auch ſehn . . . Ihre liebe Frau hat ſich ſo bemüht . . . Gute Nacht, Herr Wirth. Ich habe mich verplaudert.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/130>, abgerufen am 13.05.2024.