Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

"Du hast es gewollt. Hier, nimm es. Nun bist
Du gebunden."

Er versuchte zu lachen, aber der Ernst, mit dem
sie das Gespräch geführt und die letzten Worte ge¬
sprochen hatte, war doch nicht ohne Eindruck auf ihn
geblieben.

"Es wird kühl," sagte er nach einer Weile.
"Der Wirth hatte Recht, Dir Jaquet und Plaid
nachzubringen. Komm, laß uns aufbrechen."

Und so gingen sie wieder auf die Stelle zu,
wo das Boot lag, und eilten sich, über den Fluß
zu kommen.

Jetzt erst, im Rückfahren, sahen sie, wie malerisch
das Gasthaus dalag, dem sie mit jedem Ruderschlage
näher kamen. Eine hohe groteske Mütze, so saß das
Schilfdach auf dem niedrigen Fachwerkbau, dessen
vier kleine Frontfenster sich eben zu erhellen begannen.
Und im selben Augenblicke wurden auch ein paar Wind¬
lichter in die Veranda getragen und durch das Ge¬
zweige der alten Ulme, das im Dunkel einem phan¬
tastischen Gitterwerke glich, blitzten allerlei Lichtstreifen
über den Strom hin.

Keiner sprach. Jeder aber hing seinem Glück
und der Frage nach, wie lange das Glück noch
dauern werde.

„Du haſt es gewollt. Hier, nimm es. Nun biſt
Du gebunden.“

Er verſuchte zu lachen, aber der Ernſt, mit dem
ſie das Geſpräch geführt und die letzten Worte ge¬
ſprochen hatte, war doch nicht ohne Eindruck auf ihn
geblieben.

„Es wird kühl,“ ſagte er nach einer Weile.
„Der Wirth hatte Recht, Dir Jaquet und Plaid
nachzubringen. Komm, laß uns aufbrechen.“

Und ſo gingen ſie wieder auf die Stelle zu,
wo das Boot lag, und eilten ſich, über den Fluß
zu kommen.

Jetzt erſt, im Rückfahren, ſahen ſie, wie maleriſch
das Gaſthaus dalag, dem ſie mit jedem Ruderſchlage
näher kamen. Eine hohe groteske Mütze, ſo ſaß das
Schilfdach auf dem niedrigen Fachwerkbau, deſſen
vier kleine Frontfenſter ſich eben zu erhellen begannen.
Und im ſelben Augenblicke wurden auch ein paar Wind¬
lichter in die Veranda getragen und durch das Ge¬
zweige der alten Ulme, das im Dunkel einem phan¬
taſtiſchen Gitterwerke glich, blitzten allerlei Lichtſtreifen
über den Strom hin.

Keiner ſprach. Jeder aber hing ſeinem Glück
und der Frage nach, wie lange das Glück noch
dauern werde.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0121" n="111"/>
&#x201E;Du ha&#x017F;t es gewollt. Hier, nimm es. Nun bi&#x017F;t<lb/>
Du gebunden.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Er ver&#x017F;uchte zu lachen, aber der Ern&#x017F;t, mit dem<lb/>
&#x017F;ie das Ge&#x017F;präch geführt und die letzten Worte ge¬<lb/>
&#x017F;prochen hatte, war doch nicht ohne Eindruck auf ihn<lb/>
geblieben.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Es wird kühl,&#x201C; &#x017F;agte er nach einer Weile.<lb/>
&#x201E;Der Wirth hatte Recht, Dir Jaquet und Plaid<lb/>
nachzubringen. Komm, laß uns aufbrechen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Und &#x017F;o gingen &#x017F;ie wieder auf die Stelle zu,<lb/>
wo das Boot lag, und eilten &#x017F;ich, über den Fluß<lb/>
zu kommen.</p><lb/>
        <p>Jetzt er&#x017F;t, im Rückfahren, &#x017F;ahen &#x017F;ie, wie maleri&#x017F;ch<lb/>
das Ga&#x017F;thaus dalag, dem &#x017F;ie mit jedem Ruder&#x017F;chlage<lb/>
näher kamen. Eine hohe groteske Mütze, &#x017F;o &#x017F;aß das<lb/>
Schilfdach auf dem niedrigen Fachwerkbau, de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
vier kleine Frontfen&#x017F;ter &#x017F;ich eben zu erhellen begannen.<lb/>
Und im &#x017F;elben Augenblicke wurden auch ein paar Wind¬<lb/>
lichter in die Veranda getragen und durch das Ge¬<lb/>
zweige der alten Ulme, das im Dunkel einem phan¬<lb/>
ta&#x017F;ti&#x017F;chen Gitterwerke glich, blitzten allerlei Licht&#x017F;treifen<lb/>
über den Strom hin.</p><lb/>
        <p>Keiner &#x017F;prach. Jeder aber hing &#x017F;einem Glück<lb/>
und der Frage nach, wie lange das Glück noch<lb/>
dauern werde.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[111/0121] „Du haſt es gewollt. Hier, nimm es. Nun biſt Du gebunden.“ Er verſuchte zu lachen, aber der Ernſt, mit dem ſie das Geſpräch geführt und die letzten Worte ge¬ ſprochen hatte, war doch nicht ohne Eindruck auf ihn geblieben. „Es wird kühl,“ ſagte er nach einer Weile. „Der Wirth hatte Recht, Dir Jaquet und Plaid nachzubringen. Komm, laß uns aufbrechen.“ Und ſo gingen ſie wieder auf die Stelle zu, wo das Boot lag, und eilten ſich, über den Fluß zu kommen. Jetzt erſt, im Rückfahren, ſahen ſie, wie maleriſch das Gaſthaus dalag, dem ſie mit jedem Ruderſchlage näher kamen. Eine hohe groteske Mütze, ſo ſaß das Schilfdach auf dem niedrigen Fachwerkbau, deſſen vier kleine Frontfenſter ſich eben zu erhellen begannen. Und im ſelben Augenblicke wurden auch ein paar Wind¬ lichter in die Veranda getragen und durch das Ge¬ zweige der alten Ulme, das im Dunkel einem phan¬ taſtiſchen Gitterwerke glich, blitzten allerlei Lichtſtreifen über den Strom hin. Keiner ſprach. Jeder aber hing ſeinem Glück und der Frage nach, wie lange das Glück noch dauern werde.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/121
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/121>, abgerufen am 13.05.2024.