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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest

"Ich kann es fast sagen. Aber Du darfst sie
nicht verderben. Nun, was hast Du noch? Ich
sehe, daß Du 'was auf dem Herzen hast."

"Gefiel Dir Effi? Gefiel Dir die ganze Ge¬
schichte ? Sie war so sonderbar, halb wie ein Kind,
und dann wieder sehr selbstbewußt und durchaus
nicht so bescheiden, wie sie's solchem Manne gegen¬
über sein müßte. Das kann doch nur so zusammen¬
hängen, daß sie noch nicht recht weiß, was sie an
ihm hat. Oder ist es einfach, daß sie ihn nicht recht
liebt? Das wäre schlimm. Denn bei all' seinen
Vorzügen, er ist nicht der Mann, sich diese Liebe
mit leichter Manier zu gewinnen."

Frau von Briest schwieg und zählte die Stiche
auf dem Kanevas. Endlich sagte sie: "Was Du da
sagst, Briest, ist das gescheiteste, was ich seit drei
Tagen von Dir gehört habe, Deine Rede bei Tisch
mit eingerechnet. Ich habe auch so meine Bedenken
gehabt. Aber ich glaube, wir können uns beruhigen."

"Hat sie Dir ihr Herz ausgeschüttet?"

"So möcht' ich es nicht nennen. Sie hat wohl
das Bedürfnis zu sprechen, aber sie hat nicht das
Bedürfnis, sich so recht von Herzen auszusprechen,
und macht vieles in sich selber ab; sie ist mitteilsam
und verschlossen zugleich, beinah' versteckt; überhaupt
ein ganz eigenes Gemisch."

Effi Brieſt

„Ich kann es faſt ſagen. Aber Du darfſt ſie
nicht verderben. Nun, was haſt Du noch? Ich
ſehe, daß Du 'was auf dem Herzen haſt.“

„Gefiel Dir Effi? Gefiel Dir die ganze Ge¬
ſchichte ? Sie war ſo ſonderbar, halb wie ein Kind,
und dann wieder ſehr ſelbſtbewußt und durchaus
nicht ſo beſcheiden, wie ſie's ſolchem Manne gegen¬
über ſein müßte. Das kann doch nur ſo zuſammen¬
hängen, daß ſie noch nicht recht weiß, was ſie an
ihm hat. Oder iſt es einfach, daß ſie ihn nicht recht
liebt? Das wäre ſchlimm. Denn bei all' ſeinen
Vorzügen, er iſt nicht der Mann, ſich dieſe Liebe
mit leichter Manier zu gewinnen.“

Frau von Brieſt ſchwieg und zählte die Stiche
auf dem Kanevas. Endlich ſagte ſie: „Was Du da
ſagſt, Brieſt, iſt das geſcheiteſte, was ich ſeit drei
Tagen von Dir gehört habe, Deine Rede bei Tiſch
mit eingerechnet. Ich habe auch ſo meine Bedenken
gehabt. Aber ich glaube, wir können uns beruhigen.“

„Hat ſie Dir ihr Herz ausgeſchüttet?“

„So möcht' ich es nicht nennen. Sie hat wohl
das Bedürfnis zu ſprechen, aber ſie hat nicht das
Bedürfnis, ſich ſo recht von Herzen auszuſprechen,
und macht vieles in ſich ſelber ab; ſie iſt mitteilſam
und verſchloſſen zugleich, beinah' verſteckt; überhaupt
ein ganz eigenes Gemiſch.“

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[57/0066] Effi Brieſt „Ich kann es faſt ſagen. Aber Du darfſt ſie nicht verderben. Nun, was haſt Du noch? Ich ſehe, daß Du 'was auf dem Herzen haſt.“ „Gefiel Dir Effi? Gefiel Dir die ganze Ge¬ ſchichte ? Sie war ſo ſonderbar, halb wie ein Kind, und dann wieder ſehr ſelbſtbewußt und durchaus nicht ſo beſcheiden, wie ſie's ſolchem Manne gegen¬ über ſein müßte. Das kann doch nur ſo zuſammen¬ hängen, daß ſie noch nicht recht weiß, was ſie an ihm hat. Oder iſt es einfach, daß ſie ihn nicht recht liebt? Das wäre ſchlimm. Denn bei all' ſeinen Vorzügen, er iſt nicht der Mann, ſich dieſe Liebe mit leichter Manier zu gewinnen.“ Frau von Brieſt ſchwieg und zählte die Stiche auf dem Kanevas. Endlich ſagte ſie: „Was Du da ſagſt, Brieſt, iſt das geſcheiteſte, was ich ſeit drei Tagen von Dir gehört habe, Deine Rede bei Tiſch mit eingerechnet. Ich habe auch ſo meine Bedenken gehabt. Aber ich glaube, wir können uns beruhigen.“ „Hat ſie Dir ihr Herz ausgeſchüttet?“ „So möcht' ich es nicht nennen. Sie hat wohl das Bedürfnis zu ſprechen, aber ſie hat nicht das Bedürfnis, ſich ſo recht von Herzen auszuſprechen, und macht vieles in ſich ſelber ab; ſie iſt mitteilſam und verſchloſſen zugleich, beinah' verſteckt; überhaupt ein ganz eigenes Gemiſch.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/66>, abgerufen am 23.11.2024.