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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest

Effi faltete den Brief wieder zusammen, um
ihn in das Kouvert zu stecken.

"Das ist ein sehr hübscher Brief," sagte Frau
von Briest, "und daß er in allem das richtige Maß
hält, das ist ein Vorzug mehr."

"Ja, das rechte Maß, das hält er."

"Meine liebe Effi, laß mich eine Frage thun;
wünschtest Du, daß der Brief nicht das richtige
Maß hielte, wünschtest Du, daß er zärtlicher wäre,
vielleicht überschwenglich zärtlich?"

"Nein, nein, Mama. Wahr und wahrhaftig
nicht, das wünsche ich nicht. Da ist es doch besser so."

"Da ist es doch besser so. Wie das nun wieder
klingt. Du bist so sonderbar. Und daß Du vorhin
weintest. Hast Du was auf Deinem Herzen? Noch
ist es Zeit. Liebst Du Geert nicht?"

"Warum soll ich ihn nicht lieben? Ich liebe
Hulda, und ich liebe Bertha, und ich liebe Hertha.
Und ich liebe auch den alten Niemeyer. Und daß
ich Euch liebe, davon spreche ich gar nicht erst. Ich
liebe alle, die's gut mit mir meinen und gütig gegen
mich sind und mich verwöhnen. Und Geert wird
mich auch wohl verwöhnen. Natürlich auf seine Art.
Er will mir ja schon Schmuck schenken in Venedig.
Er hat keine Ahnung davon, daß ich mir nichts aus
Schmuck mache. Ich klettre lieber und ich schaukle

Th. Fontane, Effi Briest. 4
Effi Brieſt

Effi faltete den Brief wieder zuſammen, um
ihn in das Kouvert zu ſtecken.

„Das iſt ein ſehr hübſcher Brief,“ ſagte Frau
von Brieſt, „und daß er in allem das richtige Maß
hält, das iſt ein Vorzug mehr.“

„Ja, das rechte Maß, das hält er.“

„Meine liebe Effi, laß mich eine Frage thun;
wünſchteſt Du, daß der Brief nicht das richtige
Maß hielte, wünſchteſt Du, daß er zärtlicher wäre,
vielleicht überſchwenglich zärtlich?“

„Nein, nein, Mama. Wahr und wahrhaftig
nicht, das wünſche ich nicht. Da iſt es doch beſſer ſo.“

„Da iſt es doch beſſer ſo. Wie das nun wieder
klingt. Du biſt ſo ſonderbar. Und daß Du vorhin
weinteſt. Haſt Du was auf Deinem Herzen? Noch
iſt es Zeit. Liebſt Du Geert nicht?“

„Warum ſoll ich ihn nicht lieben? Ich liebe
Hulda, und ich liebe Bertha, und ich liebe Hertha.
Und ich liebe auch den alten Niemeyer. Und daß
ich Euch liebe, davon ſpreche ich gar nicht erſt. Ich
liebe alle, die's gut mit mir meinen und gütig gegen
mich ſind und mich verwöhnen. Und Geert wird
mich auch wohl verwöhnen. Natürlich auf ſeine Art.
Er will mir ja ſchon Schmuck ſchenken in Venedig.
Er hat keine Ahnung davon, daß ich mir nichts aus
Schmuck mache. Ich klettre lieber und ich ſchaukle

Th. Fontane, Effi Brieſt. 4
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[49/0058] Effi Brieſt Effi faltete den Brief wieder zuſammen, um ihn in das Kouvert zu ſtecken. „Das iſt ein ſehr hübſcher Brief,“ ſagte Frau von Brieſt, „und daß er in allem das richtige Maß hält, das iſt ein Vorzug mehr.“ „Ja, das rechte Maß, das hält er.“ „Meine liebe Effi, laß mich eine Frage thun; wünſchteſt Du, daß der Brief nicht das richtige Maß hielte, wünſchteſt Du, daß er zärtlicher wäre, vielleicht überſchwenglich zärtlich?“ „Nein, nein, Mama. Wahr und wahrhaftig nicht, das wünſche ich nicht. Da iſt es doch beſſer ſo.“ „Da iſt es doch beſſer ſo. Wie das nun wieder klingt. Du biſt ſo ſonderbar. Und daß Du vorhin weinteſt. Haſt Du was auf Deinem Herzen? Noch iſt es Zeit. Liebſt Du Geert nicht?“ „Warum ſoll ich ihn nicht lieben? Ich liebe Hulda, und ich liebe Bertha, und ich liebe Hertha. Und ich liebe auch den alten Niemeyer. Und daß ich Euch liebe, davon ſpreche ich gar nicht erſt. Ich liebe alle, die's gut mit mir meinen und gütig gegen mich ſind und mich verwöhnen. Und Geert wird mich auch wohl verwöhnen. Natürlich auf ſeine Art. Er will mir ja ſchon Schmuck ſchenken in Venedig. Er hat keine Ahnung davon, daß ich mir nichts aus Schmuck mache. Ich klettre lieber und ich ſchaukle Th. Fontane, Effi Brieſt. 4

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/58>, abgerufen am 23.11.2024.