Augenblicke kam Wilke und brachte Briefe. Der eine war aus Kessin von Innstetten. "Ach, von Geert," sagte Effi, und während sie den Brief bei Seite steckte, fuhr sie in ruhigem Tone fort: "Aber das wirst Du doch gestatten, daß ich den Flügel schräg in die Stube stelle. Daran liegt mir mehr als an einem Kamin, den mir Geert versprochen hat. Und das Bild von Dir, das stell' ich dann auf eine Staffelei; ganz ohne Dich kann ich nicht sein. Ach, wie werd' ich mich nach Euch sehnen, vielleicht auf der Reise schon und dann in Kessin ganz gewiß. Es soll ja keine Garnison haben, nicht einmal einen Stabsarzt, und ein Glück, daß es wenigstens ein Badeort ist. Vetter Briest, und daran will ich mich aufrichten, dessen Mutter und Schwester immer nach Warnemünde gehen -- nun, ich sehe doch wirklich nicht ein, warum der die lieben Verwandten nicht auch einmal nach Kessin hin dirigieren sollte. Dirigieren, das klingt ohnehin so nach Generalstab, worauf er, glaub' ich, ambiert. Und dann kommt er natürlich mit und wohnt bei uns. Übrigens haben die Kes¬ siner, wie mir neulich erst wer erzählt hat, ein ziem¬ lich großes Dampfschiff, das zweimal die Woche nach Schweden hinüberfährt. Und auf dem Schiffe ist dann Ball (sie haben da natürlich auch Musik) und er tanzt sehr gut ..."
Effi Brieſt
Augenblicke kam Wilke und brachte Briefe. Der eine war aus Keſſin von Innſtetten. „Ach, von Geert,“ ſagte Effi, und während ſie den Brief bei Seite ſteckte, fuhr ſie in ruhigem Tone fort: „Aber das wirſt Du doch geſtatten, daß ich den Flügel ſchräg in die Stube ſtelle. Daran liegt mir mehr als an einem Kamin, den mir Geert verſprochen hat. Und das Bild von Dir, das ſtell' ich dann auf eine Staffelei; ganz ohne Dich kann ich nicht ſein. Ach, wie werd' ich mich nach Euch ſehnen, vielleicht auf der Reiſe ſchon und dann in Keſſin ganz gewiß. Es ſoll ja keine Garniſon haben, nicht einmal einen Stabsarzt, und ein Glück, daß es wenigſtens ein Badeort iſt. Vetter Brieſt, und daran will ich mich aufrichten, deſſen Mutter und Schweſter immer nach Warnemünde gehen — nun, ich ſehe doch wirklich nicht ein, warum der die lieben Verwandten nicht auch einmal nach Keſſin hin dirigieren ſollte. Dirigieren, das klingt ohnehin ſo nach Generalſtab, worauf er, glaub' ich, ambiert. Und dann kommt er natürlich mit und wohnt bei uns. Übrigens haben die Keſ¬ ſiner, wie mir neulich erſt wer erzählt hat, ein ziem¬ lich großes Dampfſchiff, das zweimal die Woche nach Schweden hinüberfährt. Und auf dem Schiffe iſt dann Ball (ſie haben da natürlich auch Muſik) und er tanzt ſehr gut …“
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[44/0053]
Effi Brieſt
Augenblicke kam Wilke und brachte Briefe. Der eine
war aus Keſſin von Innſtetten. „Ach, von Geert,“
ſagte Effi, und während ſie den Brief bei Seite
ſteckte, fuhr ſie in ruhigem Tone fort: „Aber das
wirſt Du doch geſtatten, daß ich den Flügel ſchräg
in die Stube ſtelle. Daran liegt mir mehr als an
einem Kamin, den mir Geert verſprochen hat. Und
das Bild von Dir, das ſtell' ich dann auf eine
Staffelei; ganz ohne Dich kann ich nicht ſein. Ach,
wie werd' ich mich nach Euch ſehnen, vielleicht auf
der Reiſe ſchon und dann in Keſſin ganz gewiß.
Es ſoll ja keine Garniſon haben, nicht einmal einen
Stabsarzt, und ein Glück, daß es wenigſtens ein
Badeort iſt. Vetter Brieſt, und daran will ich mich
aufrichten, deſſen Mutter und Schweſter immer nach
Warnemünde gehen — nun, ich ſehe doch wirklich
nicht ein, warum der die lieben Verwandten nicht
auch einmal nach Keſſin hin dirigieren ſollte. Dirigieren,
das klingt ohnehin ſo nach Generalſtab, worauf er,
glaub' ich, ambiert. Und dann kommt er natürlich
mit und wohnt bei uns. Übrigens haben die Keſ¬
ſiner, wie mir neulich erſt wer erzählt hat, ein ziem¬
lich großes Dampfſchiff, das zweimal die Woche nach
Schweden hinüberfährt. Und auf dem Schiffe iſt
dann Ball (ſie haben da natürlich auch Muſik) und
er tanzt ſehr gut …“
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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/53>, abgerufen am 20.07.2024.
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