Und da wollt' ich Dir denn sagen: ich sterbe mit Gott und Menschen versöhnt, auch versöhnt mit ihm."
"Warst Du denn in Deiner Seele in so großer Bitterkeit mit ihm? Eigentlich, verzeihe mir, meine liebe Effi, daß ich das jetzt noch sage, eigentlich hast Du doch Euer Leid heraufbeschworen."
Effi nickte. "Ja, Mama. Und traurig, daß es so ist. Aber als dann all' das Schreckliche kam, und zuletzt das mit Annie, Du weißt schon, da hab' ich doch, wenn ich das lächerliche Wort gebrauchen darf, den Spieß umgekehrt und habe mich ganz ernst¬ haft in den Gedanken hinein gelebt, er sei schuld, weil er nüchtern und berechnend gewesen sei und zuletzt auch noch grausam. Und da sind Verwünschungen gegen ihn über meine Lippen gekommen."
"Und das bedrückt Dich jetzt?"
"Ja. Und es liegt mir daran, daß er erfährt, wie mir hier in meinen Krankheitstagen, die doch fast meine schönsten gewesen sind, wie mir hier klar geworden, daß er in allem recht gehandelt. In der Geschichte mit dem armen Crampas -- ja, was sollt' er am Ende anders thun? Und dann, womit er mich am tiefsten verletzte, daß er mein eigen Kind in einer Art Abwehr gegen mich erzogen hat, so hart es mir ankommt und so weh' es mir thut, er hat auch darin recht gehabt. Laß ihn das wissen, daß
Effi Brieſt
Und da wollt' ich Dir denn ſagen: ich ſterbe mit Gott und Menſchen verſöhnt, auch verſöhnt mit ihm.“
„Warſt Du denn in Deiner Seele in ſo großer Bitterkeit mit ihm? Eigentlich, verzeihe mir, meine liebe Effi, daß ich das jetzt noch ſage, eigentlich haſt Du doch Euer Leid heraufbeſchworen.“
Effi nickte. „Ja, Mama. Und traurig, daß es ſo iſt. Aber als dann all' das Schreckliche kam, und zuletzt das mit Annie, Du weißt ſchon, da hab' ich doch, wenn ich das lächerliche Wort gebrauchen darf, den Spieß umgekehrt und habe mich ganz ernſt¬ haft in den Gedanken hinein gelebt, er ſei ſchuld, weil er nüchtern und berechnend geweſen ſei und zuletzt auch noch grauſam. Und da ſind Verwünſchungen gegen ihn über meine Lippen gekommen.“
„Und das bedrückt Dich jetzt?“
„Ja. Und es liegt mir daran, daß er erfährt, wie mir hier in meinen Krankheitstagen, die doch faſt meine ſchönſten geweſen ſind, wie mir hier klar geworden, daß er in allem recht gehandelt. In der Geſchichte mit dem armen Crampas — ja, was ſollt' er am Ende anders thun? Und dann, womit er mich am tiefſten verletzte, daß er mein eigen Kind in einer Art Abwehr gegen mich erzogen hat, ſo hart es mir ankommt und ſo weh' es mir thut, er hat auch darin recht gehabt. Laß ihn das wiſſen, daß
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0526"n="517"/><fwplace="top"type="header">Effi Brieſt<lb/></fw> Und da wollt' ich Dir denn ſagen: ich ſterbe mit<lb/>
Gott und Menſchen verſöhnt, auch verſöhnt mit <hirendition="#g">ihm</hi>.“</p><lb/><p>„Warſt Du denn in Deiner Seele in ſo großer<lb/>
Bitterkeit mit ihm? Eigentlich, verzeihe mir, meine<lb/>
liebe Effi, daß ich das jetzt noch ſage, eigentlich haſt<lb/>
Du doch Euer Leid heraufbeſchworen.“</p><lb/><p>Effi nickte. „Ja, Mama. Und traurig, daß<lb/>
es ſo iſt. Aber als dann all' das Schreckliche kam,<lb/>
und zuletzt das mit Annie, Du weißt ſchon, da hab'<lb/>
ich doch, wenn ich das lächerliche Wort gebrauchen<lb/>
darf, den Spieß umgekehrt und habe mich ganz ernſt¬<lb/>
haft in den Gedanken hinein gelebt, er ſei ſchuld, weil<lb/>
er nüchtern und berechnend geweſen ſei und zuletzt<lb/>
auch noch grauſam. Und da ſind Verwünſchungen<lb/>
gegen ihn über meine Lippen gekommen.“</p><lb/><p>„Und das bedrückt Dich jetzt?“</p><lb/><p>„Ja. Und es liegt mir daran, daß er erfährt,<lb/>
wie mir hier in meinen Krankheitstagen, die doch<lb/>
faſt meine ſchönſten geweſen ſind, wie mir hier klar<lb/>
geworden, daß er in allem recht gehandelt. In der<lb/>
Geſchichte mit dem armen Crampas — ja, was<lb/>ſollt' er am Ende anders thun? Und dann, womit<lb/>
er mich am tiefſten verletzte, daß er mein eigen Kind<lb/>
in einer Art Abwehr gegen mich erzogen hat, ſo hart<lb/>
es mir ankommt und ſo weh' es mir thut, er hat<lb/>
auch darin recht gehabt. Laß ihn das wiſſen, daß<lb/></p></div></body></text></TEI>
[517/0526]
Effi Brieſt
Und da wollt' ich Dir denn ſagen: ich ſterbe mit
Gott und Menſchen verſöhnt, auch verſöhnt mit ihm.“
„Warſt Du denn in Deiner Seele in ſo großer
Bitterkeit mit ihm? Eigentlich, verzeihe mir, meine
liebe Effi, daß ich das jetzt noch ſage, eigentlich haſt
Du doch Euer Leid heraufbeſchworen.“
Effi nickte. „Ja, Mama. Und traurig, daß
es ſo iſt. Aber als dann all' das Schreckliche kam,
und zuletzt das mit Annie, Du weißt ſchon, da hab'
ich doch, wenn ich das lächerliche Wort gebrauchen
darf, den Spieß umgekehrt und habe mich ganz ernſt¬
haft in den Gedanken hinein gelebt, er ſei ſchuld, weil
er nüchtern und berechnend geweſen ſei und zuletzt
auch noch grauſam. Und da ſind Verwünſchungen
gegen ihn über meine Lippen gekommen.“
„Und das bedrückt Dich jetzt?“
„Ja. Und es liegt mir daran, daß er erfährt,
wie mir hier in meinen Krankheitstagen, die doch
faſt meine ſchönſten geweſen ſind, wie mir hier klar
geworden, daß er in allem recht gehandelt. In der
Geſchichte mit dem armen Crampas — ja, was
ſollt' er am Ende anders thun? Und dann, womit
er mich am tiefſten verletzte, daß er mein eigen Kind
in einer Art Abwehr gegen mich erzogen hat, ſo hart
es mir ankommt und ſo weh' es mir thut, er hat
auch darin recht gehabt. Laß ihn das wiſſen, daß
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 517. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/526>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.