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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
war ihr zu Sinn, als müsse sie die Augen schließen
und in einem süßen Vergessen hinübergehen. In
Nähe der Station, hart an der Chaussee, lag eine
Chausseewalze. Das war ihr täglicher Rasteplatz,
von dem aus sie das Treiben auf dem Bahndamm
verfolgen konnte; Züge kamen und gingen, und
mitunter sah sie zwei Rauchfahnen, die sich einen
Augenblick wie deckten und dann nach links und
rechts hin wieder auseinandergingen, bis sie hinter
Dorf und Wäldchen verschwanden. Rollo saß dann
neben ihr, an ihrem Frühstück teilnehmend, und wenn
er den letzten Bissen aufgefangen hatte, fuhr er, wohl
um sich dankbar zu bezeigen, irgend eine Ackerfurche
wie ein Rasender hinauf und hielt nur inne, wenn
ein paar beim Brüten gestörte Rebhühner dicht neben
ihm aus einer Nachbarfurche aufflogen.


"Wie schön dieser Sommer! Daß ich noch so
glücklich sein könnte, liebe Mama, vor einem Jahre
hätte ich's nicht gedacht," -- das sagte Effi jeden
Tag, wenn sie mit der Mama um den Teich schritt
oder einen Frühapfel vom Zweig brach und tapfer
einbiß. Denn sie hatte die schönsten Zähne. Frau
von Briest streichelte ihr dann die Hand und sagte:
"Werde nur erst wieder gesund, Effi, ganz gesund;

Effi Brieſt
war ihr zu Sinn, als müſſe ſie die Augen ſchließen
und in einem ſüßen Vergeſſen hinübergehen. In
Nähe der Station, hart an der Chauſſee, lag eine
Chauſſeewalze. Das war ihr täglicher Raſteplatz,
von dem aus ſie das Treiben auf dem Bahndamm
verfolgen konnte; Züge kamen und gingen, und
mitunter ſah ſie zwei Rauchfahnen, die ſich einen
Augenblick wie deckten und dann nach links und
rechts hin wieder auseinandergingen, bis ſie hinter
Dorf und Wäldchen verſchwanden. Rollo ſaß dann
neben ihr, an ihrem Frühſtück teilnehmend, und wenn
er den letzten Biſſen aufgefangen hatte, fuhr er, wohl
um ſich dankbar zu bezeigen, irgend eine Ackerfurche
wie ein Raſender hinauf und hielt nur inne, wenn
ein paar beim Brüten geſtörte Rebhühner dicht neben
ihm aus einer Nachbarfurche aufflogen.


„Wie ſchön dieſer Sommer! Daß ich noch ſo
glücklich ſein könnte, liebe Mama, vor einem Jahre
hätte ich's nicht gedacht,“ — das ſagte Effi jeden
Tag, wenn ſie mit der Mama um den Teich ſchritt
oder einen Frühapfel vom Zweig brach und tapfer
einbiß. Denn ſie hatte die ſchönſten Zähne. Frau
von Brieſt ſtreichelte ihr dann die Hand und ſagte:
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[512/0521] Effi Brieſt war ihr zu Sinn, als müſſe ſie die Augen ſchließen und in einem ſüßen Vergeſſen hinübergehen. In Nähe der Station, hart an der Chauſſee, lag eine Chauſſeewalze. Das war ihr täglicher Raſteplatz, von dem aus ſie das Treiben auf dem Bahndamm verfolgen konnte; Züge kamen und gingen, und mitunter ſah ſie zwei Rauchfahnen, die ſich einen Augenblick wie deckten und dann nach links und rechts hin wieder auseinandergingen, bis ſie hinter Dorf und Wäldchen verſchwanden. Rollo ſaß dann neben ihr, an ihrem Frühſtück teilnehmend, und wenn er den letzten Biſſen aufgefangen hatte, fuhr er, wohl um ſich dankbar zu bezeigen, irgend eine Ackerfurche wie ein Raſender hinauf und hielt nur inne, wenn ein paar beim Brüten geſtörte Rebhühner dicht neben ihm aus einer Nachbarfurche aufflogen. „Wie ſchön dieſer Sommer! Daß ich noch ſo glücklich ſein könnte, liebe Mama, vor einem Jahre hätte ich's nicht gedacht,“ — das ſagte Effi jeden Tag, wenn ſie mit der Mama um den Teich ſchritt oder einen Frühapfel vom Zweig brach und tapfer einbiß. Denn ſie hatte die ſchönſten Zähne. Frau von Brieſt ſtreichelte ihr dann die Hand und ſagte: „Werde nur erſt wieder geſund, Effi, ganz geſund;

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 512. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/521>, abgerufen am 24.11.2024.