Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.Effi Briest ziemlich gleich kam oder doch zu solcher hinüberleitete. Daß alle diese Dinge vor Effi geheim ge¬ halten wurden, braucht nicht erst gesagt zu werden. Bei mehr Neugier auf Seiten dieser Letzteren wäre das nun freilich ganz unmöglich gewesen, aber Effi hatte so wenig Verlangen, in die Vorbereitungen und ge¬ planten Überraschungen einzudringen, daß sie der Mama mit allem Nachdruck erklärte, "sie könne es abwarten", und wenn diese dann zweifelte, so schloß Effi mit der wiederholten Versicherung: es wäre wirklich so; die Mama könne es glauben. Und warum auch nicht? Es sei ja doch alles nur Theateraufführung und hübscher und poetischer als "Aschenbrödel", das sie noch am letzten Abend in Berlin gesehen hätte, hübscher und poetischer könne es ja doch nicht sein. Da hätte sie wirklich selber mitspielen mögen, wenn auch nur, um dem lächerlichen Pensionslehrer einen Kreidestrich auf den Rücken zu machen. "Und wie reizend im letzten Akt ,Aschenbrödel's Erwachen als Prinzessin' oder doch wenigstens als Gräfin; wirklich, es war ganz wie ein Märchen." In dieser Weise sprach sie oft, war meist ausgelassener als vordem und ärgerte sich blos über das beständige Tuscheln und Geheimthun der Freundinnen. "Ich wollte, sie hätten sich weniger wichtig und wären mehr für mich da. Nachher bleiben sie doch blos stecken, und Effi Brieſt ziemlich gleich kam oder doch zu ſolcher hinüberleitete. Daß alle dieſe Dinge vor Effi geheim ge¬ halten wurden, braucht nicht erſt geſagt zu werden. Bei mehr Neugier auf Seiten dieſer Letzteren wäre das nun freilich ganz unmöglich geweſen, aber Effi hatte ſo wenig Verlangen, in die Vorbereitungen und ge¬ planten Überraſchungen einzudringen, daß ſie der Mama mit allem Nachdruck erklärte, „ſie könne es abwarten“, und wenn dieſe dann zweifelte, ſo ſchloß Effi mit der wiederholten Verſicherung: es wäre wirklich ſo; die Mama könne es glauben. Und warum auch nicht? Es ſei ja doch alles nur Theateraufführung und hübſcher und poetiſcher als „Aſchenbrödel“, das ſie noch am letzten Abend in Berlin geſehen hätte, hübſcher und poetiſcher könne es ja doch nicht ſein. Da hätte ſie wirklich ſelber mitſpielen mögen, wenn auch nur, um dem lächerlichen Penſionslehrer einen Kreideſtrich auf den Rücken zu machen. „Und wie reizend im letzten Akt ,Aſchenbrödel's Erwachen als Prinzeſſin‘ oder doch wenigſtens als Gräfin; wirklich, es war ganz wie ein Märchen.“ In dieſer Weiſe ſprach ſie oft, war meiſt ausgelaſſener als vordem und ärgerte ſich blos über das beſtändige Tuſcheln und Geheimthun der Freundinnen. „Ich wollte, ſie hätten ſich weniger wichtig und wären mehr für mich da. Nachher bleiben ſie doch blos ſtecken, und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0046" n="37"/><fw place="top" type="header">Effi Brieſt<lb/></fw>ziemlich gleich kam oder doch zu ſolcher hinüber<lb/> leitete. Daß alle dieſe Dinge vor Effi geheim ge¬<lb/> halten wurden, braucht nicht erſt geſagt zu werden.<lb/> Bei mehr Neugier auf Seiten dieſer Letzteren wäre<lb/> das nun freilich ganz unmöglich geweſen, aber Effi<lb/> hatte ſo wenig Verlangen, in die Vorbereitungen und ge¬<lb/> planten Überraſchungen einzudringen, daß ſie der Mama<lb/> mit allem Nachdruck erklärte, „ſie könne es abwarten“,<lb/> und wenn dieſe dann zweifelte, ſo ſchloß Effi mit<lb/> der wiederholten Verſicherung: es wäre wirklich ſo;<lb/> die Mama könne es glauben. Und warum auch<lb/> nicht? Es ſei ja doch alles nur Theateraufführung<lb/> und hübſcher und poetiſcher als „Aſchenbrödel“, das<lb/> ſie noch am letzten Abend in Berlin geſehen hätte,<lb/> hübſcher und poetiſcher könne es ja doch nicht ſein.<lb/> Da hätte ſie wirklich ſelber mitſpielen mögen, wenn<lb/> auch nur, um dem lächerlichen Penſionslehrer einen<lb/> Kreideſtrich auf den Rücken zu machen. „Und wie<lb/> reizend im letzten Akt ,Aſchenbrödel's Erwachen als<lb/> Prinzeſſin‘ oder doch wenigſtens als Gräfin; wirklich,<lb/> es war ganz wie ein Märchen.“ In dieſer Weiſe<lb/> ſprach ſie oft, war meiſt ausgelaſſener als vordem<lb/> und ärgerte ſich blos über das beſtändige Tuſcheln<lb/> und Geheimthun der Freundinnen. „Ich wollte,<lb/> ſie hätten ſich weniger wichtig und wären mehr für<lb/> mich da. Nachher bleiben ſie doch blos ſtecken, und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [37/0046]
Effi Brieſt
ziemlich gleich kam oder doch zu ſolcher hinüber
leitete. Daß alle dieſe Dinge vor Effi geheim ge¬
halten wurden, braucht nicht erſt geſagt zu werden.
Bei mehr Neugier auf Seiten dieſer Letzteren wäre
das nun freilich ganz unmöglich geweſen, aber Effi
hatte ſo wenig Verlangen, in die Vorbereitungen und ge¬
planten Überraſchungen einzudringen, daß ſie der Mama
mit allem Nachdruck erklärte, „ſie könne es abwarten“,
und wenn dieſe dann zweifelte, ſo ſchloß Effi mit
der wiederholten Verſicherung: es wäre wirklich ſo;
die Mama könne es glauben. Und warum auch
nicht? Es ſei ja doch alles nur Theateraufführung
und hübſcher und poetiſcher als „Aſchenbrödel“, das
ſie noch am letzten Abend in Berlin geſehen hätte,
hübſcher und poetiſcher könne es ja doch nicht ſein.
Da hätte ſie wirklich ſelber mitſpielen mögen, wenn
auch nur, um dem lächerlichen Penſionslehrer einen
Kreideſtrich auf den Rücken zu machen. „Und wie
reizend im letzten Akt ,Aſchenbrödel's Erwachen als
Prinzeſſin‘ oder doch wenigſtens als Gräfin; wirklich,
es war ganz wie ein Märchen.“ In dieſer Weiſe
ſprach ſie oft, war meiſt ausgelaſſener als vordem
und ärgerte ſich blos über das beſtändige Tuſcheln
und Geheimthun der Freundinnen. „Ich wollte,
ſie hätten ſich weniger wichtig und wären mehr für
mich da. Nachher bleiben ſie doch blos ſtecken, und
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