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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
Sofa lag. "Ich bin erschöpft und habe mich hier
eingerichtet, so gut es ging. Darf ich Sie bitten,
sich einen Stuhl zu nehmen."

Die Geheimrätin setzte sich so, daß der Tisch,
mit einer Blumenschale darauf, zwischen ihr und
Effi war. Effi zeigte keine Spur von Verlegenheit
und änderte nichts in ihrer Haltung, nicht einmal
die gefalteten Hände. Mit einemmale war es ihr
vollkommen gleichgültig, was die Frau dachte; nur
fort wollte sie.

"Sie haben eine traurige Nachricht empfangen,
liebe, gnädigste Frau ..."

"Mehr als traurig," sagte Effi. "Jedenfalls
traurig genug, um unserem Beisammensein ein rasches
Ende zu machen. Ich muß noch heute fort."

"Ich möchte nicht zudringlich erscheinen, aber
ist es etwas mit Annie?"

"Nein, nicht mit Annie. Die Nachrichten kamen
überhaupt nicht aus Berlin, es waren Zeilen meiner
Mama. Sie hat Sorgen um mich, und es liegt
mir daran, sie zu zerstreuen, oder wenn ich das nicht
kann, wenigstens an Ort und Stelle zu sein."

"Mir nur zu begreiflich, so sehr ich es beklage,
diese letzten Emser Tage nun ohne Sie verbringen
zu sollen. Darf ich Ihnen meine Dienste zur Ver¬
fügung stellen?"

Th. Fontane, Effi Briest. 29

Effi Brieſt
Sofa lag. „Ich bin erſchöpft und habe mich hier
eingerichtet, ſo gut es ging. Darf ich Sie bitten,
ſich einen Stuhl zu nehmen.“

Die Geheimrätin ſetzte ſich ſo, daß der Tiſch,
mit einer Blumenſchale darauf, zwiſchen ihr und
Effi war. Effi zeigte keine Spur von Verlegenheit
und änderte nichts in ihrer Haltung, nicht einmal
die gefalteten Hände. Mit einemmale war es ihr
vollkommen gleichgültig, was die Frau dachte; nur
fort wollte ſie.

„Sie haben eine traurige Nachricht empfangen,
liebe, gnädigſte Frau …“

„Mehr als traurig,“ ſagte Effi. „Jedenfalls
traurig genug, um unſerem Beiſammenſein ein raſches
Ende zu machen. Ich muß noch heute fort.“

„Ich möchte nicht zudringlich erſcheinen, aber
iſt es etwas mit Annie?“

„Nein, nicht mit Annie. Die Nachrichten kamen
überhaupt nicht aus Berlin, es waren Zeilen meiner
Mama. Sie hat Sorgen um mich, und es liegt
mir daran, ſie zu zerſtreuen, oder wenn ich das nicht
kann, wenigſtens an Ort und Stelle zu ſein.“

„Mir nur zu begreiflich, ſo ſehr ich es beklage,
dieſe letzten Emſer Tage nun ohne Sie verbringen
zu ſollen. Darf ich Ihnen meine Dienſte zur Ver¬
fügung ſtellen?“

Th. Fontane, Effi Brieſt. 29
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[449/0458] Effi Brieſt Sofa lag. „Ich bin erſchöpft und habe mich hier eingerichtet, ſo gut es ging. Darf ich Sie bitten, ſich einen Stuhl zu nehmen.“ Die Geheimrätin ſetzte ſich ſo, daß der Tiſch, mit einer Blumenſchale darauf, zwiſchen ihr und Effi war. Effi zeigte keine Spur von Verlegenheit und änderte nichts in ihrer Haltung, nicht einmal die gefalteten Hände. Mit einemmale war es ihr vollkommen gleichgültig, was die Frau dachte; nur fort wollte ſie. „Sie haben eine traurige Nachricht empfangen, liebe, gnädigſte Frau …“ „Mehr als traurig,“ ſagte Effi. „Jedenfalls traurig genug, um unſerem Beiſammenſein ein raſches Ende zu machen. Ich muß noch heute fort.“ „Ich möchte nicht zudringlich erſcheinen, aber iſt es etwas mit Annie?“ „Nein, nicht mit Annie. Die Nachrichten kamen überhaupt nicht aus Berlin, es waren Zeilen meiner Mama. Sie hat Sorgen um mich, und es liegt mir daran, ſie zu zerſtreuen, oder wenn ich das nicht kann, wenigſtens an Ort und Stelle zu ſein.“ „Mir nur zu begreiflich, ſo ſehr ich es beklage, dieſe letzten Emſer Tage nun ohne Sie verbringen zu ſollen. Darf ich Ihnen meine Dienſte zur Ver¬ fügung ſtellen?“ Th. Fontane, Effi Brieſt. 29

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/458>, abgerufen am 16.07.2024.