Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Effi Briest
nicht zu eitel ist und nicht zu viel Vertrauen zu
sich selber hat, ob da nicht Remedur geschaffen werden
müsse. Remedur war nämlich ein Lieblingswort
von Zwicker, womit er mich oft gelangweilt hat;
aber freilich, alle Geheimräte haben solche Lieblings¬
worte."

Effi hörte mit sehr geteilten Empfindungen zu.
Wenn die Geheimrätin nur ein bißchen anders ge¬
wesen wäre, so hätte dies alles reizend sein können,
aber da sie nun 'mal war wie sie war, so fühlte
sich Effi wenig angenehm von dem berührt, was sie
sonst vielleicht einfach erheitert hätte.

"Das ist schon recht, liebe Freundin, was Sie
da von den Geheimräten sagen. Innstetten hat sich
auch dergleichen angewöhnt, lacht aber immer, wenn
ich ihn darauf hin ansehe und entschuldigt sich hinter¬
her wegen der Aktenausdrücke. Ihr Herr Gemahl
war freilich schon länger im Dienst und überhaupt
wohl älter ..."

"Um ein geringes," sagte die Geheimrätin spitz
und ablehnend.

"Und alles in allem kann ich mich in Be¬
fürchtungen, wie Sie sie aussprechen, nicht recht zu¬
rechtfinden. Das, was man gute Sitte nennt, ist
doch immer noch eine Macht ..."

"Meinen Sie?"

Effi Brieſt
nicht zu eitel iſt und nicht zu viel Vertrauen zu
ſich ſelber hat, ob da nicht Remedur geſchaffen werden
müſſe. Remedur war nämlich ein Lieblingswort
von Zwicker, womit er mich oft gelangweilt hat;
aber freilich, alle Geheimräte haben ſolche Lieblings¬
worte.“

Effi hörte mit ſehr geteilten Empfindungen zu.
Wenn die Geheimrätin nur ein bißchen anders ge¬
weſen wäre, ſo hätte dies alles reizend ſein können,
aber da ſie nun 'mal war wie ſie war, ſo fühlte
ſich Effi wenig angenehm von dem berührt, was ſie
ſonſt vielleicht einfach erheitert hätte.

„Das iſt ſchon recht, liebe Freundin, was Sie
da von den Geheimräten ſagen. Innſtetten hat ſich
auch dergleichen angewöhnt, lacht aber immer, wenn
ich ihn darauf hin anſehe und entſchuldigt ſich hinter¬
her wegen der Aktenausdrücke. Ihr Herr Gemahl
war freilich ſchon länger im Dienſt und überhaupt
wohl älter …“

„Um ein geringes,“ ſagte die Geheimrätin ſpitz
und ablehnend.

„Und alles in allem kann ich mich in Be¬
fürchtungen, wie Sie ſie ausſprechen, nicht recht zu¬
rechtfinden. Das, was man gute Sitte nennt, iſt
doch immer noch eine Macht …“

„Meinen Sie?“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0449" n="440"/><fw place="top" type="header">Effi Brie&#x017F;t<lb/></fw> nicht <hi rendition="#g">zu</hi> eitel i&#x017F;t und nicht <hi rendition="#g">zu</hi> viel Vertrauen zu<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;elber hat, ob da nicht Remedur ge&#x017F;chaffen werden<lb/>&#x017F;&#x017F;e. Remedur war nämlich ein Lieblingswort<lb/>
von Zwicker, womit er mich oft gelangweilt hat;<lb/>
aber freilich, alle Geheimräte haben &#x017F;olche Lieblings¬<lb/>
worte.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Effi hörte mit &#x017F;ehr geteilten Empfindungen zu.<lb/>
Wenn die Geheimrätin nur ein bißchen anders ge¬<lb/>
we&#x017F;en wäre, &#x017F;o hätte dies alles reizend &#x017F;ein können,<lb/>
aber da &#x017F;ie nun 'mal war wie &#x017F;ie war, &#x017F;o fühlte<lb/>
&#x017F;ich Effi wenig angenehm von dem berührt, was &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t vielleicht einfach erheitert hätte.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das i&#x017F;t &#x017F;chon recht, liebe Freundin, was Sie<lb/>
da von den Geheimräten &#x017F;agen. Inn&#x017F;tetten hat &#x017F;ich<lb/>
auch dergleichen angewöhnt, lacht aber immer, wenn<lb/>
ich ihn darauf hin an&#x017F;ehe und ent&#x017F;chuldigt &#x017F;ich hinter¬<lb/>
her wegen der Aktenausdrücke. Ihr Herr Gemahl<lb/>
war freilich &#x017F;chon länger im Dien&#x017F;t und überhaupt<lb/>
wohl älter &#x2026;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Um ein geringes,&#x201C; &#x017F;agte die Geheimrätin &#x017F;pitz<lb/>
und ablehnend.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und alles in allem kann ich mich in Be¬<lb/>
fürchtungen, wie Sie &#x017F;ie aus&#x017F;prechen, nicht recht zu¬<lb/>
rechtfinden. Das, was man gute Sitte nennt, i&#x017F;t<lb/>
doch immer noch eine Macht &#x2026;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Meinen Sie?&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[440/0449] Effi Brieſt nicht zu eitel iſt und nicht zu viel Vertrauen zu ſich ſelber hat, ob da nicht Remedur geſchaffen werden müſſe. Remedur war nämlich ein Lieblingswort von Zwicker, womit er mich oft gelangweilt hat; aber freilich, alle Geheimräte haben ſolche Lieblings¬ worte.“ Effi hörte mit ſehr geteilten Empfindungen zu. Wenn die Geheimrätin nur ein bißchen anders ge¬ weſen wäre, ſo hätte dies alles reizend ſein können, aber da ſie nun 'mal war wie ſie war, ſo fühlte ſich Effi wenig angenehm von dem berührt, was ſie ſonſt vielleicht einfach erheitert hätte. „Das iſt ſchon recht, liebe Freundin, was Sie da von den Geheimräten ſagen. Innſtetten hat ſich auch dergleichen angewöhnt, lacht aber immer, wenn ich ihn darauf hin anſehe und entſchuldigt ſich hinter¬ her wegen der Aktenausdrücke. Ihr Herr Gemahl war freilich ſchon länger im Dienſt und überhaupt wohl älter …“ „Um ein geringes,“ ſagte die Geheimrätin ſpitz und ablehnend. „Und alles in allem kann ich mich in Be¬ fürchtungen, wie Sie ſie ausſprechen, nicht recht zu¬ rechtfinden. Das, was man gute Sitte nennt, iſt doch immer noch eine Macht …“ „Meinen Sie?“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/449
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/449>, abgerufen am 22.11.2024.