"Dumm und unpassend und kann einem Berlin ordentlich verleiden. Da geht man nun aus Kessin fort, um wieder unter Menschen zu sein, und das Erste, was man hört, ist ein Bibelwitz. Auch Mama schweigt, und das sagt genug. Ich will Dir aber doch den Rückzug erleichtern ..."
"Das thu', Cousine."
" ... den Rückzug erleichtern und es ganz ernsthaft als ein gutes Zeichen nehmen, daß mir, als erstes hier, von meinem Vetter Dagobert gesagt wurde: ,Leid soll mir nicht widerfahren'. Sonderbar, Vetter, so schwach die Sache als Witz ist, ich bin Dir doch dankbar dafür."
Dagobert, kaum aus der Schlinge heraus, ver¬ suchte über Effi's Feierlichkeit zu spötteln, ließ aber ab davon, als er sah, daß es sie verdroß.
Bald nach zehn Uhr brach er auf und versprach am anderen Tage wiederzukommen, um nach den Befehlen zu fragen.
Und gleich, nachdem er gegangen, zog sich auch Effi in ihre Zimmer zurück.
Am andern Tage war das schönste Wetter, und Mutter und Tochter brachen früh auf, zunächst nach der Augenklinik, wo Effi im Vorzimmer verblieb
Effi Brieſt
„Ja, dumm iſt es,“ ſagte Dagobert kleinlaut.
„Dumm und unpaſſend und kann einem Berlin ordentlich verleiden. Da geht man nun aus Keſſin fort, um wieder unter Menſchen zu ſein, und das Erſte, was man hört, iſt ein Bibelwitz. Auch Mama ſchweigt, und das ſagt genug. Ich will Dir aber doch den Rückzug erleichtern …“
„Das thu', Couſine.“
„ … den Rückzug erleichtern und es ganz ernſthaft als ein gutes Zeichen nehmen, daß mir, als erſtes hier, von meinem Vetter Dagobert geſagt wurde: ,Leid ſoll mir nicht widerfahren‘. Sonderbar, Vetter, ſo ſchwach die Sache als Witz iſt, ich bin Dir doch dankbar dafür.“
Dagobert, kaum aus der Schlinge heraus, ver¬ ſuchte über Effi's Feierlichkeit zu ſpötteln, ließ aber ab davon, als er ſah, daß es ſie verdroß.
Bald nach zehn Uhr brach er auf und verſprach am anderen Tage wiederzukommen, um nach den Befehlen zu fragen.
Und gleich, nachdem er gegangen, zog ſich auch Effi in ihre Zimmer zurück.
Am andern Tage war das ſchönſte Wetter, und Mutter und Tochter brachen früh auf, zunächſt nach der Augenklinik, wo Effi im Vorzimmer verblieb
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0349"n="340"/><fwplace="top"type="header">Effi Brieſt<lb/></fw><p>„Ja, dumm iſt es,“ſagte Dagobert kleinlaut.</p><lb/><p>„Dumm und unpaſſend und kann einem Berlin<lb/>
ordentlich verleiden. Da geht man nun aus Keſſin<lb/>
fort, um wieder unter Menſchen zu ſein, und das<lb/>
Erſte, was man hört, iſt ein Bibelwitz. Auch Mama<lb/>ſchweigt, und das ſagt genug. Ich will Dir aber<lb/>
doch den Rückzug erleichtern …“</p><lb/><p>„Das thu', Couſine.“</p><lb/><p>„… den Rückzug erleichtern und es ganz<lb/>
ernſthaft als ein gutes Zeichen nehmen, daß mir,<lb/>
als erſtes hier, von meinem Vetter Dagobert geſagt<lb/>
wurde: ,Leid ſoll mir nicht widerfahren‘. Sonderbar,<lb/>
Vetter, ſo ſchwach die Sache als Witz iſt, ich bin<lb/>
Dir doch dankbar dafür.“</p><lb/><p>Dagobert, kaum aus der Schlinge heraus, ver¬<lb/>ſuchte über Effi's Feierlichkeit zu ſpötteln, ließ aber<lb/>
ab davon, als er ſah, daß es ſie verdroß.</p><lb/><p>Bald nach zehn Uhr brach er auf und verſprach<lb/>
am anderen Tage wiederzukommen, um nach den<lb/>
Befehlen zu fragen.</p><lb/><p>Und gleich, nachdem er gegangen, zog ſich auch<lb/>
Effi in ihre Zimmer zurück.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Am andern Tage war das ſchönſte Wetter,<lb/>
und Mutter und Tochter brachen früh auf, zunächſt<lb/>
nach der Augenklinik, wo Effi im Vorzimmer verblieb<lb/></p></div></body></text></TEI>
[340/0349]
Effi Brieſt
„Ja, dumm iſt es,“ ſagte Dagobert kleinlaut.
„Dumm und unpaſſend und kann einem Berlin
ordentlich verleiden. Da geht man nun aus Keſſin
fort, um wieder unter Menſchen zu ſein, und das
Erſte, was man hört, iſt ein Bibelwitz. Auch Mama
ſchweigt, und das ſagt genug. Ich will Dir aber
doch den Rückzug erleichtern …“
„Das thu', Couſine.“
„ … den Rückzug erleichtern und es ganz
ernſthaft als ein gutes Zeichen nehmen, daß mir,
als erſtes hier, von meinem Vetter Dagobert geſagt
wurde: ,Leid ſoll mir nicht widerfahren‘. Sonderbar,
Vetter, ſo ſchwach die Sache als Witz iſt, ich bin
Dir doch dankbar dafür.“
Dagobert, kaum aus der Schlinge heraus, ver¬
ſuchte über Effi's Feierlichkeit zu ſpötteln, ließ aber
ab davon, als er ſah, daß es ſie verdroß.
Bald nach zehn Uhr brach er auf und verſprach
am anderen Tage wiederzukommen, um nach den
Befehlen zu fragen.
Und gleich, nachdem er gegangen, zog ſich auch
Effi in ihre Zimmer zurück.
Am andern Tage war das ſchönſte Wetter,
und Mutter und Tochter brachen früh auf, zunächſt
nach der Augenklinik, wo Effi im Vorzimmer verblieb
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/349>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.