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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest

"Ja, dumm ist es," sagte Dagobert kleinlaut.

"Dumm und unpassend und kann einem Berlin
ordentlich verleiden. Da geht man nun aus Kessin
fort, um wieder unter Menschen zu sein, und das
Erste, was man hört, ist ein Bibelwitz. Auch Mama
schweigt, und das sagt genug. Ich will Dir aber
doch den Rückzug erleichtern ..."

"Das thu', Cousine."

" ... den Rückzug erleichtern und es ganz
ernsthaft als ein gutes Zeichen nehmen, daß mir,
als erstes hier, von meinem Vetter Dagobert gesagt
wurde: ,Leid soll mir nicht widerfahren'. Sonderbar,
Vetter, so schwach die Sache als Witz ist, ich bin
Dir doch dankbar dafür."

Dagobert, kaum aus der Schlinge heraus, ver¬
suchte über Effi's Feierlichkeit zu spötteln, ließ aber
ab davon, als er sah, daß es sie verdroß.

Bald nach zehn Uhr brach er auf und versprach
am anderen Tage wiederzukommen, um nach den
Befehlen zu fragen.

Und gleich, nachdem er gegangen, zog sich auch
Effi in ihre Zimmer zurück.


Am andern Tage war das schönste Wetter,
und Mutter und Tochter brachen früh auf, zunächst
nach der Augenklinik, wo Effi im Vorzimmer verblieb

Effi Brieſt

„Ja, dumm iſt es,“ ſagte Dagobert kleinlaut.

„Dumm und unpaſſend und kann einem Berlin
ordentlich verleiden. Da geht man nun aus Keſſin
fort, um wieder unter Menſchen zu ſein, und das
Erſte, was man hört, iſt ein Bibelwitz. Auch Mama
ſchweigt, und das ſagt genug. Ich will Dir aber
doch den Rückzug erleichtern …“

„Das thu', Couſine.“

„ … den Rückzug erleichtern und es ganz
ernſthaft als ein gutes Zeichen nehmen, daß mir,
als erſtes hier, von meinem Vetter Dagobert geſagt
wurde: ,Leid ſoll mir nicht widerfahren‘. Sonderbar,
Vetter, ſo ſchwach die Sache als Witz iſt, ich bin
Dir doch dankbar dafür.“

Dagobert, kaum aus der Schlinge heraus, ver¬
ſuchte über Effi's Feierlichkeit zu ſpötteln, ließ aber
ab davon, als er ſah, daß es ſie verdroß.

Bald nach zehn Uhr brach er auf und verſprach
am anderen Tage wiederzukommen, um nach den
Befehlen zu fragen.

Und gleich, nachdem er gegangen, zog ſich auch
Effi in ihre Zimmer zurück.


Am andern Tage war das ſchönſte Wetter,
und Mutter und Tochter brachen früh auf, zunächſt
nach der Augenklinik, wo Effi im Vorzimmer verblieb

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[340/0349] Effi Brieſt „Ja, dumm iſt es,“ ſagte Dagobert kleinlaut. „Dumm und unpaſſend und kann einem Berlin ordentlich verleiden. Da geht man nun aus Keſſin fort, um wieder unter Menſchen zu ſein, und das Erſte, was man hört, iſt ein Bibelwitz. Auch Mama ſchweigt, und das ſagt genug. Ich will Dir aber doch den Rückzug erleichtern …“ „Das thu', Couſine.“ „ … den Rückzug erleichtern und es ganz ernſthaft als ein gutes Zeichen nehmen, daß mir, als erſtes hier, von meinem Vetter Dagobert geſagt wurde: ,Leid ſoll mir nicht widerfahren‘. Sonderbar, Vetter, ſo ſchwach die Sache als Witz iſt, ich bin Dir doch dankbar dafür.“ Dagobert, kaum aus der Schlinge heraus, ver¬ ſuchte über Effi's Feierlichkeit zu ſpötteln, ließ aber ab davon, als er ſah, daß es ſie verdroß. Bald nach zehn Uhr brach er auf und verſprach am anderen Tage wiederzukommen, um nach den Befehlen zu fragen. Und gleich, nachdem er gegangen, zog ſich auch Effi in ihre Zimmer zurück. Am andern Tage war das ſchönſte Wetter, und Mutter und Tochter brachen früh auf, zunächſt nach der Augenklinik, wo Effi im Vorzimmer verblieb

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/349>, abgerufen am 23.11.2024.