Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.Effi Briest müsse mit Diät gezwungen werden; Bier, Kaffee,Thee -- alles gestrichen und gelegentlich eine lokale Blutentziehung, dann würde es bald besser werden. "Er sprach so von vierzehn Tagen. Aber ich kenne die Doktorangaben; vierzehn Tage heißt sechs Wochen, und ich werde noch hier sein, wenn Innstetten kommt und Ihr in Eure neue Wohnung einzieht. Ich will auch nicht leugnen, daß das das beste von der Sache ist und mich über die mutmaßlich lange Kurdauer schon vorweg tröstet. Sucht Euch nur recht 'was Hübsches. Ich habe mir Landgrafen- oder Keith¬ straße gedacht, elegant und doch nicht allzu teuer. Denn Ihr werdet Euch einschränken müssen. Inn¬ stetten's Stellung ist sehr ehrenvoll, aber sie wirft nicht allzuviel ab. Und Briest klagt auch. Die Preise gehen herunter, und er erzählt mir jeden Tag, wenn nicht Schutzzölle kämen, so müss' er mit einem Bettelsack von Hohen-Cremmen abziehen. Du weißt, er übertreibt gern. Aber nun lange zu, Dagobert, und wenn es sein kann, erzähle uns 'was Hübsches. Krankheitsberichte sind immer langweilig, und die liebsten Menschen hören bloß zu, weil es nicht anders geht. Effi wird wohl auch gern eine Geschichte hören, etwas aus den Fliegenden Blättern oder aus dem Kladderadatsch. Er soll aber nicht mehr so gut sein." Th. Fontane, Effi Briest. 22
Effi Brieſt müſſe mit Diät gezwungen werden; Bier, Kaffee,Thee — alles geſtrichen und gelegentlich eine lokale Blutentziehung, dann würde es bald beſſer werden. „Er ſprach ſo von vierzehn Tagen. Aber ich kenne die Doktorangaben; vierzehn Tage heißt ſechs Wochen, und ich werde noch hier ſein, wenn Innſtetten kommt und Ihr in Eure neue Wohnung einzieht. Ich will auch nicht leugnen, daß das das beſte von der Sache iſt und mich über die mutmaßlich lange Kurdauer ſchon vorweg tröſtet. Sucht Euch nur recht 'was Hübſches. Ich habe mir Landgrafen- oder Keith¬ ſtraße gedacht, elegant und doch nicht allzu teuer. Denn Ihr werdet Euch einſchränken müſſen. Inn¬ ſtetten's Stellung iſt ſehr ehrenvoll, aber ſie wirft nicht allzuviel ab. Und Brieſt klagt auch. Die Preiſe gehen herunter, und er erzählt mir jeden Tag, wenn nicht Schutzzölle kämen, ſo müſſ' er mit einem Bettelſack von Hohen-Cremmen abziehen. Du weißt, er übertreibt gern. Aber nun lange zu, Dagobert, und wenn es ſein kann, erzähle uns 'was Hübſches. Krankheitsberichte ſind immer langweilig, und die liebſten Menſchen hören bloß zu, weil es nicht anders geht. Effi wird wohl auch gern eine Geſchichte hören, etwas aus den Fliegenden Blättern oder aus dem Kladderadatſch. Er ſoll aber nicht mehr ſo gut ſein.“ Th. Fontane, Effi Brieſt. 22
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Effi Brieſt
müſſe mit Diät gezwungen werden; Bier, Kaffee,
Thee — alles geſtrichen und gelegentlich eine lokale
Blutentziehung, dann würde es bald beſſer werden.
„Er ſprach ſo von vierzehn Tagen. Aber ich kenne
die Doktorangaben; vierzehn Tage heißt ſechs Wochen,
und ich werde noch hier ſein, wenn Innſtetten kommt
und Ihr in Eure neue Wohnung einzieht. Ich will
auch nicht leugnen, daß das das beſte von der Sache
iſt und mich über die mutmaßlich lange Kurdauer
ſchon vorweg tröſtet. Sucht Euch nur recht 'was
Hübſches. Ich habe mir Landgrafen- oder Keith¬
ſtraße gedacht, elegant und doch nicht allzu teuer.
Denn Ihr werdet Euch einſchränken müſſen. Inn¬
ſtetten's Stellung iſt ſehr ehrenvoll, aber ſie wirft
nicht allzuviel ab. Und Brieſt klagt auch. Die
Preiſe gehen herunter, und er erzählt mir jeden Tag,
wenn nicht Schutzzölle kämen, ſo müſſ' er mit einem
Bettelſack von Hohen-Cremmen abziehen. Du weißt,
er übertreibt gern. Aber nun lange zu, Dagobert,
und wenn es ſein kann, erzähle uns 'was Hübſches.
Krankheitsberichte ſind immer langweilig, und die
liebſten Menſchen hören bloß zu, weil es nicht anders
geht. Effi wird wohl auch gern eine Geſchichte
hören, etwas aus den Fliegenden Blättern oder aus
dem Kladderadatſch. Er ſoll aber nicht mehr ſo
gut ſein.“
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