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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
Du bist gar nicht findig, Roswitha. Und ich mag
nicht, daß Du Dich erkältest und alles um nichts."

Roswitha blieb denn auch zu Haus, und weil
Annie schlief, ging sie zu Kruse's, um mit der Frau
zu plaudern. "Liebe Frau Kruse," sagte sie, "Sie
wollten mir ja das mit dem Chinesen noch erzählen.
Gestern kam die Johanna dazwischen, die thut immer
so vornehm, für die ist so 'was nicht. Ich glaube
aber doch, daß es 'was gewesen ist, ich meine mit
dem Chinesen und mit Thomsen's Nichte, wenn es
nicht seine Enkelin war."

Die Kruse nickte.

"Entweder," fuhr Roswitha fort, "war es eine
unglückliche Liebe (die Kruse nickte wieder), oder es
kann auch eine glückliche gewesen sein und der Chinese
konnte es bloß nicht aushalten, daß es alles mit
einemmal so wieder vorbei sein sollte. Denn die
Chinesen sind doch auch Menschen, und es wird
wohl alles ebenso mit ihnen sein, wie mit uns."

"Alles," versicherte die Kruse und wollte dies
eben durch ihre Geschichte bestätigen, als ihr Mann
eintrat und sagte: "Mutter, Du könntest mir die
Flasche mit dem Lederlack geben; ich muß doch das
Sielenzeug blank haben, wenn der Herr morgen
wieder da ist; der sieht alles und wenn er auch
nichts sagt, so merkt man doch, daß er's gesehn hat."

Effi Brieſt
Du biſt gar nicht findig, Roswitha. Und ich mag
nicht, daß Du Dich erkälteſt und alles um nichts.“

Roswitha blieb denn auch zu Haus, und weil
Annie ſchlief, ging ſie zu Kruſe's, um mit der Frau
zu plaudern. „Liebe Frau Kruſe,“ ſagte ſie, „Sie
wollten mir ja das mit dem Chineſen noch erzählen.
Geſtern kam die Johanna dazwiſchen, die thut immer
ſo vornehm, für die iſt ſo 'was nicht. Ich glaube
aber doch, daß es 'was geweſen iſt, ich meine mit
dem Chineſen und mit Thomſen's Nichte, wenn es
nicht ſeine Enkelin war.“

Die Kruſe nickte.

„Entweder,“ fuhr Roswitha fort, „war es eine
unglückliche Liebe (die Kruſe nickte wieder), oder es
kann auch eine glückliche geweſen ſein und der Chineſe
konnte es bloß nicht aushalten, daß es alles mit
einemmal ſo wieder vorbei ſein ſollte. Denn die
Chineſen ſind doch auch Menſchen, und es wird
wohl alles ebenſo mit ihnen ſein, wie mit uns.“

„Alles,“ verſicherte die Kruſe und wollte dies
eben durch ihre Geſchichte beſtätigen, als ihr Mann
eintrat und ſagte: „Mutter, Du könnteſt mir die
Flaſche mit dem Lederlack geben; ich muß doch das
Sielenzeug blank haben, wenn der Herr morgen
wieder da iſt; der ſieht alles und wenn er auch
nichts ſagt, ſo merkt man doch, daß er's geſehn hat.“

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[303/0312] Effi Brieſt Du biſt gar nicht findig, Roswitha. Und ich mag nicht, daß Du Dich erkälteſt und alles um nichts.“ Roswitha blieb denn auch zu Haus, und weil Annie ſchlief, ging ſie zu Kruſe's, um mit der Frau zu plaudern. „Liebe Frau Kruſe,“ ſagte ſie, „Sie wollten mir ja das mit dem Chineſen noch erzählen. Geſtern kam die Johanna dazwiſchen, die thut immer ſo vornehm, für die iſt ſo 'was nicht. Ich glaube aber doch, daß es 'was geweſen iſt, ich meine mit dem Chineſen und mit Thomſen's Nichte, wenn es nicht ſeine Enkelin war.“ Die Kruſe nickte. „Entweder,“ fuhr Roswitha fort, „war es eine unglückliche Liebe (die Kruſe nickte wieder), oder es kann auch eine glückliche geweſen ſein und der Chineſe konnte es bloß nicht aushalten, daß es alles mit einemmal ſo wieder vorbei ſein ſollte. Denn die Chineſen ſind doch auch Menſchen, und es wird wohl alles ebenſo mit ihnen ſein, wie mit uns.“ „Alles,“ verſicherte die Kruſe und wollte dies eben durch ihre Geſchichte beſtätigen, als ihr Mann eintrat und ſagte: „Mutter, Du könnteſt mir die Flaſche mit dem Lederlack geben; ich muß doch das Sielenzeug blank haben, wenn der Herr morgen wieder da iſt; der ſieht alles und wenn er auch nichts ſagt, ſo merkt man doch, daß er's geſehn hat.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/312>, abgerufen am 26.06.2024.