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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest

"Guten Morgen," rief Innstetten ihm zu. "Nur
näher, nur näher."

Crampas trat heran. Er war in Zivil und
küßte der in ihrem Schaukelstuhl sich weiter wiegenden
Effi die Hand. "Entschuldigen Sie mich, Major,
daß ich so schlecht die Honneurs des Hauses mache;
aber die Veranda ist kein Haus und zehn Uhr früh
ist eigentlich gar keine Zeit. Da wird man formlos,
oder wenn Sie wollen intim. Und nun setzen Sie
sich und geben Sie Rechenschaft von Ihrem Thun.
Denn an Ihrem Haar, ich wünschte Ihnen, daß es
mehr wäre, sieht man deutlich, daß Sie gebadet
haben."

Er nickte.

"Unverantwortlich," sagte Innstetten, halb ernst-,
halb scherzhaft. "Da haben Sie nun selber vor vier
Wochen die Geschichte mit dem Bankier Heinersdorf
erlebt, der auch dachte, das Meer und der grandiose
Wellenschlag würden ihn um seiner Million willen
respektieren. Aber die Götter sind eifersüchtig unter¬
einander, und Neptun stellte sich ohne weiteres gegen
Pluto oder doch wenigstens gegen Heinersdorf."

Crampas lachte. "Ja, eine Million Mark!
Lieber Innstetten, wenn ich die hätte, da hätt' ich es
am Ende nicht gewagt; denn so schön das Wetter
ist, das Wasser hatte nur neun Grad. Aber unsereins

Effi Brieſt

„Guten Morgen,“ rief Innſtetten ihm zu. „Nur
näher, nur näher.“

Crampas trat heran. Er war in Zivil und
küßte der in ihrem Schaukelſtuhl ſich weiter wiegenden
Effi die Hand. „Entſchuldigen Sie mich, Major,
daß ich ſo ſchlecht die Honneurs des Hauſes mache;
aber die Veranda iſt kein Haus und zehn Uhr früh
iſt eigentlich gar keine Zeit. Da wird man formlos,
oder wenn Sie wollen intim. Und nun ſetzen Sie
ſich und geben Sie Rechenſchaft von Ihrem Thun.
Denn an Ihrem Haar, ich wünſchte Ihnen, daß es
mehr wäre, ſieht man deutlich, daß Sie gebadet
haben.“

Er nickte.

„Unverantwortlich,“ ſagte Innſtetten, halb ernſt-,
halb ſcherzhaft. „Da haben Sie nun ſelber vor vier
Wochen die Geſchichte mit dem Bankier Heinersdorf
erlebt, der auch dachte, das Meer und der grandioſe
Wellenſchlag würden ihn um ſeiner Million willen
reſpektieren. Aber die Götter ſind eiferſüchtig unter¬
einander, und Neptun ſtellte ſich ohne weiteres gegen
Pluto oder doch wenigſtens gegen Heinersdorf.“

Crampas lachte. „Ja, eine Million Mark!
Lieber Innſtetten, wenn ich die hätte, da hätt' ich es
am Ende nicht gewagt; denn ſo ſchön das Wetter
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[212/0221] Effi Brieſt „Guten Morgen,“ rief Innſtetten ihm zu. „Nur näher, nur näher.“ Crampas trat heran. Er war in Zivil und küßte der in ihrem Schaukelſtuhl ſich weiter wiegenden Effi die Hand. „Entſchuldigen Sie mich, Major, daß ich ſo ſchlecht die Honneurs des Hauſes mache; aber die Veranda iſt kein Haus und zehn Uhr früh iſt eigentlich gar keine Zeit. Da wird man formlos, oder wenn Sie wollen intim. Und nun ſetzen Sie ſich und geben Sie Rechenſchaft von Ihrem Thun. Denn an Ihrem Haar, ich wünſchte Ihnen, daß es mehr wäre, ſieht man deutlich, daß Sie gebadet haben.“ Er nickte. „Unverantwortlich,“ ſagte Innſtetten, halb ernſt-, halb ſcherzhaft. „Da haben Sie nun ſelber vor vier Wochen die Geſchichte mit dem Bankier Heinersdorf erlebt, der auch dachte, das Meer und der grandioſe Wellenſchlag würden ihn um ſeiner Million willen reſpektieren. Aber die Götter ſind eiferſüchtig unter¬ einander, und Neptun ſtellte ſich ohne weiteres gegen Pluto oder doch wenigſtens gegen Heinersdorf.“ Crampas lachte. „Ja, eine Million Mark! Lieber Innſtetten, wenn ich die hätte, da hätt' ich es am Ende nicht gewagt; denn ſo ſchön das Wetter iſt, das Waſſer hatte nur neun Grad. Aber unſereins

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/221>, abgerufen am 25.11.2024.