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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
nach Hohen-Cremmen will und mich heute schon
anmelde, statt Dich, meine liebe Mama, dringend und
herzlich nach Kessin hin einzuladen, das ja doch
jeden Sommer fünfzehnhundert Badegäste hat und
Schiffe mit allen möglichen Flaggen und sogar ein
Dünenhotel. Aber daß ich so wenig Gastlichkeit
zeige, das macht nicht, daß ich ungastlich wäre, so
sehr bin ich nicht aus der Art geschlagen, das
macht einfach unser landrätliches Haus, das, so viel
Hübsches und Apartes es hat, doch eigentlich gar
kein richtiges Haus ist, sondern nur eine Wohnung
für zwei Menschen, und auch das kaum, denn wir
haben nicht einmal ein Eßzimmer, was doch genant
ist, wenn ein paar Personen zu Besuch sich ein¬
stellen. Wir haben freilich noch Räumlichkeiten im
ersten Stock, einen großen Saal und vier kleine
Zimmer, aber sie haben alle etwas wenig Einladendes,
und ich würde sie Rumpelkammern nennen, wenn
sich etwas Gerümpel darin vorfände; sie sind aber
ganz leer, ein paar Binsenstühle abgerechnet, und
machen, das Mindeste zu sagen, einen sehr sonder¬
baren Eindruck. Nun wirst Du wohl meinen, das
alles sei ja leicht zu ändern. Aber es ist nicht zu
ändern; denn das Haus, das wir bewohnen, ist ...
ist ein Spukhaus; da ist es heraus. Ich beschwöre
Dich übrigens, mir auf diese meine Mitteilung nicht

Effi Brieſt
nach Hohen-Cremmen will und mich heute ſchon
anmelde, ſtatt Dich, meine liebe Mama, dringend und
herzlich nach Keſſin hin einzuladen, das ja doch
jeden Sommer fünfzehnhundert Badegäſte hat und
Schiffe mit allen möglichen Flaggen und ſogar ein
Dünenhotel. Aber daß ich ſo wenig Gaſtlichkeit
zeige, das macht nicht, daß ich ungaſtlich wäre, ſo
ſehr bin ich nicht aus der Art geſchlagen, das
macht einfach unſer landrätliches Haus, das, ſo viel
Hübſches und Apartes es hat, doch eigentlich gar
kein richtiges Haus iſt, ſondern nur eine Wohnung
für zwei Menſchen, und auch das kaum, denn wir
haben nicht einmal ein Eßzimmer, was doch genant
iſt, wenn ein paar Perſonen zu Beſuch ſich ein¬
ſtellen. Wir haben freilich noch Räumlichkeiten im
erſten Stock, einen großen Saal und vier kleine
Zimmer, aber ſie haben alle etwas wenig Einladendes,
und ich würde ſie Rumpelkammern nennen, wenn
ſich etwas Gerümpel darin vorfände; ſie ſind aber
ganz leer, ein paar Binſenſtühle abgerechnet, und
machen, das Mindeſte zu ſagen, einen ſehr ſonder¬
baren Eindruck. Nun wirſt Du wohl meinen, das
alles ſei ja leicht zu ändern. Aber es iſt nicht zu
ändern; denn das Haus, das wir bewohnen, iſt …
iſt ein Spukhaus; da iſt es heraus. Ich beſchwöre
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[168/0177] Effi Brieſt nach Hohen-Cremmen will und mich heute ſchon anmelde, ſtatt Dich, meine liebe Mama, dringend und herzlich nach Keſſin hin einzuladen, das ja doch jeden Sommer fünfzehnhundert Badegäſte hat und Schiffe mit allen möglichen Flaggen und ſogar ein Dünenhotel. Aber daß ich ſo wenig Gaſtlichkeit zeige, das macht nicht, daß ich ungaſtlich wäre, ſo ſehr bin ich nicht aus der Art geſchlagen, das macht einfach unſer landrätliches Haus, das, ſo viel Hübſches und Apartes es hat, doch eigentlich gar kein richtiges Haus iſt, ſondern nur eine Wohnung für zwei Menſchen, und auch das kaum, denn wir haben nicht einmal ein Eßzimmer, was doch genant iſt, wenn ein paar Perſonen zu Beſuch ſich ein¬ ſtellen. Wir haben freilich noch Räumlichkeiten im erſten Stock, einen großen Saal und vier kleine Zimmer, aber ſie haben alle etwas wenig Einladendes, und ich würde ſie Rumpelkammern nennen, wenn ſich etwas Gerümpel darin vorfände; ſie ſind aber ganz leer, ein paar Binſenſtühle abgerechnet, und machen, das Mindeſte zu ſagen, einen ſehr ſonder¬ baren Eindruck. Nun wirſt Du wohl meinen, das alles ſei ja leicht zu ändern. Aber es iſt nicht zu ändern; denn das Haus, das wir bewohnen, iſt … iſt ein Spukhaus; da iſt es heraus. Ich beſchwöre Dich übrigens, mir auf dieſe meine Mitteilung nicht

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/177>, abgerufen am 22.11.2024.