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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
aber trotz dieser Pünktlichkeit immer noch hinter den
anderen Geladenen zurückgeblieben; Pastor Lindequist,
die alte Frau Trippel und die Trippelli selbst waren
schon da. Gieshübler -- im blauen Frack mit matt¬
goldenen Knöpfen, dazu Pincenez an einem breiten
schwarzen Bande, das wie ein Ordensband auf der
blendendweißen Piqueweste lag -- Gieshübler konnte
seiner Erregung nur mit Mühe Herr werden. "Darf
ich die Herrschaften mit einander bekannt machen;
Baron und Baronin Innstetten, Frau Pastor Trippel,
Fräulein Marietta Trippelli." Pastor Lindequist,
den alle kannten, stand lächelnd bei Seite.

Die Trippelli, Anfang der Dreißig, stark männlich
und von ausgesprochen humoristischem Typus, hatte
bis zu dem Momente der Vorstellung den Sofa-
Ehrenplatz inne gehabt. Nach der Vorstellung aber
sagte sie, während sie auf einen in der Nähe stehenden
Stuhl mit hoher Lehne zuschritt: "Ich bitte Sie
nunmehro, gnäd'ge Frau, die Bürden und Fährlich¬
keiten Ihres Amtes auf sich nehmen zu wollen.
Denn von ,Fährlichkeiten' -- und sie wies auf das
Sofa -- wird sich in diesem Falle wohl sprechen
lassen. Ich habe Gieshübler schon vor Jahr und
Tag darauf aufmerksam gemacht, aber leider ver¬
geblich; so gut er ist, so eigensinnig ist er auch."

"Aber Marietta ..."

Effi Brieſt
aber trotz dieſer Pünktlichkeit immer noch hinter den
anderen Geladenen zurückgeblieben; Paſtor Lindequiſt,
die alte Frau Trippel und die Trippelli ſelbſt waren
ſchon da. Gieshübler — im blauen Frack mit matt¬
goldenen Knöpfen, dazu Pincenez an einem breiten
ſchwarzen Bande, das wie ein Ordensband auf der
blendendweißen Piquéweſte lag — Gieshübler konnte
ſeiner Erregung nur mit Mühe Herr werden. „Darf
ich die Herrſchaften mit einander bekannt machen;
Baron und Baronin Innſtetten, Frau Paſtor Trippel,
Fräulein Marietta Trippelli.“ Paſtor Lindequiſt,
den alle kannten, ſtand lächelnd bei Seite.

Die Trippelli, Anfang der Dreißig, ſtark männlich
und von ausgeſprochen humoriſtiſchem Typus, hatte
bis zu dem Momente der Vorſtellung den Sofa-
Ehrenplatz inne gehabt. Nach der Vorſtellung aber
ſagte ſie, während ſie auf einen in der Nähe ſtehenden
Stuhl mit hoher Lehne zuſchritt: „Ich bitte Sie
nunmehro, gnäd'ge Frau, die Bürden und Fährlich¬
keiten Ihres Amtes auf ſich nehmen zu wollen.
Denn von ,Fährlichkeiten‘ — und ſie wies auf das
Sofa — wird ſich in dieſem Falle wohl ſprechen
laſſen. Ich habe Gieshübler ſchon vor Jahr und
Tag darauf aufmerkſam gemacht, aber leider ver¬
geblich; ſo gut er iſt, ſo eigenſinnig iſt er auch.“

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[150/0159] Effi Brieſt aber trotz dieſer Pünktlichkeit immer noch hinter den anderen Geladenen zurückgeblieben; Paſtor Lindequiſt, die alte Frau Trippel und die Trippelli ſelbſt waren ſchon da. Gieshübler — im blauen Frack mit matt¬ goldenen Knöpfen, dazu Pincenez an einem breiten ſchwarzen Bande, das wie ein Ordensband auf der blendendweißen Piquéweſte lag — Gieshübler konnte ſeiner Erregung nur mit Mühe Herr werden. „Darf ich die Herrſchaften mit einander bekannt machen; Baron und Baronin Innſtetten, Frau Paſtor Trippel, Fräulein Marietta Trippelli.“ Paſtor Lindequiſt, den alle kannten, ſtand lächelnd bei Seite. Die Trippelli, Anfang der Dreißig, ſtark männlich und von ausgeſprochen humoriſtiſchem Typus, hatte bis zu dem Momente der Vorſtellung den Sofa- Ehrenplatz inne gehabt. Nach der Vorſtellung aber ſagte ſie, während ſie auf einen in der Nähe ſtehenden Stuhl mit hoher Lehne zuſchritt: „Ich bitte Sie nunmehro, gnäd'ge Frau, die Bürden und Fährlich¬ keiten Ihres Amtes auf ſich nehmen zu wollen. Denn von ,Fährlichkeiten‘ — und ſie wies auf das Sofa — wird ſich in dieſem Falle wohl ſprechen laſſen. Ich habe Gieshübler ſchon vor Jahr und Tag darauf aufmerkſam gemacht, aber leider ver¬ geblich; ſo gut er iſt, ſo eigenſinnig iſt er auch.“ „Aber Marietta …“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/159>, abgerufen am 24.11.2024.