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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
Vorsätze, doch immer ein Opfer meiner Vorstellungen.
Erzähle mir das Wirkliche. Die Wirklichkeit kann
mich nicht so quälen wie meine Phantasie."

"Bravo, Effi. Ich wollte nicht davon sprechen.
Aber nun macht es sich so von selbst, und das ist
gut. Übrigens ist es eigentlich gar nichts."

"Mir gleich; gar nichts oder viel oder wenig.
Fange nur an."

"Ja, das ist leicht gesagt. Der Anfang ist
immer das schwerste, auch bei Geschichten. Nun, ich
denke, ich beginne mit Kapitän Thomsen."

"Gut, gut."

"Also Thomsen, den ich Dir schon genannt habe,
war viele Jahre lang ein sogenannter Chinafahrer,
immer mit Reisfracht zwischen Shanghai und Singa¬
pore und mochte wohl schon sechzig sein, als er hier
ankam. Ich weiß nicht, ob er hier geboren war
oder ob er andere Beziehungen hier hatte. Kurz
und gut, er war nun da und verkaufte sein Schiff,
einen alten Kasten, draus er nicht viel heraus schlug
und kaufte sich ein Haus, dasselbe, drin wir jetzt
wohnen. Denn er war draußen in der Welt ein
vermögender Mann geworden. Und von daher
schreibt sich auch das Krokodil und der Haifisch und
natürlich auch das Schiff ... Also Thomsen war
nun da, ein sehr adretter Mann (so wenigstens hat

Effi Brieſt
Vorſätze, doch immer ein Opfer meiner Vorſtellungen.
Erzähle mir das Wirkliche. Die Wirklichkeit kann
mich nicht ſo quälen wie meine Phantaſie.“

„Bravo, Effi. Ich wollte nicht davon ſprechen.
Aber nun macht es ſich ſo von ſelbſt, und das iſt
gut. Übrigens iſt es eigentlich gar nichts.“

„Mir gleich; gar nichts oder viel oder wenig.
Fange nur an.“

„Ja, das iſt leicht geſagt. Der Anfang iſt
immer das ſchwerſte, auch bei Geſchichten. Nun, ich
denke, ich beginne mit Kapitän Thomſen.“

„Gut, gut.“

„Alſo Thomſen, den ich Dir ſchon genannt habe,
war viele Jahre lang ein ſogenannter Chinafahrer,
immer mit Reisfracht zwiſchen Shanghai und Singa¬
pore und mochte wohl ſchon ſechzig ſein, als er hier
ankam. Ich weiß nicht, ob er hier geboren war
oder ob er andere Beziehungen hier hatte. Kurz
und gut, er war nun da und verkaufte ſein Schiff,
einen alten Kaſten, draus er nicht viel heraus ſchlug
und kaufte ſich ein Haus, dasſelbe, drin wir jetzt
wohnen. Denn er war draußen in der Welt ein
vermögender Mann geworden. Und von daher
ſchreibt ſich auch das Krokodil und der Haifiſch und
natürlich auch das Schiff … Alſo Thomſen war
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[140/0149] Effi Brieſt Vorſätze, doch immer ein Opfer meiner Vorſtellungen. Erzähle mir das Wirkliche. Die Wirklichkeit kann mich nicht ſo quälen wie meine Phantaſie.“ „Bravo, Effi. Ich wollte nicht davon ſprechen. Aber nun macht es ſich ſo von ſelbſt, und das iſt gut. Übrigens iſt es eigentlich gar nichts.“ „Mir gleich; gar nichts oder viel oder wenig. Fange nur an.“ „Ja, das iſt leicht geſagt. Der Anfang iſt immer das ſchwerſte, auch bei Geſchichten. Nun, ich denke, ich beginne mit Kapitän Thomſen.“ „Gut, gut.“ „Alſo Thomſen, den ich Dir ſchon genannt habe, war viele Jahre lang ein ſogenannter Chinafahrer, immer mit Reisfracht zwiſchen Shanghai und Singa¬ pore und mochte wohl ſchon ſechzig ſein, als er hier ankam. Ich weiß nicht, ob er hier geboren war oder ob er andere Beziehungen hier hatte. Kurz und gut, er war nun da und verkaufte ſein Schiff, einen alten Kaſten, draus er nicht viel heraus ſchlug und kaufte ſich ein Haus, dasſelbe, drin wir jetzt wohnen. Denn er war draußen in der Welt ein vermögender Mann geworden. Und von daher ſchreibt ſich auch das Krokodil und der Haifiſch und natürlich auch das Schiff … Alſo Thomſen war nun da, ein ſehr adretter Mann (ſo wenigſtens hat

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/149>, abgerufen am 24.11.2024.