zu glauben scheinst, sondern auch noch einen adligen Spukstolz von mir forderst. Nun, den hab' ich nicht. Und wenn Du von Familien sprichst, denen ihr Spuk so viel wert sei wie ihr Wappen, so ist das Geschmackssache; mir gilt mein Wappen mehr. Gott sei Dank haben wir Briest's keinen Spuk. Die Briest's waren immer sehr gute Leute, und damit hängt es wohl zusammen."
Der Streit hätte wohl noch angedauert und vielleicht zu einer ersten ernstlichen Verstimmung ge¬ führt, wenn Friedrich nicht eingetreten wäre, um der gnädigen Frau einen Brief zu überreichen. "Von Herrn Gieshübler. Der Bote wartet auf Antwort."
Aller Unmut auf Effi's Antlitz war sofort ver¬ schwunden ; schon bloß Gieshübler's Namen zu hören, that Effi wohl, und ihr Wohlgefühl steigerte sich, als sie jetzt den Brief musterte. Zunächst war es gar kein Brief, sondern ein Billet, die Adresse "Frau Baronin von Innstetten, geb. von Briest" in wunder¬ voller Kanzleihandschrift, und statt des Siegels ein aufgeklebtes rundes Bildchen, eine Lyra, darin ein Stab steckte. Dieser Stab konnte aber auch ein Pfeil sein. Sie reichte das Billet ihrem Manne, der es ebenfalls bewunderte.
Effi Brieſt
zu glauben ſcheinſt, ſondern auch noch einen adligen Spukſtolz von mir forderſt. Nun, den hab' ich nicht. Und wenn Du von Familien ſprichſt, denen ihr Spuk ſo viel wert ſei wie ihr Wappen, ſo iſt das Geſchmacksſache; mir gilt mein Wappen mehr. Gott ſei Dank haben wir Brieſt's keinen Spuk. Die Brieſt's waren immer ſehr gute Leute, und damit hängt es wohl zuſammen.“
Der Streit hätte wohl noch angedauert und vielleicht zu einer erſten ernſtlichen Verſtimmung ge¬ führt, wenn Friedrich nicht eingetreten wäre, um der gnädigen Frau einen Brief zu überreichen. „Von Herrn Gieshübler. Der Bote wartet auf Antwort.“
Aller Unmut auf Effi's Antlitz war ſofort ver¬ ſchwunden ; ſchon bloß Gieshübler's Namen zu hören, that Effi wohl, und ihr Wohlgefühl ſteigerte ſich, als ſie jetzt den Brief muſterte. Zunächſt war es gar kein Brief, ſondern ein Billet, die Adreſſe „Frau Baronin von Innſtetten, geb. von Brieſt“ in wunder¬ voller Kanzleihandſchrift, und ſtatt des Siegels ein aufgeklebtes rundes Bildchen, eine Lyra, darin ein Stab ſteckte. Dieſer Stab konnte aber auch ein Pfeil ſein. Sie reichte das Billet ihrem Manne, der es ebenfalls bewunderte.
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Effi Brieſt
zu glauben ſcheinſt, ſondern auch noch einen adligen
Spukſtolz von mir forderſt. Nun, den hab' ich nicht.
Und wenn Du von Familien ſprichſt, denen ihr
Spuk ſo viel wert ſei wie ihr Wappen, ſo iſt das
Geſchmacksſache; mir gilt mein Wappen mehr. Gott
ſei Dank haben wir Brieſt's keinen Spuk. Die
Brieſt's waren immer ſehr gute Leute, und damit
hängt es wohl zuſammen.“
Der Streit hätte wohl noch angedauert und
vielleicht zu einer erſten ernſtlichen Verſtimmung ge¬
führt, wenn Friedrich nicht eingetreten wäre, um der
gnädigen Frau einen Brief zu überreichen. „Von
Herrn Gieshübler. Der Bote wartet auf Antwort.“
Aller Unmut auf Effi's Antlitz war ſofort ver¬
ſchwunden ; ſchon bloß Gieshübler's Namen zu hören,
that Effi wohl, und ihr Wohlgefühl ſteigerte ſich,
als ſie jetzt den Brief muſterte. Zunächſt war es
gar kein Brief, ſondern ein Billet, die Adreſſe „Frau
Baronin von Innſtetten, geb. von Brieſt“ in wunder¬
voller Kanzleihandſchrift, und ſtatt des Siegels ein
aufgeklebtes rundes Bildchen, eine Lyra, darin ein
Stab ſteckte. Dieſer Stab konnte aber auch ein
Pfeil ſein. Sie reichte das Billet ihrem Manne,
der es ebenfalls bewunderte.
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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/143>, abgerufen am 25.11.2024.
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