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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest

"Ich werde mich wohl für Einsiedlertum ent¬
schließen, wenn mich die Mohrenapotheke nicht her¬
ausreißt. Bei Sidonie werd' ich dadurch freilich
noch etwas tiefer sinken, aber darauf muß ich es
ankommen lassen; dieser Kampf muß eben gekämpft
werden. Ich steh' und falle mit Gieshübler. Es
klingt etwas komisch, aber er ist wirklich der einzige
mit dem sich ein Wort reden läßt, der einzige richtige
Mensch hier."

"Das ist er," sagte Innstetten. "Wie gut Du
zu wählen verstehst."

"Hätte ich sonst Dich?" sagte Effi und hing
sich an seinen Arm.


Das war am 2. Dezember. Eine Woche später
war Bismarck in Varzin, und nun wußte Innstetten,
daß, bis Weihnachten und vielleicht noch drüber hin¬
aus, an ruhige Tage für ihn gar nicht mehr zu
denken sei. Der Fürst hatte noch von Versailles
her eine Vorliebe für ihn und lud ihn, wenn Besuch da
war, häufig zu Tisch, aber auch allein, denn der jugend¬
liche, durch Haltung und Klugheit gleich ausgezeichnete
Landrat stand ebenso in Gunst bei der Fürstin.

Zum 14. erfolgte die erste Einladung. Es lag
Schnee, weshalb Innstetten die fast zweistündige Fahrt
bis an den Bahnhof, von wo noch eine Stunde

Effi Brieſt

„Ich werde mich wohl für Einſiedlertum ent¬
ſchließen, wenn mich die Mohrenapotheke nicht her¬
ausreißt. Bei Sidonie werd' ich dadurch freilich
noch etwas tiefer ſinken, aber darauf muß ich es
ankommen laſſen; dieſer Kampf muß eben gekämpft
werden. Ich ſteh' und falle mit Gieshübler. Es
klingt etwas komiſch, aber er iſt wirklich der einzige
mit dem ſich ein Wort reden läßt, der einzige richtige
Menſch hier.“

„Das iſt er,“ ſagte Innſtetten. „Wie gut Du
zu wählen verſtehſt.“

„Hätte ich ſonſt Dich?“ ſagte Effi und hing
ſich an ſeinen Arm.


Das war am 2. Dezember. Eine Woche ſpäter
war Bismarck in Varzin, und nun wußte Innſtetten,
daß, bis Weihnachten und vielleicht noch drüber hin¬
aus, an ruhige Tage für ihn gar nicht mehr zu
denken ſei. Der Fürſt hatte noch von Verſailles
her eine Vorliebe für ihn und lud ihn, wenn Beſuch da
war, häufig zu Tiſch, aber auch allein, denn der jugend¬
liche, durch Haltung und Klugheit gleich ausgezeichnete
Landrat ſtand ebenſo in Gunſt bei der Fürſtin.

Zum 14. erfolgte die erſte Einladung. Es lag
Schnee, weshalb Innſtetten die faſt zweiſtündige Fahrt
bis an den Bahnhof, von wo noch eine Stunde

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[112/0121] Effi Brieſt „Ich werde mich wohl für Einſiedlertum ent¬ ſchließen, wenn mich die Mohrenapotheke nicht her¬ ausreißt. Bei Sidonie werd' ich dadurch freilich noch etwas tiefer ſinken, aber darauf muß ich es ankommen laſſen; dieſer Kampf muß eben gekämpft werden. Ich ſteh' und falle mit Gieshübler. Es klingt etwas komiſch, aber er iſt wirklich der einzige mit dem ſich ein Wort reden läßt, der einzige richtige Menſch hier.“ „Das iſt er,“ ſagte Innſtetten. „Wie gut Du zu wählen verſtehſt.“ „Hätte ich ſonſt Dich?“ ſagte Effi und hing ſich an ſeinen Arm. Das war am 2. Dezember. Eine Woche ſpäter war Bismarck in Varzin, und nun wußte Innſtetten, daß, bis Weihnachten und vielleicht noch drüber hin¬ aus, an ruhige Tage für ihn gar nicht mehr zu denken ſei. Der Fürſt hatte noch von Verſailles her eine Vorliebe für ihn und lud ihn, wenn Beſuch da war, häufig zu Tiſch, aber auch allein, denn der jugend¬ liche, durch Haltung und Klugheit gleich ausgezeichnete Landrat ſtand ebenſo in Gunſt bei der Fürſtin. Zum 14. erfolgte die erſte Einladung. Es lag Schnee, weshalb Innſtetten die faſt zweiſtündige Fahrt bis an den Bahnhof, von wo noch eine Stunde

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/121>, abgerufen am 27.11.2024.