Rollo, ist dabei, ja, der ruht nicht eher, als bis er den Verunglückten wieder an Land hat. Und wenn der Verunglückte schon tot ist, dann legt er sich neben den Toten hin und blafft und winselt so lange, bis wer kommt, und wenn keiner kommt, dann bleibt er bei dem Toten liegen bis er selber tot ist. Und das thut solch' Tier immer. Und nun nimm dagegen die Menschheit! Gott, vergieb mir die Sünde, aber mitunter ist mir's doch, als ob die Kreatur besser wäre als der Mensch."
"Aber, Papa, wenn ich das Innstetten wieder erzählte ..."
"Nein, das thu' lieber nicht. Effi ..."
"Rollo würde mich ja natürlich retten, aber Innstetten würde mich auch retten. Er ist ja ein Mann von Ehre."
"Das ist er."
"Und liebt mich."
"Versteht sich, versteht sich. Und wo Liebe ist, da ist auch Gegenliebe. Das ist nun 'mal so. Mich wundert nur, daß er nicht 'mal Urlaub genommen hat und 'rübergeflitzt ist. Wenn man eine so junge Frau hat ..."
Effi errötete, weil sie gerade so dachte. Sie mochte es aber nicht einräumen. Innstetten ist so gewissenhaft und will, glaub' ich, gut angeschrieben
Effi Brieſt
Rollo, iſt dabei, ja, der ruht nicht eher, als bis er den Verunglückten wieder an Land hat. Und wenn der Verunglückte ſchon tot iſt, dann legt er ſich neben den Toten hin und blafft und winſelt ſo lange, bis wer kommt, und wenn keiner kommt, dann bleibt er bei dem Toten liegen bis er ſelber tot iſt. Und das thut ſolch' Tier immer. Und nun nimm dagegen die Menſchheit! Gott, vergieb mir die Sünde, aber mitunter iſt mir's doch, als ob die Kreatur beſſer wäre als der Menſch.“
„Aber, Papa, wenn ich das Innſtetten wieder erzählte …“
„Nein, das thu' lieber nicht. Effi …“
„Rollo würde mich ja natürlich retten, aber Innſtetten würde mich auch retten. Er iſt ja ein Mann von Ehre.“
„Das iſt er.“
„Und liebt mich.“
„Verſteht ſich, verſteht ſich. Und wo Liebe iſt, da iſt auch Gegenliebe. Das iſt nun 'mal ſo. Mich wundert nur, daß er nicht 'mal Urlaub genommen hat und 'rübergeflitzt iſt. Wenn man eine ſo junge Frau hat …“
Effi errötete, weil ſie gerade ſo dachte. Sie mochte es aber nicht einräumen. Innſtetten iſt ſo gewiſſenhaft und will, glaub' ich, gut angeſchrieben
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0215"n="206"/><fwplace="top"type="header">Effi Brieſt<lb/></fw>Rollo, iſt dabei, ja, der ruht nicht eher, als bis er<lb/>
den Verunglückten wieder an Land hat. Und wenn<lb/>
der Verunglückte ſchon tot iſt, dann legt er ſich<lb/>
neben den Toten hin und blafft und winſelt ſo<lb/>
lange, bis wer kommt, und wenn keiner kommt, dann<lb/>
bleibt er bei dem Toten liegen bis er ſelber tot<lb/>
iſt. Und das thut ſolch' Tier immer. Und nun<lb/>
nimm dagegen die Menſchheit! Gott, vergieb mir<lb/>
die Sünde, aber mitunter iſt mir's doch, als ob<lb/>
die Kreatur beſſer wäre als der Menſch.“</p><lb/><p>„Aber, Papa, wenn ich das Innſtetten wieder<lb/>
erzählte …“</p><lb/><p>„Nein, das thu' lieber nicht. Effi …“</p><lb/><p>„Rollo würde mich ja natürlich retten, aber<lb/>
Innſtetten würde mich auch retten. Er iſt ja ein<lb/>
Mann von Ehre.“</p><lb/><p>„Das iſt er.“</p><lb/><p>„Und liebt mich.“</p><lb/><p>„Verſteht ſich, verſteht ſich. Und wo Liebe iſt,<lb/>
da iſt auch Gegenliebe. Das iſt nun 'mal ſo. Mich<lb/>
wundert nur, daß er nicht 'mal Urlaub genommen<lb/>
hat und 'rübergeflitzt iſt. Wenn man eine ſo junge<lb/>
Frau hat …“</p><lb/><p>Effi errötete, weil ſie gerade ſo dachte. Sie<lb/>
mochte es aber nicht einräumen. Innſtetten iſt ſo<lb/>
gewiſſenhaft und will, glaub' ich, gut angeſchrieben<lb/></p></div></body></text></TEI>
[206/0215]
Effi Brieſt
Rollo, iſt dabei, ja, der ruht nicht eher, als bis er
den Verunglückten wieder an Land hat. Und wenn
der Verunglückte ſchon tot iſt, dann legt er ſich
neben den Toten hin und blafft und winſelt ſo
lange, bis wer kommt, und wenn keiner kommt, dann
bleibt er bei dem Toten liegen bis er ſelber tot
iſt. Und das thut ſolch' Tier immer. Und nun
nimm dagegen die Menſchheit! Gott, vergieb mir
die Sünde, aber mitunter iſt mir's doch, als ob
die Kreatur beſſer wäre als der Menſch.“
„Aber, Papa, wenn ich das Innſtetten wieder
erzählte …“
„Nein, das thu' lieber nicht. Effi …“
„Rollo würde mich ja natürlich retten, aber
Innſtetten würde mich auch retten. Er iſt ja ein
Mann von Ehre.“
„Das iſt er.“
„Und liebt mich.“
„Verſteht ſich, verſteht ſich. Und wo Liebe iſt,
da iſt auch Gegenliebe. Das iſt nun 'mal ſo. Mich
wundert nur, daß er nicht 'mal Urlaub genommen
hat und 'rübergeflitzt iſt. Wenn man eine ſo junge
Frau hat …“
Effi errötete, weil ſie gerade ſo dachte. Sie
mochte es aber nicht einräumen. Innſtetten iſt ſo
gewiſſenhaft und will, glaub' ich, gut angeſchrieben
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/215>, abgerufen am 28.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.