Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite
Effi Briest

"Ja, zuerst is es wohl immer dasselbe, und ich
will mir auch nicht einbilden, daß es mit mir 'was
Besonderes war, ganz und gar nicht. Aber wie sie's
mir dann auf den Kopf zusagten und ich mit einem¬
male sagen mußte: ,ja, es ist so,' ja, das war
schrecklich. Die Mutter, na, das ging noch, aber
der Vater, der die Dorfschmiede hatte, der war streng
und wütend, und als er's hörte, da kam er mit
einer Stange auf mich los, die er eben aus dem
Feuer genommen hatte, und wollte mich umbringen.
Und ich schrie laut auf und lief auf den Boden und
versteckte mich, und da lag ich und zitterte und kam
erst wieder nach unten, als sie mich riefen und sagten,
ich solle nur kommen. Und dann hatte ich noch
eine jüngere Schwester, die wies immer auf mich hin
und sagte ,Pfui'. Und dann, wie das Kind kommen
sollte, ging ich in eine Scheune nebenan, weil ich
mir's bei uns nicht getraute. Da fanden mich fremde
Leute halb tot und trugen mich ins Haus und in
mein Bett. Und den dritten Tag nahmen sie mir
das Kind fort, und als ich nachher fragte, wo es sei,
da hieß es, es sei gut aufgehoben. Ach, gnädigste
Frau, die heil'ge Mutter Gottes bewahre Sie vor
solchem Elend."

Effi fuhr auf und sah Roswitha mit großen
Augen an. Aber sie war doch mehr erschrocken als

Effi Brieſt

„Ja, zuerſt is es wohl immer daſſelbe, und ich
will mir auch nicht einbilden, daß es mit mir 'was
Beſonderes war, ganz und gar nicht. Aber wie ſie's
mir dann auf den Kopf zuſagten und ich mit einem¬
male ſagen mußte: ‚ja, es iſt ſo,' ja, das war
ſchrecklich. Die Mutter, na, das ging noch, aber
der Vater, der die Dorfſchmiede hatte, der war ſtreng
und wütend, und als er's hörte, da kam er mit
einer Stange auf mich los, die er eben aus dem
Feuer genommen hatte, und wollte mich umbringen.
Und ich ſchrie laut auf und lief auf den Boden und
verſteckte mich, und da lag ich und zitterte und kam
erſt wieder nach unten, als ſie mich riefen und ſagten,
ich ſolle nur kommen. Und dann hatte ich noch
eine jüngere Schweſter, die wies immer auf mich hin
und ſagte ,Pfui‘. Und dann, wie das Kind kommen
ſollte, ging ich in eine Scheune nebenan, weil ich
mir's bei uns nicht getraute. Da fanden mich fremde
Leute halb tot und trugen mich ins Haus und in
mein Bett. Und den dritten Tag nahmen ſie mir
das Kind fort, und als ich nachher fragte, wo es ſei,
da hieß es, es ſei gut aufgehoben. Ach, gnädigſte
Frau, die heil'ge Mutter Gottes bewahre Sie vor
ſolchem Elend.“

Effi fuhr auf und ſah Roswitha mit großen
Augen an. Aber ſie war doch mehr erſchrocken als

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0317" n="308"/>
        <fw place="top" type="header">Effi Brie&#x017F;t<lb/></fw>
        <p>&#x201E;Ja, zuer&#x017F;t is es wohl immer da&#x017F;&#x017F;elbe, und ich<lb/>
will mir auch nicht einbilden, daß es mit mir 'was<lb/>
Be&#x017F;onderes war, ganz und gar nicht. Aber wie &#x017F;ie's<lb/>
mir dann auf den Kopf zu&#x017F;agten und ich mit einem¬<lb/>
male &#x017F;agen mußte: &#x201A;ja, es i&#x017F;t &#x017F;o,' ja, das war<lb/>
&#x017F;chrecklich. Die Mutter, na, das ging noch, aber<lb/>
der Vater, der die Dorf&#x017F;chmiede hatte, der war &#x017F;treng<lb/>
und wütend, und als er's hörte, da kam er mit<lb/>
einer Stange auf mich los, die er eben aus dem<lb/>
Feuer genommen hatte, und wollte mich umbringen.<lb/>
Und ich &#x017F;chrie laut auf und lief auf den Boden und<lb/>
ver&#x017F;teckte mich, und da lag ich und zitterte und kam<lb/>
er&#x017F;t wieder nach unten, als &#x017F;ie mich riefen und &#x017F;agten,<lb/>
ich &#x017F;olle nur kommen. Und dann hatte ich noch<lb/>
eine jüngere Schwe&#x017F;ter, die wies immer auf mich hin<lb/>
und &#x017F;agte ,Pfui&#x2018;. Und dann, wie das Kind kommen<lb/>
&#x017F;ollte, ging ich in eine Scheune nebenan, weil ich<lb/>
mir's bei uns nicht getraute. Da fanden mich fremde<lb/>
Leute halb tot und trugen mich ins Haus und in<lb/>
mein Bett. Und den dritten Tag nahmen &#x017F;ie mir<lb/>
das Kind fort, und als ich nachher fragte, wo es &#x017F;ei,<lb/>
da hieß es, es &#x017F;ei gut aufgehoben. Ach, gnädig&#x017F;te<lb/>
Frau, die heil'ge Mutter Gottes bewahre Sie vor<lb/>
&#x017F;olchem Elend.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Effi fuhr auf und &#x017F;ah Roswitha mit großen<lb/>
Augen an. Aber &#x017F;ie war doch mehr er&#x017F;chrocken als<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[308/0317] Effi Brieſt „Ja, zuerſt is es wohl immer daſſelbe, und ich will mir auch nicht einbilden, daß es mit mir 'was Beſonderes war, ganz und gar nicht. Aber wie ſie's mir dann auf den Kopf zuſagten und ich mit einem¬ male ſagen mußte: ‚ja, es iſt ſo,' ja, das war ſchrecklich. Die Mutter, na, das ging noch, aber der Vater, der die Dorfſchmiede hatte, der war ſtreng und wütend, und als er's hörte, da kam er mit einer Stange auf mich los, die er eben aus dem Feuer genommen hatte, und wollte mich umbringen. Und ich ſchrie laut auf und lief auf den Boden und verſteckte mich, und da lag ich und zitterte und kam erſt wieder nach unten, als ſie mich riefen und ſagten, ich ſolle nur kommen. Und dann hatte ich noch eine jüngere Schweſter, die wies immer auf mich hin und ſagte ,Pfui‘. Und dann, wie das Kind kommen ſollte, ging ich in eine Scheune nebenan, weil ich mir's bei uns nicht getraute. Da fanden mich fremde Leute halb tot und trugen mich ins Haus und in mein Bett. Und den dritten Tag nahmen ſie mir das Kind fort, und als ich nachher fragte, wo es ſei, da hieß es, es ſei gut aufgehoben. Ach, gnädigſte Frau, die heil'ge Mutter Gottes bewahre Sie vor ſolchem Elend.“ Effi fuhr auf und ſah Roswitha mit großen Augen an. Aber ſie war doch mehr erſchrocken als

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/317
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/317>, abgerufen am 28.11.2024.