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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
Frage. Die steckte jetzt viel auf dem ,Amt' drüben,
weil es zu Haus weniger zu thun gab und Friedrich
und Christel waren ihr zu langweilig und wußten
nie 'was.

Annie schlief noch. Effi beugte sich über die
Wiege, ließ sich dann Hut und Regenmantel ab¬
nehmen und setzte sich auf das kleine Sofa in ihrer
Schlafstube. Das feuchte Haar strich sie langsam
zurück, legte die Füße auf einen niedrigen Stuhl,
den Roswitha heran geschoben, und sagte, während
sie sichtlich das Ruhebehagen nach einem ziemlich
langen Spaziergange genoß: "Ich muß Dich darauf
aufmerksam machen, Roswitha, daß Kruse ver¬
heiratet ist."

"Ich weiß, gnäd'ge Frau."

"Ja, was weiß man nicht alles und handelt
doch, als ob man es nicht wüßte. Das kann nie
'was werden."

"Es soll ja auch nichts werden, gnäd'ge Frau ..."

"Denn wenn Du denkst, sie sei krank, da machst
Du die Rechnung ohne den Wirt. Die Kranken
leben am längsten. Und dann hat sie das schwarze
Huhn. Vor dem hüte Dich, das weiß alles und
plaudert alles aus. Ich weiß nicht, ich habe einen
Schauder davor. Und ich wette, daß das alles da
oben mit dem Huhn zusammenhängt."

Effi Brieſt
Frage. Die ſteckte jetzt viel auf dem ‚Amt‘ drüben,
weil es zu Haus weniger zu thun gab und Friedrich
und Chriſtel waren ihr zu langweilig und wußten
nie 'was.

Annie ſchlief noch. Effi beugte ſich über die
Wiege, ließ ſich dann Hut und Regenmantel ab¬
nehmen und ſetzte ſich auf das kleine Sofa in ihrer
Schlafſtube. Das feuchte Haar ſtrich ſie langſam
zurück, legte die Füße auf einen niedrigen Stuhl,
den Roswitha heran geſchoben, und ſagte, während
ſie ſichtlich das Ruhebehagen nach einem ziemlich
langen Spaziergange genoß: „Ich muß Dich darauf
aufmerkſam machen, Roswitha, daß Kruſe ver¬
heiratet iſt.“

„Ich weiß, gnäd'ge Frau.“

„Ja, was weiß man nicht alles und handelt
doch, als ob man es nicht wüßte. Das kann nie
'was werden.“

„Es ſoll ja auch nichts werden, gnäd'ge Frau …“

„Denn wenn Du denkſt, ſie ſei krank, da machſt
Du die Rechnung ohne den Wirt. Die Kranken
leben am längſten. Und dann hat ſie das ſchwarze
Huhn. Vor dem hüte Dich, das weiß alles und
plaudert alles aus. Ich weiß nicht, ich habe einen
Schauder davor. Und ich wette, daß das alles da
oben mit dem Huhn zuſammenhängt.“

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[306/0315] Effi Brieſt Frage. Die ſteckte jetzt viel auf dem ‚Amt‘ drüben, weil es zu Haus weniger zu thun gab und Friedrich und Chriſtel waren ihr zu langweilig und wußten nie 'was. Annie ſchlief noch. Effi beugte ſich über die Wiege, ließ ſich dann Hut und Regenmantel ab¬ nehmen und ſetzte ſich auf das kleine Sofa in ihrer Schlafſtube. Das feuchte Haar ſtrich ſie langſam zurück, legte die Füße auf einen niedrigen Stuhl, den Roswitha heran geſchoben, und ſagte, während ſie ſichtlich das Ruhebehagen nach einem ziemlich langen Spaziergange genoß: „Ich muß Dich darauf aufmerkſam machen, Roswitha, daß Kruſe ver¬ heiratet iſt.“ „Ich weiß, gnäd'ge Frau.“ „Ja, was weiß man nicht alles und handelt doch, als ob man es nicht wüßte. Das kann nie 'was werden.“ „Es ſoll ja auch nichts werden, gnäd'ge Frau …“ „Denn wenn Du denkſt, ſie ſei krank, da machſt Du die Rechnung ohne den Wirt. Die Kranken leben am längſten. Und dann hat ſie das ſchwarze Huhn. Vor dem hüte Dich, das weiß alles und plaudert alles aus. Ich weiß nicht, ich habe einen Schauder davor. Und ich wette, daß das alles da oben mit dem Huhn zuſammenhängt.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/315>, abgerufen am 28.11.2024.